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Fernando Pessoa: „In Evaristos Apotheke/Der Bankier als Anarchist (1935)“
Kaffeehaus-(Anti-)Kommunismus

Hochaktuell und satirisch glänzend: In seinen politischen Texten zeigt sich der portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa als hellsichtiger Warner vor dem Kommunismus und seinen Folgen  - auch in Russland.

Von Dirk Fuhrig |
Fernando Pessoa und seine Erzählungen "In Evaristos Apotheke / Der Bankier und Anarchist (1935)"
Fernando Pessoa und seine Erzählungen "In Evaristos Apotheke / Der Bankier und Anarchist (1935)" (Foto und Buchcover: (c) Kupido Literaturverlag)
„Ein gewöhnlicher Sonntagnachmittag begann. (…) In Evaristos Apotheke, die unvermindert geöffnet hatte, trafen die Stammkunden ein. Das Durcheinander lauter Gespräche überschlug sich.“
Unnachahmlich, wie Fernando Pessoa in wenigen Sätzen ein dynamisch-humoristisches Kneipen-Szenario entfaltet:
„Die schneidende Stimme von Mendes, einem demokratischen Republikaner, hob sich jauchzend hervor. In diesem Moment erschienen in der Tür die zwei, die noch gefehlt hatten. Die Runde begrüßte sie allgemein.“

Leibliche und geistige Genüsse

Eine Herrenrunde am Wochenende, animiert und stimmlich wohlproportioniert. Gleiches gilt für den Leibesumfang.
 „José Gomes, der unter Gomes Pipa bekannt war, trat gemächlichen Schrittes in die Apotheke."
 „Pipa“: „Weinfass“ auf Portugiesisch:
 „Von den zwei Ursachen für seinen Spitznamen  war erstere sichtbar: der imposante Bauch seiner stattlichen Korpulenz.“
Eine Apotheke, die sich nicht nur um die medizinische, sondern auch um die kulinarische Grundversorgung ihrer Kundschaft bemüht. Und gleichzeitig das passende Ambiente bietet, um über das tagespolitische Geschehen zu debattieren.
 „Und, Mendes, da sind Sie glücklich über die Wiederherstellung der Ordnung, was?
„Natürlich …“
„Und mit dem Verhalten der treuen Truppen - Sie haben sich korrekt verhalten. Aber sie haben nichts anderes getan, als ihre Pflicht.“
„Da bin ich beruhigt, Sr. Mendes“, sagte Gomes und setzte sich, nach dem Tabakbeutel greifend, auf eine Bank nieder.“

Lissabonner Wirtshaus-Schwadroneure

Fernando Pessoa - der übrigens selbst leiblichen Genüssen nicht abgeneigt war und im Alter von 47 Jahren an Leberzirrhose starb - schrieb diese politische Erzählung vor genau 100 Jahren. Der Dialog zwischen republikanisch und monarchistisch gesinnten Lissabonner Wirtshaus-Schwadroneuren greift die politischen Ereignisse in jener für Portugal sehr bewegten Epoche auf. Nachdem 1910 die Republik ausgerufen worden war, wechselte alle paar Monate die Regierung. Ein Putsch im Mai 1926 beendete die erste portugiesische Demokratie - Salazars diktatorischer „Estado novo“ kündigte sich bereits an.
Pessoas leicht angeheiterte Sonntagsredner rechtfertigen die Autorität des Staates:
„Da das Wesen des Regierens das Herrschen ist, ist eine der Bedingungen des Herrschens das Unterdrücken von Revolten und feindlichen Strömungen.“
Die meisten der zahllosen Gedichte und Prosaerzählungen Fernando Pessoas tauchten erst in seinem Nachlass wieder auf. In der ominösen Wäschetruhe in seiner Wohnung, in die der Vielschreiber und Wenig-Veröffentlicher seine mehr als 27 000 Manuskripte hineinstopfte - aus der sie die Literaturwissenschaft dann Jahre später geborgen hat.

Komödiantische Farce

„In Evaristos Apotheke“ - im Original „Na Farmácia do Evaristo“ - wurde erstmals Ende der 1970erJahre in dem Band „Da República“ („Über die Republik“) gedruckt, der die politischen Pessoa-Texte versammelt, die zwischen 1910 und 1935, dem Jahr seines Todes,  entstanden. Frank Henseleit hat diese komödiantische Farce nun ins Deutsche übersetzt und präsentiert sie in seinem - von ihm selbst 2020 gegründeten - Kölner „Kupido“-Verlag in einer wunderschönen hellgrauen Leinenausgabe. Dazu bietet er eine Neuübertragung der Erzählung „Der Bankier und Anarchist“ - eine spitzfindige Abhandlung über den Kapitalismus.
„Sie glauben ja auch nicht, dass man die Mörder abschafft, indem man die Messer abschafft.“
… räsoniert darin der Anarcho-Banker, der das profitmaximierende System von innen heraus zersetzen will.
 „Versuchen Sie es, verjagen Sie alle Kapitalisten von diesem Planeten, ohne jedoch das Kapital abzuschaffen. Schon am nächsten Tag, wenn es in die Hände anderer gefallen ist, wird es sich dieser bedienen und seine Tyrannei fortsetzen. Schaffen Sie aber nicht die Kapitalisten ab, sondern das Kapital; wieviel Kapitalisten werden da übrigbleiben?“

Polit-literarische Preziosen

Auf dem Umschlag dieses Büchleins, das die beiden polit-literarischen Preziosen enthält, ist das berühmte Konterfei Pessoas nachgezeichnet: mit Hut, Nickelbrille und zum Dreieck gestutztem  Oberlippenbart.
Der Doppel-Band kommt etwas verspätet zum Länderschwerpunkt Portugal, der trotz offiziell abgesagter Leipziger Buchmesse in rudimentärer Form Mitte März stattgefunden hat. Die Übersetzung von „In Evaristos Apotheke“ wurde im Rahmen des Gastland-Auftritts gefördert; der Text ist jetzt also erstmals auf Deutsch zu lesen:
„Herrlich, einfach herrlich!”, rief der Oberst aus und kniff die Spitze der Zigarre ab, als ob er die Argumentation begriffen hätte. „Je stärker man Sie festnagelt, desto mehr wurschteln Sie sich raus.“ "Gomes zeigte auf seinen opulenten Körper. „Wenn man mich einengt, begrabe ich alles unter mir…“, antwortete er bescheiden.“
Henseleits Übersetzung bringt Pessoas lapidare Sätze mit ihrem süffisanten Unterton zum Erstrahlen. Der deutsche Text liest sich höchst amüsant, ständig muss man über Formulierungen wie den „opulenten Köper“ oder das „Rauswurschteln“ schmunzeln. Des Dichters satirische Qualitäten kommen hier bestens ans Licht.
Fernando Pessoa wurde 1888 in Lissabon geboren, wuchs in Südafrika auf - und konnte daher perfekt Englisch. Zum (nicht abgeschlossenen) Literatur-Studium ging er zurück nach Portugal. Bis zu seinem Tod 1935 schrieb und übersetzte er Geschäftskorrespondenz für Handelsunternehmen in der Lissabonner Unterstadt, der Baixa.

Im Künstler-Café „A Brasileira“

Im Restaurant „Martinho de Arcada“ an der Praça do Comércio nahm er oft sein Mittagessen ein. Sonntags - ganz wie die Gäste in „Evaristos Apotheke“ - ging er meist ins „A Brasileira“ in der Rua Garrett. Vor dem legendären Hangout der Jugendstil- und 20er-Jahre-Bohème erinnert heute eine an einem Bistro-Tisch sitzende Bronzefigur an Portugals Meister-Dichter und -Denker.
„Das Café war in früheren Zeiten der Treffpunkt der Literaten. Es gibt viele Manuskripte im Nachlass, die noch diesen Stempel oder die Prägung vom ,Café Brasileira' haben, wo ziemlich bekannte, berühmte Gedichte drauf stehen.“
Steffen Dix, Professor an der Universidade Aberta in Lissabon, kennt den Nachlass des portugiesischen Kaffeehaus-Literaten besonders gut. Vor zwei Jahrzehnten hatte er begonnen, Pessoa für Ammann in Zürich zu übersetzen. Seitdem Eugen Ammann seinen Verlag 2010 aufgab, kümmert sich S. Fischer in Frankfurt  um Fernando Pessoas vielschichtiges Werk.
„Pessoa hat das eigenartige Schicksal eines Klassikers, dass man viel über ihn redet, das Werk aber immer mehr in den Hintergrund tritt. Das ,Buch der Unruhe' ist bekannt in Portugal, sehr bekannt sind die Botschaften, die ,Mensajem', dann einige Gedichte, aber im Verhältnis das Werk Pessoas ist wenig bekannt. Im Gegensatz zu seiner eigenen Person, die jetzt immer mehr in den Vordergrund tritt.“

Literarischer Sonderling

Steffen Dix hat als Herausgeber und Übersetzer viel dazu beigetragen, dass Pessoa heute auch im deutschsprachigen Raum rezipiert werden kann. Seit einigen Jahren ist auch hierzulande wieder eine stärkere Begeisterung für den schillernden literarischen Sonderling festzustellen, der sich als Schriftsteller in diverse Personen mit fiktiven Namen aufspaltete, in künstliche Identitäten.
Der Band, der „In Evaristos Apotheke“ enthält, lässt sich als Teil dieser kleinen Renaissance sehen. Neben der Übersetzung bietet das Buch aus dem Kupido-Verlag das Typoskript, also das   maschinengeschriebene Manuskript des Textes. „Der Bankier und Anarchist“ wiederum ist zweisprachig auf Deutsch und Portugiesisch abgedruckt.
Vom Jugendstil-Café „A Brasileira“ mit seinem langen Tresen sind es rund 15 Minuten zu Fuß durch die engen Gassen der Lissabonner Altstadt zur „Casa Fernando Pessoa“, einem schlichten Gebäude mit hohen Fenstern im Stadtteil Campo de Orique. Dort wohnte der Autor die letzten 15 Jahre seines Lebens.
„Er lebte im ersten Stock. Er hatte nur zwei Zimmer. Aber er war auch selten zu Hause, kam nur zum Schlafen. Er lebte in den Straßen von Lissabon, traf sich dort mit seinen Freunden.“

Mehrere Autorenidentitäten fürs multiple Ego

In der „Casa Fernando Pessoa“ kann man das Gerät besichtigen, auf dem vermutlich auch „Na Farmácia do Evaristo“ in engem Zeilenabstand auf dünnes Papier gehämmert wurde:
„Auf dieser Schreibmaschine tippte Fernando Pessoa einen Großteil seiner Werke.“
Angeblich funktioniert sie noch, glaubt man der Mitarbeiterin des Museums, aber ausprobieren darf man es nicht: Die altertümliche Maschine der Marke „Royal“, original aus den 20er-Jahren, ist hinter einer Glasscheibe gesichert.
„90 Prozent der Gedichte von Álvara de Campos sind darauf entstanden. De Campos, das war der ,verrückte Ingenieur', der ständig in der Welt unterwegs ist. Es gibt viele Objekte hier im Haus, die an die Heteronyme Pessoas erinnern.“
„Heteronyme“, das sind die unterschiedlichen Namen, unter denen Pessoa seine Texte verfasste. Mehr als Pseudonyme: ausgedachte Autoren-Figuren mit jeweils ganz eigenen, von Pessoa skizzierten Biografien, Charaktereigenschaften und Meinungen - zum Leben, zur Kunst, zum Staat.
Das „Buch der Unruhe“ hat Pessoa unter dem Namen Bernardo Soares geschrieben; Alberto Caeiro war der feinsinnige Poet, Ricardo Reis der Oden-Dichter und Álvaro de Campos eben der „verrückte Ingenieur“ - alles Doppelungen, Spiegelungen, Varianten des multiplen Egos des Fernando Pessoa:
"Einerseits ist Pessoa eine ziemlich offene Persönlichkeit gewesen, die im kulturellen Leben Portugals seiner Zeit sehr aktiv war. Andererseits hat er eine Selbstmystifizierung betrieben. Dass er ständig etwas zu seiner Person sagt und dann wieder negiert.“

Graumausiger Buchhaltertyp und Meister der Verwandlung

Die „Autorfigur“ des „Buchs der Unruhe“ - neben „Mein Lissabon“ Pessoas bekanntester und zugänglichster Text - ist eine Eigen-Karikatur: ein in seiner Überkorrektheit erstarrter graumausiger Buchhaltertyp, der seine eintönigen Tage am Stehpult verbringt. Dieser Bernardo Soares trägt deutliche Züge der realen Person Fernando Pessoa, in höchstem Maße selbstironisch zugespitzt.
Der Name „Pessoa“ bedeutet übrigens „Person“, kann aber auch „Maske“ oder „Fiktion“ heißen, ja sogar: „Niemand“ - wie passend für diesen Meister der Verwandlung, der auch in seinen politischen Überzeugungen schwankte.
„In Evaristos Apotheke“ hat Pessoa „ipse“ geschrieben, so steht es auf dem Buchcover, also als Fernando Pessoa höchstselbst. Das gleiche gilt für „Der Bankier und Anarchist“, den zweiten Text in dem Kupido-Band. Diese herrliche Polit-Posse ist für Pessoa-Aficionados nicht ganz neu, sie wurde schon mehrfach übersetzt und etwa auch als Theaterstück auf die Bühne gebracht. 
Angesichts gegenwärtiger Debatten über Neoliberalismus und die neue Klassenfrage liest man den Text noch einmal mit anderen Augen.

Reicher Banker und Kapitalismuskritiker

Auch hier entspinnt sich der Dialog bei gediegener, sehr bürgerlicher Nahrungsaufnahme in einem Restaurant:
 „Wir waren mit dem Essen fertig. Mein Freund, der Bankier, bedeutende Geschäftsmann und Spekulant, saß mir gegenüber und rauchte wie weltversunken vor sich hin.“
Nach ausschweifenden Bemerkungen über seine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen legt der saturierte Bourgeois eine ausgeklügelte Theorie der Reichtumsvernichtung dar:
Wie gelang es mir, die Macht des Geldes zu überwinden? Am einfachsten wäre es gewesen (…) mich aus der Gesellschaft zurückzuziehen; auf dem Land leben, Wurzeln essen und Quellwasser trinken  (…)(Aber selbst, wenn mir das nicht sonderlich schwergefallen wäre, (…) nicht annähernd hätte das Kämpfen bedeutet: sondern Flucht. (…) Wie das Geld überwinden, wie es in der Schlacht besiegen? (…) Es gab nur einen Weg – es anzuhäufen, es in gigantischen Mengen anzuhäufen, um seinen Einfluss nicht zu spüren."
Auf diese Weise lässt sich natürlich noch die größte Kapitalanhäufung rechtfertigen - ein monumentaler Selbstbetrug.
„Dies klar vor Augen trat ich, mir der Kraft meiner anarchistischen Überzeugung und meines überdurchschnittlichen Verstands bewusst, in die gegenwärtige Phase meines Anarchismus ein: der des Kaufmanns und Bankiers.“
Auf die Frage des Tischgenossen, warum nicht nur die verelendeten Klassen, sondern gerade auch so viele gutsituierte Intellektuelle einen Hang zum Kommunismus hätten, antwortet der Bankier mit bitterbösem Sarkasmus:

Freie Liebe für Snobs und Salon-Kommunisten

„Es muss nicht für alle der gleiche Grund bestehen. Bei einigen wird er bloß ein schweinischer Snobismus sein. Andere werden ihn für die modernste Form halten, die Religion zu diffamieren. Und wieder andere kamen, wie es scheint, als Sklaven zur Welt und haben Dank des Umgangs oder der Lektüre die Schlechtigkeit der Russen angenommen, herumkommandiert zu werden. Die Ältesten und die Jüngsten mögen noch an die sexuelle Seite dieser Angelegenheit gedacht haben. Die freie Liebe – das entdeckte ich unter den Anarchisten – war immer eine beliebte Theorie der Impotenten und Onanisten.“
Für „Snobs“ und Salon-Kommunisten hatte der Lissabonner Handelskorrespondent Pessoa ebenso wenig übrig wie für sozialistische Ideen im Allgemeinen. Gleiches gilt für die Republik. Wobei die Dinge nicht so klar liegen: Die Aufspaltung seines Ichs in die Heteronyme ist ja genau das Gegenteil einer starren, ideologisch gefestigten Haltung zu gesellschaftlichen Fragen.   
Pessoa kultivierte das leichthändige Spiel mit Bonmots, Scheinplausibilitäten und auf den ersten Blick bestechenden Schlussfolgerungen. Seinen antikapitalistischen Restaurant-Plauderern legt der literarische Spötter den Abscheu vor revolutionärer Umwälzung in den Mund:
 “Tyrannei ist und bleibt Tyrannei“, sagte der Bankier. „Warum zum Teufel also die soziale Tyrannei des bürgerlichen Systems durch die Staatstyrannei eines sozialistischen oder kommunistischen Systems ersetzen? Das wäre, als verlegte man einen Gefangenen von Zelle 23 in Zelle 24.“ - „Die Zelle 24 könnte komfortabler sein“, fiel ich ihm lachend ins Wort. - „Durchaus möglich, aber der einzig wirkliche Komfort ist die Freiheit.“
Die Komödie über den Anarcho-Banker hatte Pessoa 1922 verfasst und 1935 überarbeitet. Er stand dabei unter dem Eindruck der Oktober-Revolution.
„Auf eine revolutionäre Diktatur folgt eine kriegerische Gesellschaft diktatorischen Typs (…) Was ist aus den politischen Unruhen Roms hervorgegangen? Das Römische Imperium und sein militärischer Despotismus. Was ist aus der Französischen Revolution hervorgegangen? Napoleon und sein militärischer Despotismus. Und sie werden noch sehen, was die Russische Revolution hervorbringt … Jedenfalls etwas, das die Verwirklichung der freien Gesellschaft um Jahrzehnte zurückwerfen wird.“

Über Macht, Autorität, Ideologien

Man sollte sich vor vordergründigen Parallelen zur Gegenwart natürlich hüten. Dennoch hat die feinsinnige Argumentation des die Herrschaftsfreiheit anstrebenden Großkapitalisten auf post-revolutionäre Gesellschaften und die Perpetuierung von Unterdrückung und Tyrannei etwas bestechend Aktuelles.
Und so wird die Lektüre dieses schmalen, in edles Grau gebundenen Kupido-Bands zu einem intellektuellen Vergnügen. Was diesem anregenden, frischen Büchlein über Macht, Autorität und Ideologien fehlt, ist eine etwas ausführlichere und präzisere Einordnung der beiden Texte in die Entstehungszeit und den Werkzusammenhang. Gerade viele zeitgeschichtliche Anspielungen sind für Nicht-Pessoa-Spezialisten kaum zu erkennen. Frank Henseleits Nachwort hätte etwas weniger knapp ausfallen dürfen, um die Bedeutung dieser ja doch letztlich zufällig ausgewählten Pessoa‘schen Prosastücke besser nachvollziehen zu können.
Stammtischgedröhne und feinsinnige Argumentationen sind nicht immer leicht zu trennen - gerade das macht den Reiz dieser humoristischen und doch gedankentiefen literarischen Kleinode aus. Dieser Band könnte die Chance eröffnen, Fernando Pessoa  - der bislang aufgrund seiner labyrinthischen Literatur vor allem als eine Art portugiesischer Franz Kafka gilt - stärker als hellsichtigen Kommentator und Chronisten seiner Zeit zu entdecken.
Fernando Pessoa ipse: „In Evaristos Apotheke“ / „Der Bankier als Anarchist (1935)“
Erzählungen
Aus dem Portugiesischen von Frank Henseleit
Kupido-Verlag Köln
128 Seiten, 24,80 Euro