Bundesnachrichtendienst
Kahl: "Russland wahrscheinlich Ende des Jahrzehnts in der Lage, den Westen anzugreifen"

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Kahl, hat vor der konkreten Gefahr einer militärischen Konfrontation Russlands mit der NATO gewarnt. Dies werde zu einer möglichen Handlungsoption für den Kreml, sagte Kahl in Berlin. Er verwies dabei auf eine massive russische Hochrüstung.

    Berlin: Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND (Archivbild)
    BND-Präsident Kahl (Archivbild) (Michael Kappeler/dpa)
    Der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes betonte bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die russischen Streitkräfte würden wahrscheinlich Ende des Jahrzehnts personell und materiell in der Lage sein, einen Angriff auf NATO-Staaten in Europa auszuführen. Darauf bereite sich Russland vor.

    Kahl: Moskau will Scheitern der NATO als Verteidigungsbündnis

    Kahl erklärte, im Ernstfall wäre eher kein großflächiger Angriff zu erwarten. Moskau würde eher versuchen, die in Artikel 5 festgeschriebene Beistandsverpflichtung auszuhebeln. Wenn Russland ein NATO-Mitglied militärisch angreifen würde und die übrigen Mitgliedsstaaten dies nicht als Angriff auf das gesamte Bündnis werteten, hätte Russland sein Ziel erreicht: ein Scheitern der NATO als Verteidigungsbündnis.
    Als mögliche Szenarien nannte Kahl einen kurzen Angriff auf die norwegische Arktis-Insel Spitzbergen zur "territorialen Geländebereinigung" oder eine begrenzte Intervention im Baltikum unter dem Vorwand des Schutzes russischer Minderheiten. Zudem warnte Kahl vor dem umfassenden Einsatz hybrider Methoden der Kriegsführung, wie Cyberangriffen.
    Bleibt die Beistandsverpflichtung ohne Wirkung, könnte Russland seinen Einfluss in Europa durch eine aggressive Machtpolitik ausbauen. Dadurch würde nach den Worten Kahls auch der Einfluss des Westens weltweit zurückgehen.

    Russland will einzelne NATO-Länder auf seine Seite ziehen

    Derzeit liegen zwar laut Kahl noch keine Hinweise zu konkreten Kriegsabsichten Russlands vor. Aber wenn solche Ansichten überhandnähmen in der Regierungszentrale in Moskau, wachse in den kommenden Jahren das Risiko auch einer militärischen Auseinandersetzung.
    Kahl sagte zudem, Moskau werde vor einem möglichen Kriegsbeginn versuchen, die NATO zu spalten - etwa, indem es einzelne Mitgliedsländer auf seine Seite ziehe. Russlands Präsident Putin werde "rote Linien des Westens austesten und weiter eskalieren". Hintergrund ist auch der Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten Trump im Januar. Es gibt Zweifel, ob Trump zu den NATO-Verpflichtungen steht.

    Russland will Spaltung der Gesellschaft in Deutschland

    Besorgt zeigte sich der BND-Präsident auch über politische Kräfte am rechten und linken Rand in Deutschland, wo "naiv nachgeplappert wird, was aus Moskau kommt". Dies habe auch Auswirkungen auf Wahlen. Kahl fügte hinzu: "Was noch viel schlimmer ist: Es verschärft die Spaltung in unserer politischen Landschaft."

    Rekordsumme im russischen Haushalt 2025 für Landesverteidigung

    Die Mitglieder des russischen Oberhauses billigten gestern die Erhöhung der Verteidigungsausgaben um fast 30 Prozent. Im Haushalt für das kommende Jahr wird eine Rekordsumme von umgerechnet rund 113 Milliarden Euro für die sogenannte Landesverteidigung ausgegeben. Das sind 40 Prozent des Haushalts und mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach der Abstimmung im Föderationsrat wird der Haushaltsentwurf nun zur Unterzeichnung an Präsident Putin geschickt. Bereits in diesem Jahr waren im russischen Haushalt fast 70 Prozent höhere Verteidigungsausgaben vorgesehen als im Vorjahr.
    Diese Nachricht wurde am 28.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.