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Kahlgefressene Böden

Umwelt. - Zwischen amerikanischen und europäischen Wäldern gibt es neben allen augenfälligen Unterschieden eine ganz große Differenz: Im hiesigen Boden wühlen seit Urzeiten Würmer der unterschiedlichsten Art, in der Neuen Welt fehlten diese komplett –zumindest bis vor kurzem. Auf der Jahrestagung der Ökologischen Gesellschaft von Amerika (ESA) in Memphis, Tennessee, war die Invasion der europäischen Regenwürmer ein ganz großes Thema, denn die hier nützlichen Tiere entwickeln sich dort zur Plage.

    Ein Regenwurm ist ein gar nützliches Geschöpf. Es wühlt sich durch Acker-, Wald- und Gartenböden, lockert das Erdreich auf und sorgt dabei auch noch für eine gleichmäßige Verteilung von Nährstoffen. Oder stimmt das am Ende vielleicht gar nicht?

    "”Der Wald sieht aus, als hätten ihn riesige Rotwild-Rudel heimgesucht und kahlgefressen. Es gibt praktisch kein Unterholz mehr, und es kommen auch keine Baum-Keimlinge mehr hoch.""

    Auch das, was der US-Biologe und Forstwissenschaftler David Foster da beschreibt, ist das Werk von Regenwürmern. Allerdings nicht hierzulande, wo die Tunnel grabenden Tiere zu einem intakten Wald-Ökosystem dazugehören. Sondern: im Nordosten der USA. In den Bundesstaaten Neu-Englands. In der Gegend um die Großen Seen herum. Und auch im Süden Kanadas. Dort erleben die Laubmischwälder eine wahre Invasion von Regenwürmern. Das muss zwar schon vor Jahrzehnten begonnen haben. Doch als Bedrohung für den Naturwald sind die Eindringlinge erst seit kurzem erkannt. Auf der Jahrestagung der Ökologischen Gesellschaft von Amerika in Memphis waren die Würmer jetzt eines der Hauptthemen. David Foster leitete das entsprechende Symposium. Er ist Direktor des Forstökologischen Instituts an der Harvard University in den USA:

    "”In den Waldböden im Nordosten der USA kommen von Natur aus keine Würmer vor. Doch inzwischen werden sie gleich von mehreren Arten kolonisiert. Die meisten stammen aus Europa. Sie wurden importiert, als Köder zum Fischen. Und man kann sich leicht vorstellen: Wenn ein Fischer abends nach Hause geht, dann schüttet er seinen Eimer mit den übrig gebliebenen Würmern einfach am Seerand aus.”"

    Was die Regenwürmer in den US-Wäldern genau anrichten, schilderten Forscher der Universität von Minnesota. Demnach zersetzen die Immigranten bis zum Wintereinbruch oft die komplette Blattstreu und produzieren einen Boden-Horizont aus organischem Material, der vorher nicht vorhanden war. Für Blütenpflanzen, Farne und Waldgräser ist das fatal. Mit der Blattstreu geht auch die Wärmeisolation des Bodens verloren, er wird anfälliger für Fröste. Wo das Laub fehlt, wäscht der Regen zudem Nährstoffe aus und der Wind trägt den Boden leichter ab. An Standorten mit großer Wurm-Dichte geht am Ende die Boden-Vegetation ganz verloren. Und der Wald regeneriert sich nicht mehr. Denn auch Baum-Sämlinge gehen unter diesen Bedingungen ein. Foster:

    "”Es ist höchst fraglich, ob man überhaupt etwas gegen diese Invasion der Würmer tun kann. Die Zahl der Stellen, an denen sie inzwischen vorkommen, ist enorm. Es sind Hunderttausende Flecken entlang von Seen, Bächen und Flüssen. Von dort breiten sie sich dann weiter aus. Man wüsste im übrigen auch gar nicht, wie man die Würmer effektiv kontrollieren sollte.""

    Es kommt aber noch schlimmer. Typisch für die nordamerikanischen Mischwälder ist, dass in ihnen neben Laubhölzern die Hemlock-Tanne wächst. Dem Nadelbaum setzt auch noch ein anderer Schädling zu: eine Blattlaus, die aus Japan eingeschleppt wurde. David Foster beschreibt sie als überaus gefährlich:

    "Diese Blattlaus-Art ist eigentlich schon um das Jahr 1920 herum eingeschleppt worden, in Virginia. Doch jetzt verbreitet sie sich an der ganzen Ostküste. Sie saugt an den Nadeln der Tannen, entzieht ihnen dadurch Nährstoffe und setzt auch noch einen Giftstoff frei. Es dauert drei bis zehn Jahre, und die Bäume sterben ab."

    Auch hier sind die Forstökologen machtlos. Zwar schauten sie sich in Japan nach natürlichen Feinden der Blattlaus um und brachten auch einige mit, unter anderem eine Käfer-Art. Doch die habe sich als wirkungslos im Kampf gegen den Tannen-Killer gezeigt, wie Foster sagt. Immerhin glaubt der Forstwissenschaftler aber zu wissen, warum die Wälder in den USA so empfindlich auf fremde Invasoren reagieren: Weil sie viel artenreicher seien als beispielsweise europäische Mischwälder. Deshalb gebe es auch mehr potentielle Opfer für neu einwandernde Schädlinge.