Auch wenn es bisher noch keine konkrete Zusage gebe, hoffe man auf die Umsetzung der Ministererlaubnis für die Übernahme durch Edeka, sagte Jöckertitz.
Das Bundeskartellamt hatte eine wachsende Marktmacht von Edeka kritisiert. "Ich bin wütend darüber, wenn ich das immer noch höre", sagte die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats und verwies auf die Situation der Beschäftigten: "Da möchte man schreien: Schon mal was gehört von sozialer Marktwirtschaft? Da habe ich absolut kein Verständnis."
Froh sei sie, dass nun eine Komplettübernahme in Aussicht stehe. Bei der gehe nicht nur der Filialbetrieb an einen neuen Besitzer über, auch Arbeitsplätze in den rückwärtigen Dienste und den Produktionsbetrieben würden erhalten bleiben. Allerdings bleibt eine Aufteilung der Filialen auf verschiedene Wettbewerber eine weitere Alternative. "Es ist eine Möglichkeit - aber Spekulation." Norma, Markant und Rewe hatten gegen die Ministererlaubnis geklagt.
Unter Vermittlung der Gewerkschaft Verdi hatten Kaiser's Tengelmann und die beteiligten Unternehmen gestern eine Fristverlängerung vereinbart. Man verständigte sich auf das Ziel, die umstrittene Ministererlaubnis umzusetzen und bis zum 17. Oktober nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.
Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Es blieben nur noch wenige Stunden, dann sollte das Ultimatum ablaufen, das der Eigentümer von Kaiser’s Tengelmann gestellt hatte. Bis heute 24 Uhr müsse eine Lösung gefunden werden, ansonsten werde der Konzern zerschlagen. Gewinnbringende Unternehmensanteile sollten dann an verschiedene Interessenten veräußert werden, andere Filialen sollten geschlossen werden. Gestern kamen alle Beteiligten in Frankfurt noch einmal zu einem Krisengespräch zusammen. Am Abend hat Verdi dann einen Durchbruch gemeldet.
Janetta Jöckertitz ist Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Kaiser’s Tengelmann, im Moment natürlich schwer unterwegs. Für uns hat sie angehalten mit ihrem Auto. Schönen Dank dafür und guten Morgen, Frau Jöckertitz.
Janetta Jöckertitz: Guten Morgen!
Heckmann: Frau Jöckertitz, Verdi meldet einen Durchbruch bei der Rettung der Arbeitsplätze. Wie erleichtert sind Sie?
Jöckertitz: Absolut erleichtert. Der gestrige Tag bei den meisten Kollegen, bei allen Kollegen überwiegende Euphorie in den ersten Momenten, in den ersten Stunden. Das hat eigentlich überwiegt. Im Nachhinein jetzt natürlich unter Vorbehalt abzuwarten, wenn am 17., 18. Alles in Sack und Tüten ist, eine Unterschrift unter allem ist und wirklich der Vollzug der Ministererlaubnis gegeben ist, dann ist die absolute Erleichterung da.
Ziel des Gesamtbetriebsrats: Durchsetzung der Ministererlaubnis
Heckmann: Dann ist die absolute Erleichterung da. Aber Zweifel sind erlaubt und in der Tat hat sich das ja beim näheren Nachlesen auch nicht als so eindeutig herausgestellt, was Verdi da bekanntgegeben hat. Ich zitiere mal aus der Pressemitteilung von gestern: Die Parteien, die hätten sich auf das Ziel verständigt, dass die Ministererlaubnis umgesetzt werden kann und bis zum 17. Oktober eine einvernehmliche Einigung gefunden wird. Das heißt, da wird eine Zielvorgabe gemacht. Man stellt klar, dass man ein gemeinsames Ziel hat. Es spricht nichts dafür bisher, dass dieses Ziel auch erreicht werden kann, oder?
Jöckertitz: Es gab ja viele Zweifler, auch im Vorhinein des Ultimatums, was jetzt an diesem Wochenende abläuft, ob sich die Parteien überhaupt einigen können, oder ob Lösungen gefunden werden, hier diese Ministererlaubnis durchzusetzen. In dem Zusammenhang, gerade was auch noch mal die Stimmung beschreibt, gab es auch in den Regionen Nordrhein, die ja als erste betroffen gewesen wären, und auch in der Region Berlin gestern Betriebsversammlungen, wo noch mal wirklich in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, was ist unser Ziel. Und unser Ziel war auch von Anfang an: Hände weg von der Ministererlaubnis, Durchsetzung der Ministererlaubnis. Denn die Ministererlaubnis begleitet ja die Tarifverträge, die ausgehandelt wurden, und das ist die Sicherheit. Wenn die Tarifverträge mit der Ministererlaubnis - und die sind ja Bestandteil - umgesetzt werden, das gibt die Sicherheit für alle Kolleginnen und Kollegen. Das gibt die Sicherheit, dass nicht nur der Filialbetrieb übergeht an den neuen Erwerber, sondern auch die Produktionsbetriebe, rückwärtigen Dienste und die Logistik, was ja bei einer anderen Aufteilung -Es hätte ja auch eine Lösung sein können, man einigt sich, ein paar Teile gehen dahin und gehen dahin, aber nicht gebunden an die Durchsetzung der Ministererlaubnis. Und das war natürlich besonders wichtig und unser Ziel und auch natürlich das Ziel von Verdi.
Heckmann: Zu den möglichen Alternativen kommen wir gleich noch. Aber noch mal zu dem Ergebnis von gestern, noch mal konkret nachgefragt. Rewe, Norma und Markant, die hatten ja Beschwerde eingelegt gegen diese sogenannte Ministererlaubnis, und jetzt geht es ja darum, ob diese Beschwerden zurückgezogen werden, ja oder nein. Sie sind ja bestens verdrahtet in die Verhandlungskreise von gestern. Gibt es jetzt eine Zusage dieser drei Unternehmen, diese Beschwerden zurückzuziehen?
Jöckertitz: Dazu kann ich absolut nichts sagen. Das muss ich auch mal klarstellen. Wir haben da absolut auch keine Kenntnis. Die Beteiligten haben ja Stillschweigen vereinbart. Dieses Stillschweigen wird auch von allen Seiten so eingehalten. Wir sind ja nicht beteiligte an dem Verfahren.
Heckmann: Das ist schon klar. Das heißt, es gibt bisher noch keine Zusage, keine konkrete Zusage dazu?
Jöckertitz: Nein.
Heckmann: Ihnen ist das jedenfalls nicht bekannt?
Jöckertitz: Genau.
Heckmann: Dennoch ist es so: Sollten diese Beschwerden zurückgezogen werden, dann werden Rewe, Norma und Markant auch einen Preis einfordern für diese Rücknahme der Beschwerden. Davon gehen Sie auch aus?
Jöckertitz: Ja.
Heckmann: Welcher dürfte das sein?
Jöckertitz: Darüber wurde schon in den letzten Tagen viel spekuliert. Kann ich absolut nicht sagen. Es müssen auf alle Fälle solche Sachen sein, die auch vor dem Kartellamt in Zukunft Bestand haben. Ich denke mal, das ist alles Spekulation, was wir jetzt hier anstellen würden.
Heckmann: Denken Sie, dass es dann doch noch zu einer Aufteilung, zu einem Weiterverkauf an diese drei anderen Interessenten kommen kann? Das würde Sie ja auch direkt betreffen.
Jöckertitz: Das ist eine Möglichkeit, was eventuell passieren könnte, natürlich immer unter dem Mantel, Ministererlaubnis muss durchgesetzt werden. Das müssten ja alle anderen Parteien dann übernehmen. Wäre eine Möglichkeit, aber kann ich absolut nicht kommentieren, ist eine Möglichkeit der Spekulation.
"Nur bei einer Gesamtübernahme ist alles gesichert"
Heckmann: War es rückblickend aus Ihrer Sicht denn ein Fehler des Eigentümers und auch des Betriebsrats, nur auf Edeka zu setzen, denn diese ganze Hängepartie, die wir jetzt erlebt haben und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ihre Kolleginnen und Kollegen, die hätte man sich dadurch doch möglicherweise ersparen können?
Jöckertitz: Das sehen wir absolut anders. Für den Eigentümer kann ich nicht sprechen. Dort ist es so gewesen, dass er sich nun mal für einen Erwerber entschieden hat, und das war in dem Fall die Edeka gewesen. Wir als Arbeitnehmervertreter, als Betriebsräte hatten ja uns mit der Situation auseinanderzusetzen, dass der Verkauf schon stattgefunden hatte, und zwar an einen Erwerber, und das war die Edeka. Damit mussten wir uns auseinandersetzen. Für uns war wichtig von Anfang an: Wir müssen an einen gehen, weil nur bei einer Gesamtübernahme ist alles gesichert, was ich gesagt habe, nicht nur Filialbetrieb, sondern auch rückwärtige Dienste und Produktionsbetriebe, und dieses Ziel haben wir von Anfang an verfolgt, was in dem langen Zeitraum der zwei Jahre nicht alle immer verstanden haben, wo auch Diskussionen gewesen sind und es solche gegeben hat, aber es hat sich absolut gezeigt, dass es der richtige Weg gewesen ist. Es wäre ja auch mit der Rewe jetzt die gleiche Problematik, Kartellamts-Problematik gewesen.
Heckmann: Aber die Wettbewerbshüter zum Beispiel, die haben gesagt, auch bei uns hier im Deutschlandfunk der ehemalige Chef der Monopolkommission Zimmer zum Beispiel, was wäre denn eigentlich so schlimm daran gewesen, die Filialen an unterschiedliche Interessenten zu verkaufen. Das wäre ja auch im Sinne der Marktmacht, die jetzt bei Edeka noch steigen wird, durchaus eine richtige Maßnahme gewesen.
Heckmann: Herr Zimmer hat bei uns auch gesagt, es geht nicht nur um die Sicherung von Arbeitsplätzen in einem Unternehmen, sondern unterm Strich in der gesamten Branche, und da wäre das sogar möglicherweise kontraproduktiv, was Edeka da machte. Wenn Edeka jetzt Kaiser’s Tengelmann übernehmen sollte, was ist denn eigentlich dann mit den Mitarbeitern von Edeka? Machen Sie sich über die eigentlich auch Gedanken, denn da gibt es ja offenbar keine Zusagen, dass da Arbeitsplätze gesichert bleiben?
Heckmann: Herr Zimmer hat bei uns auch gesagt, es geht nicht nur um die Sicherung von Arbeitsplätzen in einem Unternehmen, sondern unterm Strich in der gesamten Branche, und da wäre das sogar möglicherweise kontraproduktiv, was Edeka da machte. Wenn Edeka jetzt Kaiser’s Tengelmann übernehmen sollte, was ist denn eigentlich dann mit den Mitarbeitern von Edeka? Machen Sie sich über die eigentlich auch Gedanken, denn da gibt es ja offenbar keine Zusagen, dass da Arbeitsplätze gesichert bleiben?
Jöckertitz: Na gut. Das ist ja abgesichert auch in den Tarifverträgen. Wenn Sie die dann studieren, wird dem ja auch Rechnung getragen, war auch eine Vorgabe aus dem Ministerium. Es muss natürlich eine Gesamtzahl an Arbeitsplätzen erhalten werden, nicht nur bei Kaiser’s Tengelmann, sondern inklusive auch im Unternehmen Edeka.
Heckmann: Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Kaiser’s Tengelmann war das, Janetta Jöckertitz, hier in den "Informationen am Morgen" über den vermeintlichen Durchbruch beim Streit um Kaiser’s Tengelmann. Frau Jöckertitz, danke Ihnen für das Gespräch, und danke, dass Sie für uns angehalten haben.
Jöckertitz: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.