Archiv

Kakaoanbau in Afrika
"Wir können nicht immer und ewig Billigschokolade einkaufen"

Der Verein Transfair will für konventionellen Kakao künftig 20 Prozent mehr zahlen. Der Vorstandsvorsitzende Dieter Overath sagte im Dlf, ohne faire Preise könne man den Herausforderungen im Kakaoanbau nicht gerecht werden. Aber auch die Konsumenten könnten mit ihrem Kaufverhalten Einfluss nehmen.

Dieter Overath im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Ein ivorischer Bauer schneidet eine Kakaofrucht vom Baum
    Kakaobauern in Westafrika - wie hier in der Elfenbeinküste - verdienen nur Hungerlöhne (Deutschlandradio / Anne Françoise Weber)
    Susanne Kuhlmann: Der Begriff Nachhaltigkeit liegt fast so schmelzend im Mund wie Schokolade, dennoch will beides nicht so recht zueinanderfinden. Südwind e.V., das Institut für Ökonomie und Ökumene, hat vor einiger Zeit festgestellt, dass die großen Schokoladenanbieter zwar alle Nachhaltigkeitsprogramme haben, sich die Situation der Kakaobauern in Westafrika aber kaum verbessert hat. Eine neue Chance dafür ist vielleicht der Zehn-Punkte-Plan, den Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller auf der Grünen Woche in Berlin verabschiedet haben. Das Ziel: die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kakaobauern. Und Transfair, der Verein zur Förderung des fairen Handels, hat im Dezember angekündigt, den Kakaobauern 20 Prozent mehr zu zahlen. Dieter Overath ist Vorstandsvorsitzender von Transfair und hat diesen Plan gerade auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln vorgestellt. Heute Morgen fragte ich ihn, wie sich die Lebenssituation der Kakaobauern in Westafrika beschreiben lässt.
    Dieter Overath: Das durchschnittliche Einkommen liegt bei 67 Cent, und zwar nicht in der Stunde, sondern am Tag, und da kann man sich ja vorstellen, dass man damit vorne bis hinten nicht über die Runden kommt. Und wenn man dann noch die Herausforderungen im Klimawandel sieht und dass der Nachwuchs definitiv keine Lust mehr hat, uns für 67 Cent oder einen Dollar am Tag die Bohnen zu pflücken, dann haben wir im Kakaosektor eine enorme Herausforderung. Und ich glaube, ohne faire Preise wird man nicht zu einer signifikanten Verbesserung kommen.
    Klare "Roadmap" der Ministerien fehlt
    Kuhlmann: Ein nachhaltiger Kakaoanbau, wie muss der aussehen?
    Overath: Also einmal denke ich, es macht Sinn, dass die Bauern in einer gut funktionierenden Kooperative organisiert sind – ein einzelner Bauer mit einem halben oder mit einem Hektar Land wird höchstwahrscheinlich nicht dazu in der Lage sein. Und dass die Kooperative über Mittel verfügt, um eben Produktivität zu steigern, andere Produkte anzubauen, um weitere Einkommensmöglichkeiten zu bieten, selber auch den Export zu organisieren, um ein Stück mehr Wertschöpfung zu haben. Aber die normalen Kakaopreise, die aktuell bei fast über 2.000 Dollar pro Tonne liegen, reichen dafür nicht aus. Wir haben wir uns wenigstens 2.400 Dollar definiert, um halbwegs in der Kooperative genau diese Dinge voranzutreiben.
    Kuhlmann: Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Zehn-Punkte-Plan der beiden Minister?
    Overath: Ja, er beschreibt sehr gut die Probleme und die Herausforderungen, aber das, was ein bisschen offen bleibt, ist eine klare Roadmap, wie das Ganze auch in mehr Verbindlichkeit reinkommen kann. Und das ist der Punkt, wo wir hoffen, dass es noch zusätzliche Aktivitäten gibt und dass man bereit ist, eben auch höhere Preise vor Ort zu zahlen.
    Kuhlmann: Wer muss bereit sein, die höheren Preise zu zahlen?
    Overath: Na ja, das sind in erster Linie die Importeure oder großen Kakaoverarbeiter – Callebaut, Cargill und Co. –, die halt vor Ort den Kakao aufkaufen. Aber natürlich müssen die Verarbeiter, die großen Süßwarenhersteller und letztendlich die Händler hier, die die Schokolade und anderen Süßwaren verkaufen, ihnen muss im Klaren sein, dass das nicht preisgleich erfolgen kann. Also es muss eine Bereitschaft geben, hier über höhere Preise endlich einen signifikanten Fortschritt vor Ort zu erzielen. Wir können nicht immer und ewig Billigschokolade oder andere Produkte, die aus dem globalen Süden kommen, wie selbstverständlich in niedrigen Preisen einkaufen, wohl wissend, dass das vor Ort wirklich zu diesen Verwerfungen führt. Da muss irgendwann Schluss mit sein.
    Druck und anderes Kaufverhalten von Konsumentenseite
    Kuhlmann: Wer gerne Schokolade isst und selber etwas tun will, um Kakaobauern zu unterstützen, was kann der tun?
    Overath: Ja, da würde ich erst mal sagen, nach Fairtrade-Schokolade Ausschau halten oder nach Süßwaren, die Fairtrade-Kakao enthalten, das ist schon mal ein guter Schritt. Und ansonsten vielleicht auch mal seiner Besorgnis Ausdruck verleihen, wenn das in dem Geschäft seines Vertrauens nicht so in der Frequenz da ist, wie man sich das vielleicht wünscht, zu sagen: Ich hab hier gehört, es gibt noch Kinderarbeit in Westafrika, es gibt extrem niedrige Einkommen für Kakaobauern, was macht ihr da eigentlich? Ein Stück Druck und anderes Kaufverhalten von Konsumentenseite kann hier noch mal ein Stück mehr Dynamik hereinbringen. Von alleine passiert leider nichts.
    Kuhlmann: Mehr Geld für ein besseres Leben. Das war Dieter Overath vom Verein Transfer über korrekte Preise für Kakao.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.