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Vor 25 Jahren gestorben
"Timm Thaler"-Autor James Krüss und der Ruhm

Zunächst schrieb James Krüss heitere Stoffe. Doch in den letzten Jahrzehnten nahmen Leben und Werk des erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautors eine Wendung ins Dunklere. Der studierte Lehrer aus Helgoland litt zuletzt an seinem Ruhm und an Deutschland. Vor 25 Jahren starb Krüss auf Gran Canaria.

Von Carola Zinner |
Kinder- und Jugendbuchautor James Krüss im September 1983 vor einer nach ihm benannten Grundschule
Krüss im September 1983 vor einer nach ihm benannten Grundschule (picture-alliance / dpa / Pohlert)

Auf der Insel Helgoland
Bei viel Wasser, Wind und Sand
Centimeterkurz - kein Held
Drang ich ein ins Licht der Welt …

Im Werk des Jugendbuchautors James Krüss finden sich unzählige Wortspiele, Verschlüsselungen und gereimte Passagen. So auch in seinem Lebenslauf, bei dem die Anfangsbuchstaben der Zeilen auch noch dem Alphabet folgen.

Insulaner war ich hier
Jedenfalls mit viel Pläsier

„James war der älteste, dann kam meine Mutter, dann noch eine Schwester und dann mit großem Abstand noch ein Bruder, also es waren insgesamt vier.“
Kirsten Rickmers-Liebau, die Nichte von James Krüss, kümmerte sich um seinen Nachlass, der heute in der Internationalen Jugendbibliothek in München aufbewahrt und in Teilen im „James-Krüss-Turm“ präsentiert wird.*

Fremdeln mit der Berühmtheit

Doch so populär der Schriftsteller auch in den 1960er-Jahren war, als „Henriette Bimmelbahn“, „Mein Urgroßvater und ich“ oder „Die Glücklichen Inseln hinter dem Winde“ in kaum einem deutschen Kinderzimmer fehlten: Heute ist meist nur mehr eines seiner Werke bekannt:
„Ich sage: Sagt Ihnen denn der Name James Krüss was? - Nee, nicht wirklich - Wenn man dann ‚Timm Thaler‘ an … - ja klar, ach so, das ist Krüss.“
Mit dem 1962 erschienenen Roman „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ wandte sich Krüss ab von den heiteren Themen, denen er sich bisher primär gewidmet hatte: Der zehnjährige Waisenjunge Timm, mittellos und gepeinigt von seiner missgünstigen Verwandtschaft, tauscht auf Verlangen eines mysteriösen Fremden sein bezauberndes Lachen ein gegen die Fähigkeit, jede Wette zu gewinnen. Und wird dabei trotz wachsenden Reichtums prompt derart unglücklich, dass er alles tut, um sich sein Lachen vom Teufel – denn um keinen anderen handelt es sich bei dem Fremden - zurückzuholen.
Neben der wenig verbrämten Kapitalismuskritik - die Krüss übrigens auch im Ostblock zum gefragten Autor machte - finden sich hier zumindest ansatzweise wohl auch Parallelen zum eigenen Leben: Der 1926 geborene Schriftsteller, dessen Karriere von keinem Geringeren als Erich Kästner gefördert worden war, wurde zu jener, seiner Münchner Zeit, vom Erfolg schier überrollt. Eine eigene Fernsehsendung, dazu zahlreiche Drehbücher und Hörspiele wie etwa der Dauerbrenner „Der Sängerkrieg der Heidehasen“.
„Da ging das wirklich steil bergauf mit seiner Karriere und er hat wahnsinnig viel Besuch gehabt, und er hat sich da irgendwo auch verzettelt.“
So ist es irgendwann an der Zeit, die Reißleine zu ziehen.
„Es kam eine Gelbsucht dazu und dazu kommt eben auch seine Homosexualität, das war damals noch ein Straftatbestand. Und er ist wohl irgendwann mal gewarnt worden, als Kinderbuchautor: Du bist erpressbar, mein Lieber! Und ich glaube, das war auch mit ein Grund, aus Deutschland wegzugehen.“ 

Entfremdung von Deutschland, Auswanderung nach Gran Canaria

Der geborene Helgoländer zieht wieder auf ein Eiland, nur liegt es diesmal deutlich weiter im Süden. Gran Canaria wird für James Krüss bis zu seinem Tod am 2. August 1997 zur „Glücklichen Insel“, die ihm ein ungestörtes Leben ermöglicht. In regelmäßigen Abständen besucht er Deutschland, wo seine Gedichte mittlerweile in den Schulbüchern zu finden sind. Die Fangemeinde ist groß - und hochentzückt, wenn ihr Lieblingsschriftsteller im Fernsehen oder Radio auftritt.
„Ich bin ein kleiner Insulaner mit abstehenden Ohren, der unter der Sonne die Augen zusammenkneift und die Stirn runzelt. Steigt mir irgendwo Sandgeruch in die Nase, rieche ich die Sommer meiner Kindheit, weitab von jedem Festland.“
Mit dem modernen Leben allerdings kommt Krüss immer weniger zurecht. Auch wenn man ihn mit Ehrungen und Preisen überschüttet, Schulen nach ihm benennt: Der Ton in Deutschland ist ihm zu geschäftig geworden, das Tempo zu hektisch. Er, der einst gesagt hatte, „Wir Kinderbuchautoren bleiben anscheinend länger Kinder als die meisten Erwachsenen“, erlebt in den 80er-Jahren schmerzlich, dass auch für ihn die Kindheit zu Ende geht. So schreibt er nun für Erwachsene und ordnet sein Werk für eine Neuausgabe, auf die die Fans allerdings eher verhalten reagieren, weil er die altvertrauten Texte dafür an manchen Stellen verändert hat.
Das Wichtigste allerdings blieb erhalten; etwas, das allen Texten von James Krüss zugrunde liegt: sein Credo, dass nur eines vor Verführbarkeit schützt, vor Machtmissbrauch und Diktatur, nämlich das Erzählen.
* Die Nachlassverwaltung wurde inzwischen auf Ulrike Schuldes übertragen.