Eigentlich will der 1804 im bayerischen Landshut geborene Ludwig Feuerbach sein Leben in den Dienst Gottes stellen. Doch sein Theologie-Studium in Heidelberg führt schnell zur Abkehr.
„Sollte ich bei der Theologie mein Verbleiben haben, so würde aus einem Freien ein Sklave", schreibt Feuerbach seinem Vater. „Ich müsste gehen ohne Beine, Atmen, ohne Luft zu haben, sie ist mir abgestorben und ich in ihr.“
Hegel wird zum Ersatzgott
Zum Ersatzgott wird in Berlin der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, dessen Vorlesungen er besucht. Mit 24 stehen Ludwig Feuerbach alle Türen offen. Doch wegen seiner anonym veröffentlichten religionskritischen Schrift „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“ ist eine akademische Laufbahn unmöglich. Nach seiner Entlarvung schreibt Feuerbach an seine Schwester: "Ich stehe im Geruch, ein grässlicher Freigeist, ein Atheist, ja, noch nicht genug, der leibhaftige Antichrist zu sein.“
„Bekannt geworden ist er natürlich mit seinem ‚Wesen des Christentums‘. Das ist 1841 veröffentlicht worden.“ Ursula Reitemeyer, Feuerbach-Forscherin und Professorin an der Universität Münster. „Das ist seine bedeutendste Schrift. Mit der hat er Furore gemacht. Im Grunde genommen will er nicht nur das Christentum treffen, sondern er will das religiöse Bewusstsein dechiffrieren.“
„Frei, glücklich, selig fühlt sich der Mensch nur in seiner Religion“, verkündet Feuerbach.
„Wir müssen an die Stelle der Gottesliebe die Menschenliebe als die einzige, wahre Religion setzen, an Stelle des Gottesglaubens den Glauben des Menschen an sich, an seine Kraft.“
„Wir müssen an die Stelle der Gottesliebe die Menschenliebe als die einzige, wahre Religion setzen, an Stelle des Gottesglaubens den Glauben des Menschen an sich, an seine Kraft.“
„So kommt er dann eben zu dieser ganz griffigen These: Nicht der Gott hat den Menschen erschaffen, sondern umgekehrt: Der Mensch hat Gott erschaffen.“
Ein Leugner Gottes ist Feuerbach aber nicht. „Er bestreitet ja nicht wirklich die Existenz Gottes. Was er abstreitet, ist der Schöpfer-Gott.“
Ein Leugner Gottes ist Feuerbach aber nicht. „Er bestreitet ja nicht wirklich die Existenz Gottes. Was er abstreitet, ist der Schöpfer-Gott.“
Von Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits
Gott wäre demnach ein Phantasiegebilde des Menschen, aber als solches immer gegenwärtig. Feuerbachs Ziel ist therapeutisch: „die Heilung der Kopf-, auch Herzkrankheiten der Menschheit“.
„Der Zweck meiner Schriften […] ist: die Menschen […] aus Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokratie zu freien, selbstbewussten Bürgern der Erde zu machen.“
Mit dieser Zielsetzung verabschiedet sich Feuerbach auch von Ersatzgott Hegel. Denn hinter dessen Philosophie des „absoluten Geistes“, verberge sich nur das christliche Gottesbild.
Mit dieser Zielsetzung verabschiedet sich Feuerbach auch von Ersatzgott Hegel. Denn hinter dessen Philosophie des „absoluten Geistes“, verberge sich nur das christliche Gottesbild.
„Das ist einer der Hauptvorwürfe, die er gegen die Hegelsche Philosophie erhebt: dass sie sich in spekulativen Höhen, in mystischen Höhen bewege und im Grunde genommen nichts anderes als so etwas wie einen Mystizismus produziere.“
Argumente für die Geister des Vormärz
Feuerbachs Botschaft an den Einzelnen: „Folge den Sinnen! Wo der Sinn anfängt, hört die Religion und hört die Philosophie auf. Aber Du hast dafür die schlichte, blanke Wahrheit.“
Mit seiner Konzentration auf das Diesseits liefert der Philosoph den demokratisch gesinnten Geistern des Vormärz die Argumente.
Mit seiner Konzentration auf das Diesseits liefert der Philosoph den demokratisch gesinnten Geistern des Vormärz die Argumente.
„Sie haben – ich weiß nicht ob absichtlich - […] dem Sozialismus eine philosophische Grundlage gegeben“, schreibt ihm ein Bewunderer: der junge Karl Marx. 1848 stehen die Zeichen auf Revolution. Studenten fordern Feuerbach auf, politisch Verantwortung zu übernehmen. Doch er sieht die Zeit noch nicht reif:
„Ich gehe jetzt nach Heidelberg, halte dort den jungen Studenten Vorlesungen über das Wesen der Religion, und wenn dann von den Samen, die ich dort ausstreue, in hundert Jahren einige Körnchen aufgehen, dann habe ich zum Besten der Menschheit mehr ausgerichtet als Sie mit Ihrem Dreinschlagen.“
„Ich gehe jetzt nach Heidelberg, halte dort den jungen Studenten Vorlesungen über das Wesen der Religion, und wenn dann von den Samen, die ich dort ausstreue, in hundert Jahren einige Körnchen aufgehen, dann habe ich zum Besten der Menschheit mehr ausgerichtet als Sie mit Ihrem Dreinschlagen.“
Verarmt gestorben
Die Revolution scheitert. Fortschrittlich-emanzipatorische Ideen werden von der Obrigkeit geknebelt. Ludwig Feuerbachs große Zeit ist vorüber. Hinzu kommt der Bankrott der Porzellanfabrik seiner Ehefrau. Am 13. September 1872 stirbt der bedeutendste Religionskritiker des 19. Jahrhunderts verarmt.
Die Verwalter des Marxismus degradieren ihn postum zum bloßen Steigbügelhalter von Karl Marx. Doch Feuerbachs Philosophie, die gegen den – so wörtlich - „rohen, abergläubischen, selbstsüchtigen, bösen Menschen“ kämpfte, bleibt in Zeiten kalter Gewinnorientierung voller Denkanstöße.