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Kalte Progression
Automatische Steuerbelastung ist "leistungsfeindlich"

Die Abschaffung der kalten Progression, gleichzeitig die schwarze Null halten und die Steuer nicht erhöhen - das ist das Ziel der CDU. Konkret heiße dies, umschichten und an anderer Stelle sparen, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Deutschlandfunk.

Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Thielko Grieß | 11.12.2014
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    Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). (picture-alliance / dpa / Oliver Dietze)
    Die Abschaffung der kalten Progression betreffe in ihren Auswirkungen den Bund und auch die Einnahmen der Länder. "Alle Länder haben gesagt, dass die Schuldenbremse einzuhalten ist. Für die Länder gilt das ab 2020 ohne die Möglichkeit einer Neuverschuldung", sagte Kramp-Karrenbauer vor der heutigen Ministerpräsidenten-Konferenz. Für das Saarland sei die Situation noch schwieriger. Das Bundesland unterliege einem strikten Konsolidierungsgebot beim Stabilitätsrat. "Insofern ist jeder Euro, der an Einnahmen fehlt, eine zusätzliche Belastung, dieses Ziel zu erreichen", so die Ministerpräsidentin.
    Sie unterstrich: "Wer das will und realistischer Weise in den Raum stellt, der muss dann auch so ehrlich sein und sagen, wo er an anderer Stelle das Geld einspart." Die automatische Steuerbelastung durch die kalte Progression bezeichnete sie als "leistungsfeindlich". Auch der Soli müsse erhalten bleiben. Für die Zielsetzung, einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, brauche man diese Zahlungen.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Das Wirtschaftsprofil der Union und speziell der CDU sei im vergangenen Jahr unter die Räder der Großen Koalition geraten. Es sei also Zeit, dieses Profil wieder zu schärfen. So hieß es vielstimmig aus der Partei vor dem Parteitag, der in Köln stattgefunden hat. Der Parteitag ist inzwischen beendet und jetzt können wir schauen, was aus dem Vorhaben der Schärfung geworden ist.
    Schauen wir zunächst einmal auf das, was als ein Beschluss steht nach dem Parteitag der CDU. Wir schauen darauf, was werden soll aus der sogenannten kalten Progression, der sogenannten automatischen Steuererhöhung, die durch Gehaltserhöhungen und Inflation zustande kommt. Ich begrüße Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU. Sie sitzt im Präsidium der Partei und ist Ministerpräsidentin des Saarlandes. Guten Morgen!
    Annegret Kramp-Karrenbauer: Hallo! Guten Morgen.
    Grieß: Wenn es darum geht, in dieser Legislaturperiode - so heißt es ja in Ihrer Partei - die Kalte Progression abzumildern, was kann sich das Saarland denn bis 2017 leisten?
    Kramp-Karrenbauer: Wir haben ja auf dem Parteitag einen Beschluss gefasst, der zum einen festhält, dass die Abschaffung der kalten Progression nach wie vor unser Ziel ist. Wir hatten das auch in der letzten Legislaturperiode versucht; das ist im Vermittlungsausschuss an den damaligen rot-grünen Ländern gescheitert. Wir haben aber auch gesagt, wir haben zwei klare Festlegungen getroffen. Wir wollen die schwarze Null halten, also dem Gebot der Schuldenbremse Rechnung tragen, und wir wollen, dass es keine Steuererhöhungen gibt. Das heißt, wer kalte Progression abschaffen will, der muss auch sagen, wie er Spielräume im Haushalt dann ohne Steuererhöhungen, ohne Neuverschuldung schaffen will. Und das heißt konkret, er muss umschichten und an anderer Stelle sparen.
    Grieß: Kommt die Abschaffung der kalten Progression nur dann, wenn auch das Saarland bis 2017 einen ausgeglichenen Haushalt hat?
    Kramp-Karrenbauer: Die Abschaffung der kalten Progression betrifft ja in ihren Auswirkungen den Bund und natürlich auch die Einnahmen der Länder. Alle Länder haben gesagt und haben sich mit dem Bund vereinbart, dass die Schuldenbremse einzuhalten ist. Für die Länder gilt das ab 2020, ohne die Möglichkeit, jegliche Möglichkeit einer Neuverschuldung. Für das Saarland ist die Situation noch schwieriger. Wir unterliegen einem strikten Konsolidierungsgebot beim Stabilitätsrat und insofern ist natürlich jeder Euro, der als Einnahme fehlt, eine zusätzliche Belastung, dieses Ziel zu erreichen. Deswegen sage ich: Wer das will und realistischerweise in den Raum stellt, der muss dann auch so ehrlich sein zu sagen, wo er an anderer Stelle das Geld einspart.
    Grieß: Der Wirtschaftsflügel der CDU möchte gerne, dass diese Steuer gesenkt wird. Es gibt andere Forderungen. Der Freistaat Bayern zum Beispiel oder die CSU verlangt auf ihrem Parteitag, der morgen und übermorgen in Nürnberg ansteht, dass mit der kalten Progression ohne Wenn und Aber, wie Generalsekretär Scheuer sagt, ernst gemacht werde. Frau Kramp-Karrenbauer, geht Ihnen das auf die Nerven, dass ständig jemand an das wenige Geld im Saarland will?
    "Nur möglich, wenn an anderer Stelle umgeschichtet wird"
    Kramp-Karrenbauer: Nein, das geht mir nicht auf die Nerven, denn diese automatische Steuerbelastung durch die kalte Progression ist etwas, was in der Tat leistungsfeindlich ist, vor allen Dingen mit Blick auf die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Deswegen ist es ja richtig, dass wir dieses Ziel weiter vor Augen haben.
    Grieß: Aber es ist ja nicht realistisch, wenn ich das richtig verstanden habe.
    Kramp-Karrenbauer: Es kann durchaus realistisch sein, aber man muss dann wirklich sagen, ich bin bereit, an der und der Stelle umzuschichten, einzusparen. Dann ist dieses Ziel erreichbar. Das ist sicherlich für ein Land wie Bayern einfacher erreichbar, als für das Saarland oder andere Bundesländer.
    Grieß: Was wird aus Sicht des Saarlandes aus dem Soli, Frau Kramp-Karrenbauer?
    Kramp-Karrenbauer: Zuerst einmal muss der Soli im Volumen erhalten bleiben. Das hat die Kanzlerin ja auch während des Bundestagswahlkampfes deutlich gemacht. Und ich glaube, dass wir auch mit Blick auf das Ziel, ausgeglichene Haushalte zu haben, die Einnahmen brauchen.
    Grieß: Und in welcher Form?
    Kramp-Karrenbauer: Das ist aus meiner Sicht im Moment noch in der Diskussion. Es gibt ja den Vorschlag Einarbeitung in ein Steuersystem. Es gibt andere Vorstellungen. Zuerst einmal gilt: Das Volumen muss erhalten bleiben. Es ist unter den Ländern auch unstreitig, dass es Bedarfe gibt, die gedeckt werden müssen. Das ist die Frage der Haushaltsnotlageländer, das ist die Frage der zusätzlichen Förderung der Ostländer, das ist aber auch die Frage etwa, dass es Notwendigkeiten gibt etwa bei Infrastruktur. Und wie diese Zurverfügungstellung aussehen soll, das wird genau die Debatte der nächsten Tage, der nächsten Wochen sein. Insofern gehe ich davon aus, wir werden die Diskussion heute vertieft führen, aber wir werden heute bei der Ministerpräsidentenkonferenz noch zu keinem Ergebnis kommen.
    Grieß: Sind Sie der Auffassung und meinen Sie, dass diese Mittel - wir reden ja beim Aufkommen des Solidaritätszuschlages von im Augenblick etwa 14, 15 Milliarden Euro; das wächst noch an in den nächsten Jahren, dann sind es etwa 18 Milliarden Euro -, dass diese Mittel zweckgebunden werden?
    Kramp-Karrenbauer: Wir haben deutlich gesagt, dass wir als Länder eine gewisse Reihe von Themen sehen, die gelöst werden müssen, damit wir zwei im Grundgesetz verankerte Ziele erreichen können, nämlich auf Dauer schuldenfreie Haushalte zu fahren, die Schuldenbremse einzuhalten, und auf der anderen Seite dem Gebot der Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen in ganz Deutschland Rechnung zu tragen. Deswegen brauchen wir für die Punkte, die ich eben genannt habe, auch die Einnahmen oder teilweise die Einnahmen aus dem Soli.
    "Die Ostländer haben einen massiven Aufholprozess geschafft"
    Grieß: Erinnern Sie sich an die Dohnanyi-Kommission von vor ungefähr zehn Jahren?
    Kramp-Karrenbauer: Noch vage. Es gab in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Kommissionen und Diskussionen. Es sind auch jetzt verschiedene Diskussionen ja im Feld.
    Grieß: Worauf ich hinaus möchte ist, dass damals festgestellt worden ist, dass von den vielen Mitteln, die bereitgestellt worden sind für den Aufbau Ost, doch einiges auch einfach in die Haushalte der ostdeutschen Bundesländer geflossen ist und dort zum Beispiel für Personal und andere konsumtive Ausgaben ausgegeben worden ist, aber nicht investiert worden ist in sogenannte Zukunftsausgaben. Wie stellen Sie sicher, dass das nicht wieder passiert?
    Kramp-Karrenbauer: Zum einen muss man sagen, dass das Geld im Aufbau Ost aus meiner Sicht wirklich gut verwendet wurde, und die Ostländer haben einen massiven Aufholprozess geschafft und sie sind noch nicht am Ende der Entwicklungen. Deswegen braucht es auch weiter Hilfe. Wenn man sich die Haushalte des Ostens ansieht, auch die Tatsache, dass gerade zum Beispiel in Sachsen-Anhalt ein schuldenfreier Haushalt verabschiedet werden konnte, dann zeigt dies, dass es aus meiner Sicht keine großen Umlenkungen gegeben hat.
    Grieß: Aber was ist gegen Kontrolle einzuwenden?
    Kramp-Karrenbauer: Der Kontrolle unterliegen wir, wir im Moment im Saarland ja sowieso wegen des Konsolidierungskurses, und alle Länder miteinander ab 2020 dadurch, dass sie sich vereinbart haben, es werden keine neuen Schulden gemacht. Das ist die größtmögliche Kontrolle, die man überhaupt haben kann.
    Grieß: …, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes. Es geht um die Zukunft der Finanzbeziehungen und es geht ganz konkret um Geld und damit auch Zukunftschancen für Länder wie das Saarland. Danke schön, Frau Kramp-Karrenbauer, für das Gespräch heute Morgen.
    Kramp-Karrenbauer: Bitte schön! Guten Morgen.
    Grieß: Einen schönen Tag wünschen wir.