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Kalter Krieg in der Karibik

Auf der Zuckerrohrinsel Kuba, keine 150 Kilometer vom Festland der USA entfernt, war 1959 nach dem Sturz des Diktators Batista eine revolutionäre Opposition unter Fidel Castro an die Macht gekommen. Obwohl von den USA als Hauptabnehmer wirtschaftlich abhängig, ließ Castro amerikanische Firmen enteignen und beschuldigte den mächtigen Nachbarn, das kleine Kuba durch Sabotageakte zu destabilisieren. Im Juli 1960 bot die Sowjetunion den Kubanern Hilfe gegen die, wie Staatspräsident Chruschtschow sagte, "aggressiven Kräfte im Pentagon" an. Zu einer weiteren Eskalation kam es heute vor 45 Jahren, als die USA am 3. Januar 1961 alle diplomatischen Beziehungen zu Kuba abbrachen.

Von Jochen Stöckmann |
    " Ich schaue nach Kuba, 90 Meilen vor der US-Küste: Obwohl zwei Botschafter davor gewarnt haben, dass die Insel mit Castro unter marxistischen, kommunistischen Einfluss gerät, ist dagegen bis heute nichts unternommen worden."

    Der Präsidentschaftskandidat John F. Kennedy hatte die US-Regierung im Wahlkampf des Herbstes 1960 gewarnt, aber deren Diplomatie wusste sich keinen Rat mehr: Um die Mittagszeit des 3. Januar 1961 ging im Außenministerium in Washington ein Telegramm aus Havanna ein. Die dortige Botschaft übermittelte eine Note der kubanischen Regierung, die ihr Botschaftspersonal in Washington über Nacht auf elf Personen reduziert hatte. Nun forderte Staatschef Fidel Castro den noch amtierenden Präsidenten Eisenhower ultimativ auf, die US-Vertretung ebenfalls auf elf Mitarbeiter zu reduzieren, alle anderen Botschaftsangehörigen hätten das Land binnen 48 Stunden zu verlassen.

    Daniel M. Braddock, der Botschafter in Havanna, hatte zwei Bemerkungen hinzugefügt: Kubas Revolutionsführer habe öffentlich zu verstehen gegeben, dass er auch mit einem gänzlichen Abzug des US-Personals einverstanden wäre, denn zu neunzig Prozent handle es sich dabei in Castros Augen um "Spione". Und er, Botschafter Braddock, empfehle die Schließung der US-Vertretung, weil eine Fortführung der diplomatischen Geschäfte mit derart reduzierter Besetzung wenig sinnvoll sei.

    Noch am gleichen Tag brach die US-Regierung alle diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Das war eine der letzten Amtshandlungen Präsident Eisenhowers, der am 20. Januar von dem im November 1960 gewählten John F. Kennedy ersetzt werden sollte. Die Eile kam nicht von ungefähr: Die Weltmacht wollte ihren offiziellen Bruch mit der kleinen Zuckerrohrinsel als Antwort auf einen diplomatischen Affront gewertet sehen. Das aber wäre bereits am nächsten Tag schwierig geworden, denn da standen seit längerem schon die Klagen Kubas über das feindselige Verhalten der USA auf der Agenda des UN Sicherheitsrates.

    Einen Vorgeschmack auf diesen verbissenen Streit hatten die Vereinten Nationen drei Monate zuvor bekommen: Fidel Castro, der 1959 den von Washington gestützten Diktator Batista entmachtet hatte, beschuldigte vor der UN-Vollversammlung Präsident Eisenhower einer aggressiven Außenpolitik. Mit der Senkung des Zuckerpreises wollten die USA als Hauptabnehmer Kuba wirtschaftlich strangulieren, überdies suche Washington auch ganz direkt mit Brandanschlägen auf Zuckerrohrplantagen und Sabotageakten gegen Raffinerien einer "revolutionären Volksdemokratie" die Lebensgrundlage zu entziehen. Genau diese Art der Auseinandersetzung aber suchte die US-Regierung zu vermeiden. So zumindest hörte es sich im Oktober 1960 an, als Eisenhowers Parteifreund Richard Nixon gegen den Präsidentschaftskandidaten John F. Kennedy in den Wahlkampf zog:

    " Wir brauchen die richtige Diplomatie: Standhaft, aber ohne kriegerische Absichten. Wir werden also nicht jede Beleidigung mit einer Beleidigung beantworten. Wer stolz ist und sich seiner Stärke bewusst, begibt sich nicht auf das Niveau von Herrn Chruschtschow und Genossen. "

    Bei der Sowjetunion unter Chruschtschow suchte Fidel Castro allerdings erst Hilfe, nachdem die USA wenig Entgegenkommen gezeigt hatten. Zuvor war die Situation unentschieden, denn nach dem unvorhergesehenen Zusammenbruch des Batista-Regimes fanden sich die Befreiungskämpfer ohne ausformuliertes politisches Programm an der Macht. Als übereilte Wirtschaftsreformen eine Krise auslösten, suchte Castro sein Heil nicht nur in stundenlangen Propagandareden gegen den kapitalistischen Sündenbock USA, das kubanische Revolutionsregime provozierte die benachbarte Weltmacht überdies durch die Beschlagnahmung amerikanischen Eigentums und die Verhaftung amerikanischer Diplomaten. Washington, so schrieb ein politischer Beobachter, "war in der Lage eines Mannes, dem ein Lausejunge Steine nachwirft, der aber neben der Verteidigung seiner Interessen auch seine Würde wahren muss." Aus dieser Zwickmühle gedachte der Wahlkämpfer John F. Kennedy sich zu befreien - vorerst mit friedfertiger Propaganda:

    " Wissen Sie, dass die Russen zwanzigmal so viel Radioprogramme für Lateinamerika ausstrahlen wie die USA? Dass wir nicht ein einziges Programm senden, um den Kubanern zu sagen, dass wir Freunde sind und ihnen die Freiheit bringen wollen? "

    Immer wieder hatte Kennedy seinem Konkurrenten Nixon vorgehalten, dass es den Republikanern unter Präsident Eisenhower nicht gelungen sei, Kuba vor dem Einfluss der Kommunisten zu bewahren. Prompt stand Kennedy selber als Präsident unter Erfolgszwang - und musste sich notgedrungen mehr auf Geheimdienste und Militärs verlassen als auf Diplomaten: Bereits im April 1961, kaum drei Monate nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen, landeten schwer bewaffnete, von der CIA ausgebildete Exilkubaner in der Schweinebucht.