Kamala Harris
Plötzlich Hoffnungsträgerin

US-Präsident Joe Biden hat nach seinem Verzicht seine Vize Kamala Harris als Kandidatin für das Präsidentenamt vorgeschlagen. Welche Politik vertritt sie? Und kann die Demokratin den Republikaner Trump besiegen?

22.07.2024
    Kamala Harris im Porträt
    Sie will US-Präsidentin werden: Kamala Harris, derzeit noch Vizepräsidentin, kündigt an, die Nominierung "zu verdienen und zu gewinnen". (imago / ZUMA Wire / Lawrence Jackson / White House )
    Kamala Harris ist in mehrfacher Hinsicht besonders in ihrem bisherigen Amt: Sie ist die erste Frau und sowohl die erste schwarze als auch die erste asiatischstämmige Vizepräsidentin ihres Landes.
    Die Republikaner stempeln sie als Vertreterin der extremen Linken ab, die Kriminalität fördere. Manchen Demokraten dagegen finden, die frühere kalifornische Justizministerin stehe zu sehr für law and order. Andere wiederum heben ihre progressiven Ansichten zu Frauenrechten hervor.
    Sehr beliebt war sie aber nie. Nach dem Verzicht Joe Bidens auf eine zweite Kandidatur als US-Präsident scheint Harris zumindest laut Umfragen wachsenden Zuspruch unter den Anhängern der Demokratischen Partei zu haben. Sie könnte als erste Frau in der Geschichte der USA das Präsidentenamt übernehmen.

    Überblick

    Wer ist Kamala Harris?

    Kamala Harris wurde am 20. Oktober 1964 in Kalifornien geboren, als Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters. Beide waren „Bildungsmigranten“, wie die Publizistin Contanze Stelzenmüller betont: hochqualifizierte Akademiker. Harris studierte an der schwarzen Elite-Universität Howard und an der University of California, einer weiteren Elite-Uni.
    Sie machte Karriere als Staatsanwältin und interessierte sich besonders für den Schutz von Frauen und Kindern. Harris stieg zur Generalstaatsanwältin und Justizministerin in Kalifornien auf.
    Vier Jahre lang vertrat Kamala Harris außerdem den Bundesstaat als Senatorin in Washington. Sie hatte auch Ambitionen für das höchste Amt, führte allerdings einen „schwachen“ Wahlkampf, so Stelzenmüller, und schlug sich zügig in das „Biden-Lager“. Seit 2021 ist sie Vizepräsidentin unter Joe Biden – und war auch da lange „anerkanntermaßen schwach“.
    Harris ist mit dem Rechtsanwalt Douglas Emhoff verheiratet. Das Paar hat keine eigenen Kinder; Emhoff brachte aber zwei Kinder aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe.
    Die Vizepräsidentin gilt als warmherzig und familienfreundlich, aber auch als ambitioniert und fordernd.

    Welche Rolle hatte sie als US-Vizepräsidentin?

    Joe Biden betraute Kamala Harris mit einer der undankbarsten Aufgaben: Sie sollte sich um die unkontrollierte Zuwanderung an der Grenze von Mexiko zu den USA kümmern. Ein Thema, mit dem auch andere Politikerinnen und Politiker nur schwer hätten punkten können. Kamala Harris unterliefen dabei Fehler, und sie unterschätzte die Brisanz des Migrationsthemas.
    So wies zum Beispiel die Journalistin Marie-Astrid Langer 2021 darauf hin, dass sich die Vizepräsidentin lange nicht an der Grenze blicken ließ. Ihr damals geäußerter Satz, sie sei ja auch noch nicht in Europa gewesen, brachte ihr viel Kritik ein. Langer beschrieb das als einen disconnect, eine teils fehlende Verbindung zu dem, was die Menschen wirklich bewegt.
    Die Republikaner machen sie dafür verantwortlich, dass weiterhin Millionen Menschen unerlaubt ins Land kommen.
    Insgesamt konnte Kamala Harris in ihrem Amt kaum Akzente setzen, und Präsident Joe Biden baute sie auch nicht konsequent als seine Nachfolgerin auf.

    Wofür steht Kamala Harris in der US-Innenpolitik?

    Innenpolitisch steht Kamala Harris für einen konsequenten Kampf für Frauenrechte, insbesondere für das Recht, über den eigenen Körper selbst zu bestimmen. Das ist auch der Grund, warum sie in den vergangenen Monaten doch „zu Form“ auflief, wie Constanze Stelzenmüller beobachtet.
    Nach dem Urteil des Supreme Court über das Ende des USA-weiten Rechts auf Abtreibung wurde Harris demnach zu einer „sehr aktiven und sehr wirkungsvollen Wahlkämpferin“. Außerdem habe sie Trumps „diverse Gerichtsverfahren und Vergehen“ immer wieder aufgespießt. Darüber hinaus setzt sich Harris gegen Waffengewalt ein und hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen die Todesstrafe ausgesprochen.
    Noch aus ihrer Zeit als Generalstaatsanwältin und Justizministerin in Kalifornien steht sie für ein hartes Vorgehen gegen Kriminalität: Sie sei eine „wirkliche Vertreterin von Law and Order“ gewesen, so der frühere Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin.
    Die Journalistin Marie-Astrid Langer attestierte Harris 2021 aber insgesamt moderate Ansichten – ähnlich wie Barack Obama. Und damit sei sie moderater, als es sich viele schwarze Menschen wünschen. Harris schaffe es oft, sich alle Türen offen zu lassen, um keine Wählergruppe zu verprellen. Das wiederum habe viele Menschen in der schwarzen Community enttäuscht.

    Wofür steht Kamala Harris außenpolitisch?

    Außenpolitisch gilt Harris bisher als weitgehend „unbeschriebenes Blatt“. Allerdings hat sie auch hier zuletzt ihr Profil geschärft. Sie nahm an der Münchner Sicherheitskonferenz teil und ist nach Einschätzung des Grünen Jürgen Trittin eine Person, die das Völkerrecht „sehr, sehr ernst nimmt“. In München bekannte sie sich im Februar 2024 zur Nato und zur internationalen Zusammenarbeit – offensichtlich in Abgrenzung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.
    Harris vertrat zudem Präsident Biden bei einem internationalen Ukraine-Gipfel in der Schweiz. Trittin erwartet von Harris, sollte sie tatsächlich US-Präsidentin werden, eher „eine gewisse Kontinuität“ bei der Unterstützung der Ukraine.
    Mit Blick auf Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen nach dem Terrorangriff der Hamas mahnte Kamala Harris die Regierung von Premier Netanjahu deutlich zur Mäßigung.

    Welche Chancen hätte Kamala Harris gegen Trump?

    Ob Kamala Harris den Republikaner Trump schlagen könnte, ist noch unklar. Aber Beobachter sehen gewisse Chancen: Constanze Stelzenmüller von der Brookings Institution unterstreicht, dass Trump „erkennbar ein Problem mit starken Frauen“ habe. „Wir erinnern uns an seine Debatten mit Hillary Clinton. Wir erinnern uns an sein schwieriges Verhältnis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.“ Außerdem spreche der Altersunterschied für Harris: Sie ist 59, er 78 Jahre alt. „Da wird jetzt der Spieß umgedreht – von Biden zu Trump.“
    Außerdem könne Harris dank der eigenen und der erfolgreichen Biografie ihrer Eltern zum Problem für den Republikaner werden, so Stelzenmüller weiter: „Für jemanden, der die ganze Zeit behauptet, dass Migranten das Land zerstören, ist sie das wandelnde Gegenbeispiel.“ Und: Sie sei eine „Liberale aus Kalifornien“ - auch das dürfte für Trump „sehr schwierig“ werden.

    Frauenrechte und Law and Order

    Der frühere Grünen-Politiker Jürgen Trittin sieht einen „großen Vorteil“ für Harris: einerseits als Verfechterin von Frauenrechten, andererseits als law and order-Vertreterin. Kriminalität sei ein zentrales Thema in den USA und in den Wahlkämpfen. Mit diesem Angebot könne Kamala Harris in den 30 bis 40 Stimmbezirken, in denen die Wahl entschieden werde, punkten.
    „Da kommt es darauf an, ob es ihr gelingt, diesen großen Regenbogen der Demokratischen Partei zusammenzuhalten. Und das ist mit ihrer Herkunft, mit ihrer persönlichen Geschichte, aber auch mit ihrer Haltung in der Innenpolitik, glaube ich, nicht die schlechteste Ausgangslage“, so Trittin.
    Kamala Harris hat zwar Momentum, und in Umfragen erreicht sie bessere Werte als Joe Biden. Doch weder ist sie bislang als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten nominiert, noch sind alle in ihrer eigenen Partei von ihr überzeugt.
    bth