Auf der Nationalstraße nach Bamenda: Etwa 40 Kilometer vor der drittgrößten Stadt Kameruns verwandelt sich die Asphaltstraße in eine rotbraune Erdpiste. Der voll besetzte Minibus schlingert kreuz und quer über die Fahrbahn, um den Schlaglöchern auszuweichen. Die Fahrt in die 500.000 Einwohner-Stadt ist eine Tortur.
Die Straße erzählt viel über den Stellenwert der englischsprachigen Provinzen Nordwest und Südwest. "Wir sind marginalisiert", sagt der Journalist Chris Mbunwe. Er sitzt im Büro der Zeitung "The Post", in einem Viertel von Bamenda.
"Die Lage ist beklagenswert, beide Lager sind schuld: Auf der einen Seite die Regierung, auf der anderen Seite jene, die Forderungen stellen. Seit Monaten streiken bei uns fast alle englischsprachigen Juristen und Lehrer. Die Menschen fühlen sich an den Rand gedrängt. Manche fordern sogar die Abspaltung von ihren französischen Brüdern."
Juristen und Lehrer streiken bereits seit Monaten
Seit über einem halben Jahr sind die Juristen im Ausstand. Sie wehren sich dagegen, dass anglofone Bürger häufig von Richtern vernommen würden, die kein Englisch verstehen. Sie wollen auch durchsetzen, dass in den englischsprachigen Regionen das britisch geprägte Gewohnheitsrecht "Common law" angewandt wird, und nicht der französische Code civil.
Die Lehrer-Gewerkschaften wiederum protestieren dagegen, dass immer mehr französischsprachige Lehrer in die anglofonen Regionen geschickt werden, die kein oder nur fehlerhaftes Pidgin-Englisch beherrschten. An öffentlichen und privaten Schulen fiele der Unterricht wegen der Proteste schon seit Monaten aus, sagt Esther Mukong, Lehrerin an einer staatlichen Grundschule.
"Die Schüler kommen nicht. In meiner Schule sind 500 Schüler eingeschrieben. An manchen Tagen sind vielleicht 13 Kinder da, an anderen schon mal 50, aber das ist die Ausnahme. Die Anwesenden – das sind alles Kinder aus frankophonen Familien. Die anglofonen Schüler fehlen."
Die Eltern fürchteten Repressalien von besonders fanatischen Streikführern, sagt Esther Mukong. Ihre eigenen Töchter blieben deshalb auch zu Hause, für die drei Mädchen sei das Schuljahr leider verloren. Den Streik befürwortet sie trotzdem.
"Die Folgen sind unerfreulich. Aber wir sind durch und durch unzufrieden, weil man uns, die Anglofonen, seit so vielen Jahren schon marginalisiert."
Mangelnde staatliche Transparenz und harte Sanktionen
Diese Unzufriedenheit sitzt tief. Im Dezember kam es in Bamenda und in der Universitätsstadt Buea zu heftigen Ausschreitungen. Polizei und Armee griffen brutal ein. Es soll Tote und etwa 200 Verhaftungen gegeben haben, darunter Rechtsanwälte und minderjährige Demonstranten. Die genauen Zahlen aber kenne er nicht, sagt der Journalist Chris Mbunwe.
"Wir Journalisten bekommen nicht die geringsten Informationen von der Regierung. Wenn Menschen verhaftet werden, sagen die Offiziellen: Ohne grünes Licht aus der Hauptstadt Yaoundé dürfen wir nichts mitteilen – aber das grüne Licht kommt nie. Sie verbergen die Wahrheit vor uns."
Die staatlich gelenkten Medien informieren erst recht nicht objektiv. Auch deshalb können Fake- und Hassmeldungen große Wirkung entfalten. Viele Kameruner bestätigen, dass sie gar nicht wissen, wer eigentlich hinter den einzelnen Protestaktionen steckt. Das verunsichert. Und führt auch dazu, dass Lumumba Mukong von der Schweizer Nichtregierungsorganisation Mission 21 wie viele Angestellte und Geschäftsleute in den anglofonen Regionen seit Wochen montags zu Hause bleibt.
"Wir bekommen anonyme SMS und Anrufe, wo uns gesagt wird, was wir tun sollen. Montags ist "Ghosttown", Geisterstadt: Da bleiben alle Geschäfte und Märkte zu. Ich weiß nicht, ob die Anordnungen aus Überzeugung oder aus Angst befolgt werden. Aber wir respektieren sie."
Vermutlich eine Mischung aus Beidem, denn wer nicht mitmacht, der läuft Gefahr, dass militante Protestführer seinen Laden in Brand strecken.
Um die Lage in den Griff zu bekommen, hat die Regierung Anfang des Jahres das Internet blockiert. Über drei Monate lang waren die anglofonen Provinzen mit ihren vier Millionen Bewohnern komplett vom Netz abgeschnitten. Eine derart lange Internet-Blockade ist selbst für undemokratische Länder in Afrika unüblich, sie hat vor allem der aufstrebenden Internet-Wirtschaft in Buea enorm geschadet.
Keine Möglichkeit zur Selbstverwaltung für die Anglofonen
Diese Krise, sagt Paul Nchoji Nkwi, hat historische Wurzeln. Als Professor für Anthropologie hat der 77-Jährige international Karriere gemacht, heute unterrichtet er in Bamenda. Bei der Abschaffung des föderalen Staats im Jahr 1972 seien die Anglofonen regelrecht betrogen worden. Damals habe man ihnen die Fähigkeit zur Selbstverwaltung genommen.
"Wir wollen trotzdem ein vereintes Land bleiben. Aber wir wollen unter den Regeln und Gesetzen leben, die wir uns selbst gegeben haben. Wir Alten sind sehr froh, dass sich die junge Generation jetzt auf die Geschichte besinnt und an vorderster Front steht, um durchzusetzen, was ihre Elterngeneration versäumt hat."
Früher konnten die Anglophonen ihr Bildungssystem, die Justiz, Landwirtschaft, Renten und die Infrastruktur verwalten und ausbauen, sagt Paul Nkwi. Damals war auch die Straße nach Bamenda asphaltiert.