Er ist bald 85 Jahre alt, aber kein bisschen amtsmüde: Paul Biya regiert in Kamerun seit 42 Jahren, 35 davon als Präsident. Voraussichtlich im Herbst wird gewählt, und es gilt als absolut sicher, dass Biya weitermachen will. In seiner Neujahrsansprache kündigte er an:
"2018 wird ein wichtiges Wahljahr sein. Es sind alle nötigen Vorkehrungen getroffen worden, damit die Wahlen in Ruhe und Sicherheit stattfinden können."
Doch von Ruhe und Sicherheit ist Kamerun weit entfernt. Im englischsprachigen Westen des Landes herrscht praktisch Bürgerkrieg. In einer Volksabstimmung hatten sich die anglophonen Kameruner 1961 entschieden, dem französischsprachigen Ost-Kamerun beizutreten. Schon kurz darauf klagten Bewohner der Region über Benachteiligungen. Bis heute gibt es hier schlechtere Straßen, weniger Krankenhäuser, kaum Arbeit.
Und was vor gut einem Jahr als friedlicher Protest von Richtern und Lehrern gegen die Bevorteilung der französischsprachigen Bevölkerungsmehrheit begann, ist außer Kontrolle geraten. Auch deshalb, weil Biyas Regierung sich vom ersten Tag an weigerte, den Demonstranten entgegen zu kommen. Stattdessen entschied sie sich, die Proteste gewaltsam niederschlagen zu lassen.
"Die ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen waren ein voller Erfolg. Sie werden weitergeführt werden, mit aller Stärke, aber nicht exzessiv. Ich beglückwünsche Polizei und Armee unter anderem für ihre Tapferkeit, ihre Entschiedenheit, ihre Zurückhaltung und die von ihnen demonstrierte Professionalität."
Zehntausende sind nach Nigeria geflohen
Kritiker werfen Polizei und Militär dagegen massive Menschenrechtsverletzungen vor. Und je härter sie durchgriffen, desto radikaler wurden ihre Gegner. Inzwischen stehen der Staatsmacht im Westen drei Rebellenarmeen, ein gutes Dutzend Bürgerwehren und die Regierung eines unabhängigen West-Staats namens "Ambazonien" gegenüber. Fast 30.000 Bewohner sind über die Grenze nach Nigeria geflohen. Mehr als 75 Tote soll es auf beiden Seiten gegeben haben, genaue Zahlen gibt es nicht. Der Brandherd im Westen Kameruns, wo ein Fünftel der Bevölkerung lebt, bestimmt den Vorwahlkampf.
Kritik an Biya gilt als Verrat, wie der kamerunische Schriftsteller Patrice Nganang feststellen musste. Vor einem Monat verschwand er in Kameruns größter Stadt auf einmal spurlos. Was geschah, berichtete er dem französischen Fernsehsender TV5 in einem Exklusivinterview.
"Ich bin am Flughafen von Douala plötzlich festgenommen und mit fünf Polizisten in einen Bus gesteckt worden. Man hat mich in Handschellen in die Hauptstadt gefahren, ohne dass man mir einen Grund genannt hätte oder wohin ich gebracht werde. Sie haben mich ständig Ambazonier genannt, Ambazonier, Ambazonier, und da wurde mir klar, dass sie mich wegen meiner Unterstützung für die anglophone Sache festgenommen haben."
Schriftsteller Patrice Nganang: "Das Regime wird fallen"
Nganang, der unter anderem in Deutschland studiert hat und auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, kritisiert Biya schon lange, genau wie das Patronagesystem, das der Präsident der Ölexportnation über Jahrzehnte aufgebaut hat und von dem nur eine kleine Elite profitiert.
Innerhalb von nur fünf Jahren sollen fast zwei Milliarden Euro aus dem Staatsetat verschwunden sein. Zum Verhängnis wurde Nganang eine Satire auf seiner Facebook-Seite. Nach drei Wochen in Haft wurde Nganang ausgewiesen und lebt jetzt im Ausland.
"Mon exil sera très bref, parce que le régime va tomber."
Mein Exil wird sehr kurz sein, denn das Regime wird fallen, sagt er. Doch ob das wirklich geschieht, hängt maßgeblich von Biyas Gegnern ab. Seit Jahrzehnten ist die Opposition zersplittert und damit chancenlos. Akere Muna will das ändern. Der frühere Anti-Korruptionschef hat eine Plattform gegründet, auf der er alle Oppositionellen versammeln will - und das, so sagt er, nicht einmal unbedingt unter seiner Führung.
"Der Zusammenbruch des Staates macht uns Sorgen. Unsere nationale Einheit ist bedroht, nicht etwa, weil die Menschen den Glauben an ihre Nation verloren haben. Sondern weil die Regierung Stabilität mit Untätigkeit verwechselt hat. Die Söhne und Töchter dieses Landes, von Süd nach Nord, von Ost bis West fordern eine neue Republik, die ihre Versprechen hält und ihre Hoffnungen erfüllt."
Muna gehört zur anglophonen Minderheit und will das Land zusammenhalten. Vielleicht könnte ihm das gelingen. Vorausgesetzt, die Wahlen werden nicht wieder gefälscht. Seit dieser Woche können Wähler sich registrieren lassen. Wie das im erschütterten Westen geschehen soll, ist ein weiteres Problem. Biya jedenfalls scheint entschlossen, bis zu seinem 92. Geburtstag an der Macht zu bleiben - ohne Rücksicht auf Verluste.