"Dein Land, Deine Zukunft. Jetzt!" steht auf den Plakaten. Dazu ein gezacktes Band aus vielen Flaggen und Texte in sechs verschiedenen Sprachen. Als Nico Borsotto zum ersten Mal am U-Bahnhof Kottbusser Tor an solch einem Plakat vorbeikam, wunderte er sich.
"Als ich es erstmal gesehen habe, habe ich es echt komisch gefunden."
Der 25-jährige Volkswirt aus Brasilien blickte genauer auf das Plakat, wurde aber nicht schlau daraus. Wir sind doch die gesuchten Fachkräfte aus dem Ausland, sagte er sich, und jetzt sollen wir wieder nach Hause geschickt werden? Borsotto versuchte sich zu informieren, fragte Kollegen und Freunde.
"Na ja Nico, wir meinen nicht Ausländer wie Du. Aber das ist natürlich problematisch, was bedeutet Ausländer wie ich? Bedeutet das, jemand, der kein Deutsch kann, bedeutet das, jemand, der weiß ist, bedeutet das, jemand der christlich ist? Zu welcher Gruppe gehöre ich? Ich fand es ein bisschen komisch, sie sagen nicht, wen es betrifft. Also auch wenn wir denken, das bedeutet nicht Ingenieur, das steht da nicht."
Mitarbeiter des Start-Ups finden Plakate befremdlich
Nico Borsetto arbeitet bei einem international aufgestellten Berliner Start-up. Die Firma "1aim" kümmert sich um Gebäudevernetzung. Bei "1aim" wird Englisch gesprochen, 32 der 38 Mitarbeiter haben ausländische Wurzeln, im Flur hängen die bunten Flaggen vieler Nationen. Die US-Amerikanerin Rebecca Fitzer kümmert sich um das Graphic Design. Die Plakataktion des Bundesinnenministeriums finden wir alle befremdlich, sagt sie:
"Sie sind sich alle einig und haben die gleichen Gedanken. Das ist nicht das, wofür Berlin steht. Das ist nicht die vielfältige, multikulturelle, offene Stadt, in der wir leben. Deshalb sind wir nach Berlin gekommen, deshalb lieben wir die Stadt."
Nico Borsotto: "Die ganze Internationalisierung der Stadt ist richtig wichtig. Dass Leute kommen aus Europa, aber auch aus Brasilien und der Türkei. Und sie kommen hier und arbeiten hier und gründen manchmal ein eigenes Unternehmen."
Viele Gründer haben ausländische Wurzeln
In Berlin hat jeder zweite Unternehmensgründer keinen deutschen Pass. Der Senat kümmere sich sehr um ausländische Gründer und Fachkräfte, lobt der Deutsch-Franzose Yann Leretaille die Berliner Landesregierung. Er ist Gründer und Chef von "1aim".
"Und dann hat man auf der einen Seite quasi diesen Teil, der bemüht ist, Leute herzuholen. Und dann auf Bundesebene eine Kampagne, die das genaue Gegenteil aussagt in Berlin. Und das widerspricht sich halt einfach."
Fragen nach der Plakatkampagne "Returning from Germany" beantworten die Behörden nur sehr zögerlich. Für die freiwillige Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF zuständig. Doch dies war an der Konzeption und Ausgestaltung der missverständlichen Plakatkampagne gar nicht beteiligt. Man sei gebeten worden, logistisch und organisatorisch zu unterstützen, heißt es offiziell aus dem BAMF. Dies könnte als vorsichtige Distanzierung verstanden werden.
Offener Brief an Bundesinnenministerium
Tatsache ist: Nicht die zuständige Bundesbehörde hatte den Hut auf bei der Kampagne, es ist das Bundesinnenministerium. Dies lässt mitteilen, die Plakate richteten sich nicht an rechtmäßig in Deutschland lebende Menschen. Das versteht aber niemand, sagt Unternehmer Yann Leretaille.
"Ich weiß, das Plakat sagt "Freiwillige Rückkehr", aber es sagt halt, Hey, Du könntest nach Hause gehen. Da ist schon eine unterschwellige Nachricht immer mit drin. Und wenn mir so viele meiner eigenen Mitarbeiter schreiben, dann ist das schon ein alarmierender Indikator."
Der 27-Jährige hat deshalb einen offenen Brief an das Bundesinnenministerium geschrieben und die Webseite "Berlin Founders Unite" online gestellt. Täglich melden sich mehr Berliner Start-ups und unterzeichnen den Aufruf gegen die Plakatkampagne.
"Es ist zumindest wichtig, dass wir als Berliner Tech-Szene allen, die mitgeholfen haben, das zu kreieren, was wir in Berlin haben, das Signal zu geben, da stehen wir nicht dahinter, da wollen wir nichts mit zu tun haben. Und: Bleibt doch bitte hier."