Seit ein paar Tagen sorgt eine Werbekampagne in den sozialen Netzwerken für Aufregung: Eine Organisation namens "Mein Jobcenter" stellt in kurzen Videoclips Menschen vor, die angeblich "Happy mit Hartz 4" seien. Wer nachrecherchiert, ob die Bundesagentur für Arbeit dahintersteckt, erfährt: Nein, keineswegs. Eine PR-Agentur zeichnet dafür verantwortlich. Wer steckt aber dahinter? Und mit welchem Ziel? Mein Kollege Sandro Schroeder hat da mehr herausgefunden.
"Ist das Jan Böhmermann?"
Thekla Jahn: Sandro, in wessen Auftrag handelt denn nun diese PR-Agentur? Denn sie ist ja auch wieder nur so ein Bindeglied sozusagen zwischen den eigentlichen …
Sandro Schroeder: Genau. Ich bin auf die Seite dieser Agentur gegangen und war sehr skeptisch, weil die anonym registriert ist und weil sie sehr versucht, zu verheimlichen, wer dahintersteckt. Und deswegen fand ich das alles sehr, sehr merkwürdig und bin deswegen in Twitter unterwegs gewesen und habe geschaut: Wer verteilt diese Posts, wer hat ähnliche Interessen – Hartz IV, Grundeinkommen, das waren so die Sachen, die ich gesucht habe. Und letzten Endes ist mir dann aufgefallen, dass die Initiative "Mein Grundeinkommen" sehr viele von diesen Posts von dieser Aktion geteilt hat, die viel geliket hat, die kommentiert hat. Und deswegen habe ich mich dann irgendwann durchtelefoniert zu dieser Initiative.
Jahn: Jetzt kann man ja im ersten Moment vermuten – das wird auch schon im Netz gemacht -, dass es sich bei dieser Aktion, die so ein bisschen schräg und ein bisschen zynisch wirkt, um eine, sagen wir mal, Jan Böhmermann- oder sonstige Satiriker-Aktion handelt.
Schroeder: Absolut. Also, die Mutmaßung war die ganze Zeit: Ist das Jan Böhmermann? Da, würde ich sagen, da fehlt so ein bisschen die Moralkeule, die Jan Böhmermann sonst oft hat. Dann war die Mutmaßung: Ist es das "Zentrum für politische Schönheit"? Da fehlte mir der Holzhammer, dafür ist die Satire nicht spitz genug. Und deswegen: Ja, es ist irgendwie merkwürdig gewesen und relativ schnell war mir klar, das kann niemals ernst gemeint sein. Hier muss jemand ein anderes Anliegen haben, außer Hartz IV gut zu finden. Und dann – wie gesagt – haben sich so ein bisschen die Beweise verdichtet, dass eine Aktion dahintersteckt, die sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt und deswegen so ein bisschen versucht, Hartz IV als eine mögliche Utopie darzustellen, die ein Grundeinkommen sein könnte.
"Ich mache ihnen jetzt gerade ihr Timing kaputt"
Jahn: Diese Kampagne ist ja nun bewusst lanciert, soll Aufmerksamkeit erregen. Jetzt haben Sie das herausgefunden heute, im Laufe von zweieinhalb Stunden. Für die Kampagnenmacher ist das natürlich nicht so gut, weil die Kampagne dadurch frühzeitig gestoppt wird.
Schroeder: Genau. Also, ich bin dann am Ende des Tages bei dieser Kampagne gelandet, habe dort angerufen und habe gefragt: Kennen Sie diese Aktion? Und die erste Reaktion war: Warum? Was wollen Sie machen? Und ich habe immer wieder die Frage gestellt: anscheinend wissen Sie ja mehr? Und daraufhin kam irgendwann ein sehr, sehr langes Schweigen, 30 Sekunden, das sehr vielsagend war. Ich habe es jetzt innerhalb von zweieinhalb Stunden recherchiert und telefoniert und gegoogelt bekommen und deswegen glaube ich einfach: Das können auch andere. Und deswegen ist es nur eine Frage der Zeit und das muss dieser Aktion auch eigentlich bewusst gewesen sein, dass es jederzeit die Möglichkeit gibt, dass jemand auf den Dampfer kommt und sie sozusagen "enthüllen" kann. Dass ich das jetzt war – und weil ich jetzt zweieinhalb Stunden da rumtelefoniert habe -, ich glaube, das ist nur Zufall.
Jahn: Ärgern sich die Kampagnenmacher denn jetzt sehr?
Schroeder: Die sind sehr verärgert, was ich auch verstehen kann. Denn ich mache ihnen jetzt gerade ihr Timing kaputt. Sie sagen, dass sie am liebsten natürlich noch warten würden – und ich habe ihnen versucht, zu erklären, dass ich als Journalist da nicht warten kann. Und ich glaube auch: Auch wenn wir heute über diese Initiative reden und sozusagen der erste Schwung weg ist, dass wir jetzt wissen, wer dahinter ist – das grundsätzliche Thema und die Aufmerksamkeit dafür, die ist ja trotzdem noch gegeben, denn trotzdem ist es der Aktion ja gelungen, für ein, zwei Tage eine Menge Journalisten vorzuführen, auch viele bei "Twitter" vorzuführen und diese Debatte starten zu lassen über Hartz IV. Und deswegen glaube ich, die Aufmerksamkeit, die verpufft nicht heute und nicht morgen für dieses Thema.
Jahn: "Happy mit Hartz 4" - eine Kampagne für das bedingungslose Grundeinkommen. Sandro Schroeder hat es herausgefunden. Danke. Morgen im Deutschlandfunk in der Sendung "Deutschland heute" die Geschichte hinter der Geschichte dieser Kampagne.