Eine Filiale von KiK mitten in Berlin. Am Alexanderplatz, gleich neben dem Roten Rathaus. Es sind vor allem Frauen, die sich hier von den Kleiderständern auf dem Bürgersteig anlocken lassen. Es gibt Kissen, Wollsocken, Jogginghosen und bunte Kinderklamotten zu ganz kleinen Preisen. Eine Kundin, die mit Kinderwagen unterwegs ist, erklärt ihr Interesse:
"Weil's ihm gut passt."
Eine Touristin aus den USA kommt an diesem klirrend kalten Tag freudestrahlend mit frisch gekauften Handschuhen aus dem Geschäft:
"Because I don't have any gloves and I saw some outside displayed made me come and get some."
Von der Kampagne "Make KiK pay" haben beide noch nie gehört. Das will Shahida Parveen ändern. Sie ist extra aus Pakistan gekommen für ein paar Tage zu Besuch in Berlin. Die Witwe hat die Kampagne ins Leben gerufen. Ihr Mann starb 2012 als es in der Fabrik Ali Enterprises in Karachi lichterloh brannte. KiK war dort der Hauptkunde. Den Kummer, den sie seither hat, sieht man Shahida Parveen nicht an, denn sie hat ein schönes buntes Tuch locker um den Kopf geschlungen und lächelt milde, selbst wenn sie KiK anklagt:
"KiK hat uns damals versprochen, später eine angemessene Kompensation auszuzahlen, darauf habe ich vertraut, wir sind eine arme Familie, ich bekomme rund 75 Euro monatlich als Rente und das reicht nicht aus, um die Kinder zu ernähren und für ihre angemessene Bildung zu sorgen."
KiK zahlte eine Million US-Dollar Soforthilfe
Tatsächlich hat sich KiK schon verantwortlich gezeigt. Die Firma hat eine Million US-Dollar Soforthilfe gezahlt, die auf alle Opfer und Hinterbliebenen umgelegt wurde. Shahida erhielt davon 62.000 Rupien, was etwa 550 Euro entspricht. Außerdem bekam sie von der pakistanischen Provinzregierung eine Einmalzahlung, dazu kommt eine monatliche Witwenrente.
Doch das reicht nicht, sagt die Frau, die nur Urdu spricht und der Reporterin das Foto ihrer drei Söhne im Alter von elf, acht und drei Jahren zeigt. Sie alle tragen blaue Schuluniformen. Sie sei mit allen Hinterbliebenen des Fabrikbrandes 2012 in Kontakt, sagt Shahida Parveen, diese unterstützten sie beim Kampf David gegen Goliath, also KiK.
Und auch Farhat Fatima hilft ihr. Sie arbeitet für PILER, das Pakistan Institute of Labour Education and Research und setzt sich dort für Frauen- und Arbeitsrechte ein. KiK habe eine Vereinbarung unterzeichnet, die neben der Soforthilfe auch langfristige Unterstützung der Brandopfer und ihrer Hinterbliebenen vorsehe, betont Farhat Fatima:
"Die Verhandlungen über weitere Zahlungen hätten schon längst stattfinden sollen. Wir haben KiK immer wieder an den Verhandlungstisch eingeladen. Aber die nutzen ständig Verzögerungstaktiken. Die sagen nicht einfach nein, sondern schieben alles auf die lange Bank, sodass die Verhandlungen bis jetzt immer noch nicht angefangen haben."
Kik hat seinen Unternehmenssitz in Bönen. Ansgar Lohmann ist im Unternehmen für Soziale Verantwortung zuständig und teilt uns heute auf Anfrage telefonisch mit, KiK habe sehr wohl vor, noch weitere Zahlungen zu leisten, dass es dabei nicht voran ginge, liege nicht an KiK. Piler habe verschiedene Vorschläge von KiK zum Verfahren und zu Überbrückungszahlungen abgelehnt:
"Wir, Kik, haben den Verhandlungstisch nicht verlassen. Wir haben ein Verfahren gemäß international anerkannter Konventionen vorgeschlagen. Man muss sich halt auf den gemeinsamen Nenner einigen und wenn wir uns auf den einigen, dann ist KiK bereit, dann auch noch mal was zu zahlen. Ja."
Kritiker werfen KiK Verzögerungstaktiken bei langfristigen Entschädigungen vor
Berndt Hinzmann ist Sprecher vom Inkota-Netzwerk und der Kampagne für Saubere Kleidung. Auch er misstraut den Zusicherungen von KiK und unterstützt die Pakistanerinnen bei ihrer Kampagne:
"Wir werfen KiK in dem Sinn vor, dass sie zwar eine Übereinkunft relativ zügig nach dem Brand von Ali Enterprise getroffen haben mit den Opfergruppen, sodass es zu einer Entschädigung kommt und zwar zu einer sofortigen, aber den Verhandlungen über die langfristige Entschädigung und auch strukturelle Veränderungen ist KiK bisher nicht nachgekommen."
Es gehe nicht um Boykott von KiK, betont Hinzmann, sondern um bessere Rahmenbedingungen und Haftungspflichten. Dass KiK womöglich sein gegebenes Kompensationsversprechen nicht hält, stört auch die Kundinnen vor der Berliner Filiale, obwohl sie trotzdem weiter in den Klamotten stöbern:
"Nicht ok."
"Das ist einfach das Übliche: Viel Gerede um nichts, was dann nicht gemacht wird, wer findet das schon fair, ne?"
Und auch die Handschuhkäuferin aus den USA is not amused:
"Das ist so traurig. Schrecklich. Die Arbeitsbedingungen dort sind echt schlimm. Ich kenne auch ein paar Menschen aus Indien, da sind die Bedingungen auch nicht gut. Die Leute werden ausgebeutet. Jetzt habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen wegen der Handschuhe."