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Polizei will mehr Beamte mit Migrationshintergrund

Zwar arbeiten immer mehr Beamte mit Migrationshintergrund bei der Polizei, aber ihr Anteil soll weiter steigen. Sie haben nämlich einen klaren Sprachvorteil bei Einsätzen, in die Ausländer involviert sind. Die Polizei in Hamburg wirbt verstärkt in Schulen und Sportvereinen für ihren Beruf.

Von Axel Schröder |
    Heidi, Berliner Polizistin mit türkischem Migrationshintergrund, posiert mit Kollegen.
    Früher mussten Polizisten mit Migrationshintergrund stärker gegen Vorbehalte ankämpfen als heute. (dpa / picture-alliance / Rolf Kremming)
    Deriya Yildirim ist seit 16 Jahren Polizistin in Hamburg. Gleich gegenüber der Roten Flora im Schanzenviertel sitzt sie in einem Café, vor sich einen Milchkaffee. Ein paar Meter weiter stand sie schon mit ihren Kollegen und riegelte bei Demonstrationen die Straße ab. Ihre Eltern stammen aus der Türkei, sie spricht die Sprache fließend, kennt die Kultur. Und auch, wenn das bei Protesten in der Schanze wenig hilft, ist es in anderen Situationen ein großer Vorteil:
    "Häusliche Gewalt, wo die Frauen die Sprache nicht gesprochen haben, die deutsche Sprache nicht sprechen konnten, wo ich dann helfen konnte und unterstützen konnte und den Frauen dann auch Mut gemacht habe, zu sagen: 'Wir leben hier in Deutschland und du wirst nicht abgeschoben, nur weil du aus der Türkei gekommen bist. Und deine Kinder darfst du behalten. Dein Mann hat dir ganz viel erzählt, aber das entspricht alles nicht der Wahrheit. Du musst mir vertrauen. Ich helfe dir, ich lasse dich nicht im Stich!'"
    Andererseits musste sich Deriya Yildirim auch schon rassistische Beschimpfungen anhören:
    "Von meinem äußeren Erscheinungsbild her sieht man ja auch, dass ich nicht wirklich bio-deutsch bin. Und ich bin in Situationen geraten, wo man gedacht hat, ich bin gar keine Polizeibeamtin. Ich bin auch mal in einen Einsatz geraten, wo ein junger Mann gesagt hat: 'Von einer Türkin lasse ich mir nichts sagen! Wir leben hier in Deutschland!'"
    Startschwierigkeiten mit Kollegen
    Auch unter den Kollegen bekam sie - zumindest in den Anfangsjahren - nicht nur positive Rückmeldungen. Als Frau, und dann noch mit türkischen Wurzeln. Das hat sich mittlerweile geändert. Vor fünfzehn Jahren gab es unter den rund 10.000 Hamburger Beamten nur eine Handvoll Menschen mit Migrationshintergrund. Heute sind es gut zehn Prozent. Und in Zukunft sollen 20 Prozent der neueingestellten Polizistinnen und Polizisten ausländische Wurzeln haben, so Björn Wichmann. Er leitet die Einstellungsstelle der Hamburger Polizei und stellte heute zusammen mit seinen Kollegen eine Studie zum Thema vor:
    "Wir haben zum Beispiel eine Werbekampagne aufgelegt, die zum einen vier Gesichter zeigt - männlich, weiblich, mit und ohne Migrationshintergrund zu gleichen Anteilen. In diesem Jahr wollen wir eine neue Kampagne auflegen, die sich dann aber umso mehr auf die bisher unterrepräsentierten Zielgruppen bezieht."
    Mit Broschüren auf Türkisch, Russisch, Polnisch oder Koreanisch werde um neue Beamte geworben. Auch an Schulen mit hohem Ausländeranteil und in Sportvereinen seien seine Kollegen aktiv, so Björn Wichmann. Sein Kollege Rafael Behr, Soziologe und Politikwissenschaftler an der Hamburger "Akademie der Polizei", geht trotz der steigenden Zahl migrantisch geprägter Polizistinnen und Polizisten aber nicht davon aus, dass dadurch die Zusammensetzung der Bevölkerung auch im Polizeidienst abgebildet wird:
    "Wir können also durchaus sagen, dass die Polizei kein Integrationsmotor für Migration ist. Sondern diejenigen, die es in die Polizei hineinschaffen sind sogenannte individuelle Assimilationsgewinner. Das sind diejenigen Migranten, die sozialisatorisch wesentlich mehr mit ihren bio-deutschen Kollegen gemeinsam haben als mit denjenigen Migranten, die später ihre schwierige Klientel darstellen."
    Vorbehalte haben abgenommen
    Besonders viele neueingestellte Beamte mit Migrationshintergrund gibt es mit 29,2 in Berlin, in Mecklenburg-Vorpommern sind es dagegen gerade mal 1,8 Prozent. In fast allen Ländern steigt ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beamten, wenn auch oft nur langsam. Von weitverbreiteten Vorbehalten gegen Kollegen mit ausländischen Wurzeln könne keine Rede mehr sein, so Rafael Behr von der "Akademie der Polizei". Vor zwanzig Jahren sei das noch anders gewesen:
    "Als die ersten migrantischen Kollegen da waren, hat man sich schon ein bisschen gewundert: 'Huch, ihr sitzt doch sonst immer hinten rechts!' - Da sitzt der Festgenommene im Streifenwagen. Jetzt sind es Kollegen!"
    Heute seien die deutschstämmigen Kollegen oft froh, wenn sie einen Partner an der Seite haben, der schon allein durch seine Sprachkenntnisse in brenzligen Situationen helfen könne. Und es komme schon mal vor, dass sich Festgenommene in ihrer Herkunftssprache unterhielten und absprechen. Und dann erschreckt merken, dass die Beamten jedes Wort verstanden haben.