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Kampf auf einsamem Posten

Die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan wird seit seiner Unabhängigkeit vor 20 Jahren von Präsident Nursultan Nasarbajew regiert. Und der selbst ernannte "Führer der Nation" bastelt eifrig daran, dass seine Amtszeit so bald auch nicht zu Ende geht. Von der äußerst schwachen Opposition im Land ist zudem wenig zu erwarten.

Von Edda Schlager |
    Ein Referendum, um Präsident Nursultan Nasarbajew bis 2020 im Amt zu halten, die regulären Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr fallen aus. - Das war der Plan der politischen Eliten in Kasachstan. Kein anderes Thema beherrschte in den letzten Wochen so stark die kasachische Öffentlichkeit.

    Doch dann der Paukenschlag in dieser Woche. Kein Referendum, verkündete der Präsident, stattdessen vorzeitige Präsidentenwahlen im April dieses Jahres. Offiziell befand der Verfassungsrat ein Referendum für nicht verfassungsmäßig. Doch in Kasachstan geschieht nichts ohne ein OK des Präsidenten.

    Vielmehr scheint es, das Nasarbajew angesichts der Regierungsumbrüche im Nahen Osten das Etikett der Demokratie lieber wahren möchte.

    Die Hoffnung aber, die Protestwelle aus dem Nahen Osten könnte auch die Diktaturen in Zentralasien erreichen, ist unbegründet. Nasarbajew regiert das Land seit 20 Jahren mit eiserner Hand.

    Eine funktionierende Opposition gegen das Regime Nasarbajews gibt es praktisch nicht. Von einem guten Dutzend Parteien ist nur eine einzige im Parlament vertreten - die des Präsidenten. Doch unter den anderen verstehen sich lediglich drei als Oppositionsparteien. Eine davon ist "Alga!" - kasachisch "Vorwärts". "Alga!" existiert seit zehn Jahren, ist jedoch offiziell nicht registriert und darf deshalb bei Wahlen nicht antreten. Parteichef Wladimir Kozlov sieht einen wichtigen Unterschied zu anderen Oppositionsparteien.

    "Womöglich sind die Machthaber dazu bereit, jemand anderen zuzulassen, nicht aber, den Platz komplett zu räumen. Wir fordern einen Systemwechsel, die anderen dagegen wollen das bestehende Machtsystem nutzen. Dass sind zwei so verschiedene Positionen, die es schwer machen, sich zusammenzutun."

    Doch die anderen Oppositionsparteien weisen den Vorwurf zurück. Und drehen den Spieß um. Sie behaupten, die Partei "Alga!" unter Parteichef Kozlov wolle lediglich Personen austauschen, nicht aber das System verändern. Das hat Konsequenzen:
    Für die Bevölkerung ist längst nicht mehr nachzuvollziehen, welches Programm und welche Ziele die jeweiligen Oppositionsparteien verfolgen. Und: Vereinigungen, Neugründungen und Namenswechsel sind bei der politisch organisierten Opposition an der Tagesordnung. Nicht zuletzt deshalb, weil das Regime jegliche Kontinuität untergräbt und die bekannten Repräsentanten mit Strafverfahren überzieht, des Landes verweist oder inhaftiert.

    Dennoch sieht der Journalist Sergej Duwanow - selbst ein prominenter Regimekritiker - auch Unzulänglichkeiten innerhalb der Opposition selbst.

    "Die kasachische Opposition ist in einer Krise. Es fehlt an konkreten, kreativen Vorschlägen für eine Umgestaltung des Systems, es gibt lediglich Kritik an einzelnen Personen. Zudem fehlt der Rückhalt in der Gesellschaft. Niemand will sich an Protesten beteiligen. Die Opposition ist nicht ohne Grund so schwach - die Gesellschaft an sich ist nicht bereit für demokratische Prinzipien."

    Demokratie und ein funktionierendes Mehrparteiensystem sind den Kasachen suspekt. Das jedoch, so Tatjana Trubachewa, Chefredakteurin der Oppositionszeitung "Respublika", sei das Ergebnis einer rigiden Zensur der Medien.

    "Unser Regime arbeitet sehr effizient. Es vermittelt: Demokratie, das ist Instabilität, wie in Kirgistan und im Kaukasus. Was Demokratie wirklich bedeutet, das wissen die Leute nicht. Und die Oppositionsparteien haben keinen Zugang zum Fernsehen, zum Radio. Ja es gibt ein paar Zeitungen, aber darüber hinaus nichts. Deshalb können die Oppositionsparteien diesem Denken, Demokratie sei etwas Ungesundes, nichts entgegensetzen."

    Von rund 3.000 in Kasachstan zugelassenen Medien - der größte Teil davon sind Zeitungen - bezeichnen sich nur fünf Blätter als regimekritisch. Insgesamt erreichen ihre Auflagen rund 300.000 Leser. Doch wie "Respublika" kämpfen sie täglich ums Überleben. Erst vor zwei Wochen wurde nahezu die komplette Auflage der "Respublika" eingezogen, Druckereien sind auf Anweisung von oben schon seit langem nicht mehr dazu bereit, die Zeitung zu drucken. Und die so genannte "technische Zensur" ist nur eine der Maßnahmen, mit denen die kasachische Regierung jeglichen Widerspruch unterdrückt, so Oppositionspolitiker Kozlow:

    "In den offiziellen Medien liest man von Verhaftungen, Verhören. Und die Leute verstehen: Wenn ich etwas sage, wird es mir genauso ergehen, dann geh ich ins Gefängnis, oder sie bringen mich am helllichten Tage um. Darüber werden Informationen verbreitet. Um den Leuten Angst zu machen."

    Dass die in der Regierung verankerten politischen Eliten einen Regimewechsel in Kasachstan herbeiführen könnten, daran glaubt Journalist Sergej Duwanow nicht.

    "Es gibt Niemanden in der Umgebung Nasarbajews, der demokratische Ideen verfolgt. Diese Personen wurden aussortiert. Geblieben sind Anhänger, die ihm glauben. Doch das sind Bedienstete, keine Politiker. Anders wird es sich's am Tag "X" verhalten, wenn Nasarbajew verschwindet. Dann werden sie sich darum schlagen, wer sein Nachfolger werden wird. Das wird ein richtiger Kampf."

    Das Regime in Kasachstan, so sind sich die Vertreter der Opposition einig, ist im letzten Jahr unbarmherziger geworden - auch weil es offenbar von internationalen Politikern aus Europa und Amerika toleriert wird.

    Doch dass Nasarbajew eine erneute Amtszeit durch vorgezogene Präsidentschaftswahlen sichern will, sei auch ein Zeichen der Angst. Davor, die Gegen-Kräfte im Land nicht mehr unter Kontrolle halten zu können - und seien es die aus den eigenen Reihen.