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Kampf der Überfischung

Die Fischereipolitik der EU ist kein Ruhmesblatt. Nach Angaben der EU-Kommission sind drei Viertel der Bestände überfischt. Die Fangquoten, die die Mitgliedsländer jedes Jahr neu aushandeln, waren regelmäßig zu hoch. Das EU-Parlament will das ändern und hat Reformpläne vorgelegt.

Von Thielko Grieß |
    Dorade, Kabeljau, Rotbarsch oder Sardellen – sie gehören zu den Arten, die in Europas Restaurants und Kantinen gern gegessen werden. Zu gern, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Lionel Rigolet, der Zweisternekoch eines Brüsseler Spitzenrestaurants, blickt mit Sorge auf die Überfischung, drohen doch einige seiner besten Gerichte künftig ganz von den Tellern zu verschwinden.

    "Wir schauen uns genau an, woher die Fische kommen und lassen uns von unseren Lieferanten beraten. Fischfang muss nachhaltig funktionieren. Wir müssen die Umwelt wirklich respektieren."

    Selbst der Zweisternekoch hat immer öfter Probleme, bestimmte Fische zu bekommen – weil sie inzwischen so knapp sind. Überfischung ist ein bekanntes Phänomen, und die Europäische Union hat schon mehrfach versucht gegenzusteuern. Daran ändern auch die Fangquoten nichts, die die Fischereiminister jährlich neu aushandeln: Denn die liegen meist über dem, was die Bestände vertragen und die Experten empfehlen, beklagt Andrea Kohl, von der Umweltschutzorganisation WWF.

    "Die beiden Länder, mit denen wir die größten Schwierigkeiten haben, sind wahrscheinlich Frankreich und Spanien. Das liegt aber auch daran, dass sie einfach Interessen haben. Es gibt eben noch sehr große Fischereiflotten in den Ländern und viele Fischer."

    Die Größe der Flotte und die Zahl der Beschäftigten, das sind zwei entscheidende Punkte im Konzept von Ulrike Rodust. Die Sozialdemokratin aus Schleswig-Holstein schlägt dem Europäischen Parlament einen Kurswechsel in der europäischen Fischereipolitik vor:

    "Da versuchen wir über handelbare Quoten und handelbare Fischereilizenzen das so zu organisieren, dass sich da einige Fischer aus dem Fischereigeschäft zurückziehen, weil sie in Rente gehen möchten. Aber damit sie das tun können, können sie ihre Fischrechte verkaufen."

    Detailregeln sollen verhindern, dass Großunternehmen solche Lizenzen aufkaufen. Darüber hinaus möchte Rodust erreichen, dass die EU Zuschüsse für neue Fanggeräte zahlt, mit denen gezielter, also weniger, gefangen werden kann. Denn ein großes Problem ist bislang der Beifang. 1,8 Millionen Tonnen Fisch werden jährlich ins Meer zurückgeworfen, weil die Fischer sie nicht haben wollen – die Tiere sterben, ohne verarbeitet zu werden. Besonders groß ist das Beifang-Problem im Mittelmeer, weil es so artenreich ist.

    "Und darum sagen wir jetzt neu, wir wollen im Mittelmeer Gebiete festlegen, wo eine bestimmte Zeit lang nicht gefischt werden darf. Damit die Fische wieder nachwachsen können."

    Mit einer solchen Nachhaltigkeit wirbt auch das blaue Siegel MSC, das viele Fischpackungen im Supermarkt tragen. Recherchen des ZDF haben jedoch ergeben: Auch auf dieses Siegel ist nicht immer Verlass. Ein Teil der Bestände sei trotz des Siegels überfischt. Dennoch hält Ulrike Rodust, die die EU-Fischereipolitik reformieren will, ein Siegel wie MSC für sinnvoll – schon allein deshalb, weil sich daran die Fischindustrie freiwillig beteiligt.

    "Ich denke, wir brauchen ein Label, und zwar so einfach wie möglich, sodass der Verbraucher ganz einfach erkennt, da kauf ich nachhaltig gefischten Fisch."

    Die von Rodust geplanten Reformen gehen nun in den Fischereiausschuss und nach der Sommerpause ins Parlament. Der Widerstand aus Ländern mit großen Fischfangflotten ist programmiert.