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Kampf gegen Antisemitismus
Rivlin: "Deutschland darf hier nicht versagen"

In einer sehr eindringlichen Rede im Bundestag hat Israels Staatspräsident Reuven Rivlin die Deutschen an ihre Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus erinnert: "Das ist ein Kampf, den man hartnäckig führen muss, Generation für Generation. Wir dürfen dabei nicht aufgeben", sagte Rivlin.

Von Sebastian Engelbrecht |
Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin spricht bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag
Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin spricht bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag (dpa / Christoph Soeder)
"Das Begräbnis" ertönte in der Gedenkstunde im Bundestag, eine Komposition des polnisch-jüdischen Komponisten Szymon Laks, der Häftling und Leiter des Lagerorchesters in Auschwitz war.
Das Gedenken galt den Opfern des Nationalsozialismus – wie auch den antisemitischen Attacken der jüngsten Zeit in Deutschland. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bezog sich auf beides.
"Juden müssen in Deutschland wieder um ihr Leben fürchten? Dagegen hilft nur ein starker, ein konsequent handelnder Staat und eine couragierte Zivilgesellschaft, die verstanden hat, dass das Geschehene nicht vergangen ist."
"Wir gingen gemeinsam durch das Lagertor von Auschwitz"
Schäuble und auch Bundespräsident Steinmeier dankten Reuven Rivlin, dem Staatspräsidenten Israels, für seine Zusage, in der Feierstunde zu sprechen. Steinmeier und Rivlin hatten in den vergangenen Tagen schon in Jerusalem und Auschwitz gemeinsam der Opfer gedacht.
"Vorgestern gingen wir gemeinsam durch das Lagertor von Auschwitz, und nie war mir ein Gang so schwer, und nie war ich so dankbar für den Freund an meiner Seite."
"Dem neu geschenkten Vertrauen gerecht werden!"
Der Bundespräsident versprach, die Deutschen würden die Verbrechen der NS-Zeit nicht vergessen. Deutschland stehe heute an der Seite Israels. Er warnte vor dem Rückfall in autoritäres und völkisches Denken.
"Wir wollen Israel und der Welt zeigen, dass unser Land dem neu geschenkten Vertrauen gerecht wird! Das ist unsere Aufgabe, die uns die Erinnerung aufgibt. Damit, was geschehen kann, nicht geschehen wird."
Reuven Rivlin (M, l), Staatspräsident von Israel, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M, r) umarmen sich bei der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag für die Opfer des Nationalsozialismus nach Steinmeiers Rede.
Gedenkstunde im Bundestag: Die Präsidenten Israels und Deutschlands umarmen sich. (picture alliance / Christoph Soeder / dpa)
Zweifel, dass die Lektion aus der Geschichte gelernt wurde
Wie schon in Jerusalem zeigte Steinmeier Zweifel an der "Selbstgewissheit" vergangener Jahre, die Deutschen hätten die Lektion aus der Geschichte gelernt.
"Wie kann ich das sagen, wenn das Tragen der Kippa zum persönlichen Risiko wird oder Juden – die Geschichte habe ich nicht erfunden – die Menora beiseite räumen, wenn der Heizungsableser kommt?! Wie kann ich das sagen, wenn ein Rechtsterrorist in Halle an Jom Kippur zwei Menschen ermordet und allein die schwere Holztür der Synagoge ein Massaker an jüdischen Männern, Frauen und Kindern verhindert?"
Hässlicher Antisemitismus schwebt über ganz Europa
Ein hässlicher Antisemitismus schwebe über ganz Europa, so sagte es Israels Präsident Rivlin, aber man stehe nicht an der Schwelle einer neuen Schoah. Rivlin trauerte nicht nur um die jüdischen Opfer des Holocaust.
"Nicht nur Juden, mit ihnen Roma und Sinti, Polen und zehntausende andere Menschen sind in den Verbrennungsöfen in den Krematorien von Auschwitz emporgestiegen. Die Menschenwürde, die Freiheit, die menschliche Solidarität – sie alle sind mit dem Rauch in den Krematorien von Auschwitz emporgestiegen."
"Kein Kampf, den man für immer gewinnen kann"
Heute erwartet Rivlin vom deutschen Staat, von der deutschen Gesellschaft, dass sie in der Erinnerung an die Geschichte und im Kampf gegen den Antisemitismus nicht müde werden.
"Wir alle wissen heute, dass das kein Kampf ist, den man einmal und für immer gewinnen kann. Das ist ein Kampf, den man hartnäckig führen muss, Generation für Generation. (…) Wir dürfen dabei nicht aufgeben. Deutschland darf hier nicht versagen."
Beifall erhielten die Redner der Gedenkstunde von allen Fraktionen, auch von der AfD. Unübersehbar war allerdings, dass AfD-Fraktionschef Gauland immer wieder betont zurückhaltend applaudierte.