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Kampf gegen Corona
Das Virus muss ins Labor

Während sich das Coronavirus weiter ausbreitet, versuchen Forscher rund um die Welt fieberhaft mehr über den neuen Erreger herauszufinden. Entscheidend dabei: Nicht nur seine genetische Sequenz zu erkennen, sondern das Virus selbst ins Labor zu holen.

Von Volker Wildermuth |
Im Institut für Virologie an der Charité Berlin Mitte, in dem Untersuchungen zum Coronavirus laufen, steht Laborausrüstung.
Im Institut für Virologie an der Charité Berlin Mitte, in dem Untersuchungen zum Coronavirus laufen, steht Laborausrüstung. (dpa)
Daniela Niemeyer ist Forschungsgruppenleiterin am Institut für Virologie der Charité Berlin: "Hier auf der rechten Seite befindet sich das S3 Labor (Schlüssel) und jetzt befinden wir uns hier in der Schleuse."
S3 Labor - das ist ein Hochsicherheitslabor für den Umgang mit ansteckenden und gefährlichen Erregern. Die Virologin Daniela Niemeyer hat hier bis spät in die Nacht gearbeitet. Am nächsten Morgen trägt sie sich schon wieder ins Logbuch ein und legt die viele Schutzschichten an. Zwei Paar Einmalhandschuhe, Gummistiefel, einen wasserabweisenden Kittel, Einmalärmelschoner.
"Dann kommt die Respiratorhaube." Ganz schön schwer. "Das werden wahrscheinlich so ein zwei Kilo. Dann setzt man den Schlauch auf den Filter jetzt starten wir das Gerät. Als nächstes kann ich mir die Haube dann auf den Kopf setzen."
Die ist beengend, liefert aber garantiert Viren-freie Luft. Der Schutz der Forscherin hat höchste Priorität. Im S3 Labor wird mit dem Virus nur in Sterilbänken gearbeitet, alle Flaschen und Gefäße sind aus bruchsicherem Plastik. Und Unterdruck und eine große Filteranlage stellen sicher, dass keine Coronaviren in die Umgebung gelangen können. Wer hier forschen will, braucht ein langes Sicherheitstraining. Für Besucher kein Zutritt.
"Eine stärker übertragbare Krankheit"
Also zurück ins Büro. Hier erzählt Daniela Niemeyer von der Isolierung des neuen Corona Virus. Vor ein paar Tagen sind Proben der ersten bayrischen Patienten per Expressbote nach Berlin gekommen: "Humane Lungenzellen zum Beispiel haben wir infiziert und am ersten Tag fragt man sich noch so ein bisschen: Sieht man was oder sieht man nichts? Aber am zweiten Tag wird es schon sehr deutlich, dass sehr viele Zellen schon im Medium schwimmen und das sind die toten Zellen. Am dritten Tag habe ich dann ganz, ganz deutlich gesehen, dass dann dieser Zellrasen also diese gleichmäßige Oberfläche Löcher aufgewiesen hat.
Konzeptionelle Darstellung einer Virusinfektion der Lunge mit einem Mers Coronavirus 
Lungenkrankheit Covid-19: Wie gefährlich ist das Coronavirus?
Die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten in China ist weiter angestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation hat Ende Januar den "internationalen Gesundheitsnotstand" ausgerufen. In Deutschland wurden inzwischen über 15 Fälle von Infizierten bestätigt.
"Das war erstaunlich und besorgniserregend einfach. Es ist sofort gelungen, dieses Virus zu isolieren, selbst aus dem oberen Atemwegstrakt, also aus dem Rachen. Und das ist ungewöhnlich für solche Viren. Und das sagt uns, dass wir hier mit Vorsicht die ganze Sache betrachten müssen. Denn wenn im Rachen so viel Virus ist, dann müssen wir schon davon ausgehen, dass das eine stärker übertragbare Krankheit ist."
Christian Drosten ist der Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité. Dort und am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München wurden inzwischen mehr als 30 Versionen des neuen Corona Virus isoliert: "Ja, das Virus ist eigentlich der Schlüssel zur Beforschung dieser Erkrankung."
Aber zu seiner eigenen Forschung kommt Christian Drosten kaum noch. Sein Institut ist derzeit vor allem auch Wissenschaftsdienstleister: "Jedes Viruslabor soll die Möglichkeit haben, an diesem Virus zu forschen. Da bereiten wir uns gerade auf eine größere Verschickungsaktion vor. Das ist ein erheblicher Aufwand."
Die Viren müssen vermehrt, standardisiert und sicher verpackt werden. Von außen sehen die Pakete aus wie normale Styroporkühlboxen. Innen umhüllen mehrere Verpackungen den halben Milliliter hochinfektöse Virenlösung.
Labore sollen schnell Fortschritte erzielen
Christian Drosten: "Nur so von der Vorstellung: da kann schon ein Lkw drüber fahren, ohne dass der Inhalt dann auf der Straße landet."
Die Pakte müssen dann mit den richtigen Formularen und Zollerklärungen versehen werden. Arbeit für Logistikexperten, die es am Berliner Institut eigentlich nicht gibt. Da heißt es improvisieren, es soll schnell gehen.
"Wir statten - natürlich will man das so sehen - unsere Konkurrenten mit essenziellen Vorsprüngen aus, die wir uns eigentlich selber sichern müssten, im normalen wissenschaftlichen Wettbewerb. Ich habe aber das Gefühl, dass wir in dieser jetzigen Situation diesen Wettbewerb einfach mal über Bord schmeißen müssen."
Möglichst viele Labore sollen forschen, um schnell Fortschritte zu erzielen. Es geht um Tiermodelle zur Prüfung von Medikamenten und Impfstoffen. Um neue Diagnostikmethoden, die zurückliegende Infektionen nachweisen. Aber auch scheinbar banale Fragen müssen geklärt werden: Wie lange bleibt das Virus infektiös? Welche Desinfektionsmittel wirken? Christian Drosten selbst will herausfinden, wie das Virus die Abwehrmechanismen der Zelle umgeht. Letztlich kann ein genaues Portrait des neuen Coronavirus 2019 helfen, die künftige Dynamik der Epidemie oder Pandemie besser vorherzusagen. Dafür sind auch die Experimente von Daniela Niemeyer wichtig. Ihre jungen Arbeitsgruppe untersucht verschiedene Infektionswege.
Daniela Niemeyer: "Wir haben schon erste Hinweise, dass Genom-Kopien im Stuhl sind, im Sputum und in den Rachenabstrichen. Und diese Proben habe ich jetzt im Sicherheitslabor und untersuche ob die infektiös sind." Erste Ergebnisse sollen am Samstag kommen am Samstag.
Aber nur wenn sie weiter Nachtschichten unter der Respiratorhaube einlegt. Daniela Niemeyer: "So jetzt bin ich fertig und kann ins S3 Labor reingehen."