Das Covid-19-Medikament Paxlovid gilt als jüngster Hoffnungsträger im Kampf gegen die Pandemie. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat dem Präparat des US-Pharmakonzerns Pfizer am 22. Dezember 2021 eine Notfallzulassung erteilt, die europäische Arzneimittelbehörde EMA erteilte der Tablette am 27. Januar 2022 eine Zulassung. Nun muss die EU-Kommission der Zulassung noch zustimmen, das aber gilt als Formsache.
"Das Sicherheitsprofil von Paxlovid war günstig und Nebenwirkungen im allgemeinen milde", stellten die EMA-Experten fest. "Auf der Grundlage von Laborstudien wird erwartet, dass es auch gegen Omikron und andere Varianten wirkt." Unklar ist noch, wann das Mittel auf Rezept bei der Apotheke zu kaufen ist. Nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wurden eine Million Packungen Paxlovid geordert.
Vorangegangen war bei der EMA die Prüfung im beschleunigten Rolling-Review-Verfahren. Dabei werden die Ergebnisse der klinischen Studien der Behörde zur Verfügung gestellt, sobald sie erhoben wurden – und nicht erst als Komplettpaket am Ende der Tests.
Mitte Dezember hatte sich die EMA bereits für den Einsatz von Paxlovid in Notfallsituationen ausgesprochen. Erwachsene Patienten, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben, konnten seitdem damit behandelt werden.
Das antivirale Medikament in Pillenform kann bei Risikopatienten ab zwölf Jahren eingesetzt werden. Laut Pfizer senkt es bei leichten bis mittelschweren Krankheitssymptomen die Gefahr einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um knapp 90 Prozent. US-Präsident Joe Biden versprach Pfizer staatliche Unterstützung, um die Produktion des Medikaments schnell hochzufahren.
Auch das antivirale Mittel Molnupiravir vom Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme erhielt kurz darauf die US-Notfallzulassung. Das in Europa unter dem Namen Lagevrio bekannte Medikament ist zur Behandlung von Covid-19-Erkrankungen mit leichten bis mittelschweren Symptomen gedacht und soll einen schweren Krankheitsverlauf verhindern. In Großbritannien wurde es als weltweit erste Tablette zur Behandlung von Covid-19 bereits im im November 2021 zugelassen. Auch in Dänemark ist es mittlerweile zugelassen.
- Welche Wirksamkeit haben die neuen Anti-Corona-Tabletten?
- Wie wirken die neuen Anti-Corona-Tabletten?
- Welche Vorteile bieten die neuen Anti-Corona-Tabletten?
- Welche Nachteile haben die Anti-Corona-Pillen?
- Wann ist mit einer Zulassung in der EU zu rechnen?
- Werden Impfungen nach der Zulassung der Anti-Corona-Pillen überflüssig?
Welche Wirksamkeit haben die neuen Anti-Corona-Tabletten?
Die Zahlen für Paxlovid sehen laut Pfizer vielversprechend aus: Werden Hochrisiko-Patienten drei Tage nach Beginn ihrer Symptome behandelt, kann Paxlovid das Risiko für eine Hospitalisierung oder einen tödlichen Ausgang um knapp 90 Prozent senken, verglichen mit einem Placebo, so der Pharmakonzern.
Den derzeitigen Ergebnissen zufolge ist Paxlovid wirksamer als das Medikament Molnupiravir/Lagevrio von Konkurrent Merck Sharp & Dohme. Letzteres hat beim Verhindern von Krankenhauseinweisungen und tödlichen Krankheitsverläufen eine Wirksamkeit von lediglich 30 Prozent. FDA-Vertreterin Patrizia Cavazzoni erklärte am 22.12.2021, Molnupiravir sei eine "zusätzliche Behandlungsoption", etwa wenn andere Medikamente nicht verfügbar oder aus medizinischen Gründen nicht angebracht seien.
Zugelassen wurde Molnupiravir in Großbritannien bereits für Menschen, die mindestens einen Risikofaktor für die Entwicklung eines schweren Krankheitsverlaufs aufweisen, darunter ein unterdrücktes Immunsystem, Übergewicht, hohes Alter, Diabetes und Herzerkrankungen. Die britische "Medicines and Healthcare products Regulatory Agency" (MHRA) empfiehlt, es innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der Symptome anzuwenden.
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Wie wirken die neuen Anti-Corona-Tabletten?
Paxlovid gehört zur Klasse der Protease-Hemmer. Der antivirale Wirkstoff in dem Medikament verhindert, dass sich das Virus im Körper vermehren kann, indem er ein Enzym blockiert, das SARS-CoV-2 zur Vermehrung benötigt. "Dieser Protease-Inhibitor bindet sehr genau im aktiven Zentrum der Protease, das ist ein früher Schritt im Vermehrungszyklus dieses Virus", erläuterte Peter Salzberger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, im Dlf. Im Resultat kann sich das Virus in der Zelle nicht vermehren und damit auch keine weiteren Zellen infizieren. "Die Viruslast wird dadurch sehr rasch reduziert", so Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg.
Paxlovid dürfte auch während der Omikron-Welle hochwirksam sein: Im biochemischen Experiment zumindest konnte der Wirkstoff die Omikron-Protease blockieren, erklärte Hans-Georg Kräusslich, der Leiter der Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg gegenüber dem Dlf.
Die Merck-Pille Molnupiravir hat einen anderen Wirkmechanismus, der darauf abzielt, bei der Virusreproduktion Fehler in dessen Gencode einzuschleusen. Durch diese Mutationen wird dem Virus die Fähigkeit zur weiteren Vermehrung genommen.
Da Molnupiravir und Paxlovid die Virusvermehrung an unterschiedlichen Stellen angreifen, könnte man beide Medikamente sogar möglicherweise kombinieren, so Infektiologe Salzberger. Denkbar wäre das etwa bei ganz schweren Verläufen.
Welche Vorteile bieten die neuen Anti-Corona-Tabletten?
Molnupiravir und Paxlovid werden in Pillenform verabreicht. Dies sei ein Riesenvorteil im Vergleich zu bisherigen Therapiemöglichkeiten, sagte Salzberger. Denn sowohl Remdesivir, das bislang einzige in der EU zugelassenen Medikament zur Behandlung von Covid-19, als auch monoklonale Antikörper, die zweite Möglichkeit bei schweren Verläufen, müssen intravenös gegeben werden.
"Und das kann zum Beispiel der Hausarzt nicht regelhaft in seiner Praxis erledigen", so Salzberger. "Die Applikation als Tablette ist natürlich viel, viel einfacher und viel leichter zu bewerkstelligen. Und natürlich auch überall auf der Welt."
Welche Nachteile haben die Anti-Corona-Pillen?
Sowohl Paxlovid als auch Molnupiravir müssen in den ersten drei bis fünf Tagen nach dem Auftreten erster Covid-Symptome eingenommen werden. Allerdings gehen die meisten Infizierten nicht zeitnah zum Arzt, sondern erst, wenn es ihnen richtig schlecht geht. Dann sei es aber möglicherweise schon zu spät für den Einsatz antiviraler Tabletten, so die Einschätzung von Salzberger. Paxlovid werde nicht helfen, einen Patienten zu retten, der schon auf der Intensivstation liegt.
Über mögliche Nebenwirkungen der Tabletten ist derzeit noch nichts bekannt. Pfizer teilte lediglich mit, dass die schweren Nebenwirkungen in der Behandlungsgruppe seltener waren als in der Placebo-Gruppe. Salzberger wertet dies als gutes Zeichen. Vor dem Einsatz von Paxlovid müsse jedoch geklärt werden, inwiefern sich die Protease-Hemmer mit anderen Medikamenten vertragen, vor allem solchen, die Patienten aufgrund von Vorerkrankungen einnehmen müssen.
Wann ist mit einer Zulassung von Molnupiravir in der EU zu rechnen?
Molnupiravir/Lagevrio wird noch von der EMA geprüft. Mitte November hatte die EU-Arzneimittelbehörde eine Empfehlung ausgesprochen, wonach das Medikament in Notfällen eingesetzt werden kann.
Das Bundesgesundheitsministerium erklärte am 23.12.2021, sich um eine rasche Beschaffung von Molnupiravir/Lagevrio und Paxlovid zu bemühen. Ein Ministeriumssprecher erklärte, man sei mit beiden Herstellern "in Verhandlung, um Kontingente für Deutschland zu sichern und zeitnah für die Versorgung zur Verfügung zu stellen".
Werden Impfungen nach der Zulassung der Anti-Corona-Pillen überflüssig?
Die neuen Covid-Medikamente von Pfizer und Merck seien nur ein weiteres Instrument zur Bewältigung der Pandemie, aber kein Ersatz für Impfungen, betonen Ärzte und auch die Vertreter der Pharmaunternehmen. Sich nicht impfen zu lassen, sei ein tragischer Fehler, sagte etwa Pfizer-Firmenchef Albert Bourla. "Das ist ein Medikament zur Behandlung für diejenigen, die krank werden." Wegen Anti-Covid-Tabletten auf eine Impfung zu verzichten, sei keine gute Option, meinte auch Salzberger. "Für Patienten auf der Intensivstation wird dieses Medikament nicht mehr einsetzbar sein."
Das Mainzer Unternehmen Biontech, das gemeinsam mit dem Partner Pfizer den erfolgreichen Covid-19-Impfstoff Comirnaty entwickelt hat, warnt davor, dass das Virus eventuell eine Resistenz gegen die Wirkstoffe in den Tabletten bilden könnte. "Wir wissen, dass einzelne Behandlungen mit Inhibitoren bei Viruserkrankungen oft zur Entwicklung von Resistenzen führen", sagt Vorstandschef Ugur Sahin. "Wir müssen abwarten und sehen, wie sie Impfstoffe ergänzen."
Quellen: Arndt Reuning, Dlf, dpa, afp, Reuters