Der schwindende Impfschutz und die dritte Dosis - die Studienlage ist derzeit noch ziemlich verworren. Wir fassen zusammen, was bisher zur Schutzwirkung der Corona-Impfung bekannt ist.
Moderna und Biontech/Pfizer haben die Personen aus den Zulassungsstudien weiterverfolgt. Beide Unternehmen melden, dass die Wirkung ihrer Impfstoffe sechs Monate nach der zweiten Impfung immer noch bei über 90 Prozent liegt (Mitteilung Biontech/Pfizer / Mitteilung Moderna). Das sind gute Nachrichten, denn es gab bereits Beobachtungen - allerdings nicht von Geimpften, sondern von infizierten Menschen - dass die Zahl der Antikörper im Blut besorgniserregend schnell sinkt. Die genauen Zahlen schwanken zwar, aber unter dem Strich kann man sagen, dass das Immunsystem bei eher milden Verläufen von Covid-19 auch nur leicht und für eine begrenzte Zeit aktiviert wurde.
Die Zahlen der Studie zu Reinfektionen in Dänemark ergeben, dass eine Infektion während der ersten Welle im Frühjahr 2020 das Ansteckungsrisiko bei jüngeren Menschen ein halbes Jahr später bei der zweiten Welle im Herbst um 80 Prozent gesenkt hat. Das ist noch immer ein guter Schutz. Dagegen konnte eine Infektion bei älteren Menschen über 65 Jahren das Risiko einer erneuten Infektion nur halbieren. Im Vergleich dazu scheinen die mRNA-Impfstoffe einen stabileren Schutz zu vermitteln. Das erklärt sich vielleicht auch dadurch, dass alle Impfstoffe eine deutlich stärkere Immunantwort auslösen als eine typische SARS-CoV-2 Infektion mit eher mildem Verlauf. Antikörper sind nur ein Element des Immunsystems, es gibt noch die Killerzellen, es gibt Gedächtniszellen, die bei einer erneuten Begegnung mit dem Virus die Abwehr schnell hochfahren.
Darauf gibt es laut dem Mikrobiologen Christian Bogdan, Mitglied der ständigen Impfkommission, aktuell noch keine Antwort, denn es ist noch zu früh: Die großen Impfkampagnen haben erst im Dezember begonnen. Bogdan empfiehlt abzuwarten, ob es tatsächlich zu einer größeren Zahl von Ansteckungen bei Geimpften kommt. Das wiederum hängt von vielen Faktoren ab: von der Stärke des Impfschutzes, aber auch von der Zahl der Viren, die in Umlauf sind und natürlich auch davon, ob sich tatsächlich Varianten ausbreiten, die die Abwehrkräfte unterlaufen können.
Bogdans Meinung nach ist es möglich, dass zwei Dosen ausreichen, um das Immunsystem auch auf längere Sicht auf SARS-CoV-2 vorzubereiten. Das reicht dann vielleicht nicht, um das Virus komplett aus dem Körper zu halten, aber die Abwehrkräfte könnten doch schnell genug anspringen, um einen problematischen Verlauf zu verhindern. Das wäre auf der Ebene des Einzelnen eine gute Nachricht. Auf der Ebene der Gesellschaft würde es allerdings bedeuten, dass sich eine Herdenimmunität kaum erreichen ließe und man weiter mit diesem Virus leben müsste.
Sind die Pläne von Israel, Großbritannien oder Bahrain für eine dritte Impfkampagne klug oder verfrüht?
Perspektivisch ist eine dritte Dosis wahrscheinlich notwendig. Man weiß zum Beispiel von den vorher verbreiteten Coronaviren, dass man sich im Abstand von Jahren auch mehrfach mit ihnen anstecken kann. Das führte bei den früheren Coronaviren dann allerdings nur zu einem Schnupfen - bei SARS-CoV-2 wäre es ein größeres Problem. Die Impfhersteller Moderna sowie Biontech/Pfizer sagen, es werde eine dritte Impfung benötigt - auch wegen der Varianten. Sie arbeiten bereits an den entsprechenden Impfstoffen. Perspektivisch gehen sie davon aus, dass man wie bei der Grippeimpfung eine jährliche Auffrischung braucht. Aber natürlich wollen die Unternehmen auch Impfstoff verkaufen.
Emer Cooke, Chefin der Europäischen Arzneimittelagentur, nimmt zwar ebenfalls an, dass eine Auffrischung nötig werden könnte - aber ob das wirklich schon nach einem Jahr sein muss, müsse man abwarten. Christian Bogdan von der STIKO gibt zu bedenken, dass in Deutschland noch nicht einmal alle Personen aus den Priorisierungsgruppen eins und zwei geimpft wurden. Zunächst solle man sich um die kümmern, die ein wirklich hohes Risiko haben, schwer zu erkranken, und erst dann über eine dritte Impfung nachdenken. Das gilt im Übrigen auch aus internationaler Perspektive. Impfkampagnen im globalen Süden können verhindern, dass dort viel Virus zirkuliert, und so vielleicht auch, das Varianten entstehen, die eine dritte Dosis erst nötig machen.