Lärm ist nicht anderes als Luft, die hin und her schwingt. Und wenn eine solche Schwingung auf eine Fensterscheibe trifft, dann bewegt sich diese Fensterscheibe ein wenig. In einem Doppelglas Fenster stößt das eine ganze Kettenreaktion winziger Bewegungen an. "Sie haben zwei Platten, sie drücken die eine Seite rein, die andere lassen Sie stehen. Das heißt, drin entsteht ein Druck. Und der erzeugt eine Kraft, das heißt, die äußere Scheibe wird sich auch bewegen", erklärt Oliver Heuss vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit.
Der Luftdruck zwischen den Scheiben ist also eine Art Verbindung, die Kräfte übertragen kann, oder eben Schall, der so durch das Fenster wandert. Oliver Heuss will das verhindern. "Wenn sie den Luftdruck rauslassen würden über ein Ventil, dann würde keine Kraft auf die Scheibe entstehen."
Lautsprecher aus Metallplatten
Nun handelt es bei Schall aber um Hunderte und Tausende Schwingungen in der Sekunde. Da kann man nicht einfach ein Ventil öffnen. Oliver Heuss hat mit einem Kollegen winzige Lautsprecher entwickelt, die den Schall zwischen den beiden Fensterscheiben auslöschen. Gemeinsam mit dem Glaszentrum Darmstadt haben die Forscher einen Prototyp gebaut, um die Idee zu testen.
Ein Beispiel zum Hören: So klingt es zwischen den Scheiben, wenn eine Lärmquelle vor dem Fenster steht. (Lärm) Und jetzt wird der Lautsprecher zwischen den Scheiben aktiviert, um den Lärm auszulöschen. (Lärm wird leiser) Dabei kommen keine normalen Lautsprecher zum Einsatz.
"Lautsprecher ... Normalerweise ist eine Spule um einen Magnetkern gewickelt und das ist relativ schwer und auch relativ groß. Ein klassisches Doppelglasfenster wie bei Ihnen zuhause hat 1,6 bis zwei Zentimeter Scheibenabstand. Man muss irgendwas Kleines da integrieren und trotzdem noch genug akustische Leistung reinbringen."
Dafür haben die Forscher eine neue Art von Lautsprechern konstruiert. Sie bestehen aus mehreren dünnen Metallplatten, zwischen denen sich Gummischichten befinden. Wenn man eine elektrische Spannung an die Platten anlegt, ziehen sie sich zusammen. Macht man das besonders schnell, erzeugen sie Schall.
Weil diese Lautsprecher so klein sind, passen sie in den Rahmen handelsüblicher Fenster. Bei dem Prototyp sind sie noch deutlich zu sehen. In einem fertigen Produkt könnte man sie in die typischen metallischen Abstandhalter zwischen den Scheiben integrieren. Bei bisherigen Versuchen dieser Art, brauchte man sehr dicke Fenster oder musste sichtbare Elemente auf die Scheiben kleben.
Hersteller werden noch gesucht
"Im Moment haben wir Anfragen von Fensterherstellern. Wir bräuchten Partner, die sagen: Wir wollen das System aufgreifen und umsetzen in ein Produkt."
Doch das ist gar nicht so einfach. Zum einen funktionieren Doppelglasfenster jetzt schon recht gut. Nur bei bestimmten Tonhöhen versagen sie. Das System wäre zunächst also eher etwas für Räume mit hohen Anforderungen wie Tonstudios. Denkbar wäre auch, Besprechungsräume dank der Technologie abhörsicher zu machen. Ein Nischenmarkt. Und zum anderen müssten die Fensterhersteller bei der Produktion umdenken und Elektronik in den sonst mechanischen Fensterrahmen verbauen.
Es ist also nicht sicher, ob sich diese Technologie tatsächlich durchsetzen wird. Doch die neuartigen, flachen Lautsprecher könnten auch an anderen Stellen Anwendung finden. Ein Beispiel:
"Prinzipiell ist diese Thematik interessant für flächige Elemente. Stellen Sie sich vor: Man würde in einem Fahrzeug nicht mehr konventionelle Spulenlautsprecher in die Türen setzen, die insgesamt einige Kilo haben, sondern man nimmt die Innenwand selbst als Lautsprecher."
Das wäre mit den flachen Lautsprechern aus Metall- und Gummischichten möglich. Und so zeigt sich, wie ein Forschungsprojekt Ideen liefern kann, die mit dem ursprünglichen Ziel gar nicht mehr so viel zu tun haben.