Norbert Denef am Strand von Scharbeutz. Jeden Tag geht er an die Ostsee, die frische Luft gibt ihm neue Kraft. 63 Jahre ist er alt. Vor über fünfzig Jahren erlebte er sexuelle Gewalt - als Messdiener wurde er über Jahre von einem katholischen Priester sexuell misshandelt:
"Das ist das, was man erlebt hat. Das prägt einen. Und das ist auch nicht wiedergutzumachen. Das ist nicht wiederherzustellen, das ist kaputt. Um in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen – das fällt mir sehr schwer. Da schlüpft man wieder in die Rolle rein, das kriege ich nicht über die Lippen. Ich kann Hilfsmöglichkeiten einsetzen. Ich kann aufgrund meiner Erfahrungen über den Jungen berichten, ich kann diese Geschichte erzählen, weil ich die ja am besten kenne. Und da kann ich einen Spiegel vorhalten, da kann ich sagen: Gesellschaft, guck mal, so ist das."
Doch was ihm passiert ist, dafür kann er niemanden mehr zur Rechenschaft ziehen. Sexueller Missbrauch verjährt in Deutschland üblicherweise nach drei bis 30 Jahren – je nach Schwere der Tat. Norbert Denef will das nicht akzeptieren. Er kämpft schon lange gegen die Verjährungsfristen. 25.000 Unterschriften hatte er schon einmal gesammelt und eine Petition beim Bundestag eingereicht, doch sie war erfolglos. Und auch seine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde abgelehnt. Der Blick aufs Meer hilft ihm, solche Rückschläge zu verarbeiten.
"Hier kann ich Kraft tanken, hier kriege ich auch neue Ideen, auch, wenn es mal nicht mehr weitergeht, wenn da so eine Ablehnung kommt vom Europäischen Gerichtshof, das muss man ja erstmal schlucken. Wo ich sechs Jahre lang gekämpft habe, diese Tausenden von Unterschriften! Und da kommt eine Richterin und lehnt das ab. Oder der Bundestag bewegt sich nicht, die Politiker bewegen sich nicht, es passiert einfach nichts. Die lassen einen im Regen stehen, hier kann ich Kraft schöpfen, um weiter zu machen."
Seit April 2010 gibt es den Runden Tisch Sexueller Kindesmissbrauch. In der kommenden Woche sollte eigentlich Bilanz gezogen werden – doch die Bundesregierung hat den Termin verschoben. Immerhin sollen die Verjährungsfristen im Zivilrecht verlängert werden. Doch Norbert Denef reicht das nicht. Das sei nur ein Placebo für die Betroffenen:
"Damit können sie gar nichts anfangen, völliger Unsinn ist das. Damit versucht man, die Gesellschaft zu beruhigen. Schaut mal, wir tun was, und jetzt gebt wieder Ruhe."
Norbert Denef will, dass die strafrechtlichen Verjährungsfristen abgeschafft werden. Bei strafrechtlichen Ermittlungen hat ein Staatsanwalt wesentlich mehr Möglichkeiten, den mutmaßlichen Täter zu überführen, als der Verteidiger des Opfers in einem zivilrechtlichen Verfahren. Denef bekommt Rückendeckung vom schleswig-holsteinischen SPD-Chef Ralf Stegner.
"Mir scheint, dass die Unterschiede zwischen Zivil- und Strafrecht willkürlich sind und dass es nicht sinnvoll ist, da zu unterscheiden. In allererster Linie geht es darum, dass die Täter verfolgt werden, da muss man im Strafrecht was tun."
Stegner ist zwar nicht für die komplette Aufhebung der Fristen so wie Denef, trotzdem hatte der SPD-Politiker erst vor zwei Wochen in Berlin die knapp 65.000 Unterschriften entgegengenommen, die Norbert Denef erneut gemeinsam mit der Betroffenenorganisation netzwerkB für die Aufhebung der Verjährungsfristen gesammelt hat. Bundestagspräsident Norbert Lammert und auch der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatten die Unterschriften zunächst abgelehnt.
"Ich finde, wenn jemand so viele Unterschriften gesammelt hat, für etwas, was ja nicht im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit steht, dass es sich dann auch gehört, dass man das nicht nur entgegennimmt, sondern ich werde das weiterleiten an eine Kollegin aus dem Petitionsausschuss. Insofern gehört es sich für mich dann auch, dass man das auch tut."
Denef hatte die Unterschriften im vergangenen Sommer gesammelt – während eines mehr als 40-tägigen Hungerstreiks. Nur Saft und Brühe gab es in der Zeit:
"Es hat nichts mit Wut und mit Hass und auch nichts mit Erpressung zu tun. Nur was mit dem Spiegel vorhalten."
Er habe mit seinem Streik Druck machen wollen auf die Politik, sagt Denef. Doch, wenn er heute an die Zeit zurückdenkt, war das nicht das Wichtigste:
"Es war die wichtigste Zeit in meinem Leben. Und teilweise auch die schönste Zeit. Weil mein Kopf so frei wurde und ich noch mehr Gefühl kriegte für die Lügen, für die Ungerechtigkeit."
Viele Rechtsexperten lehnen die Abschaffung der Verjährungsfristen ab – weil die Rechtssystematik verschoben werde und es keinen Rechtsfrieden mehr gäbe. Denef lässt dieses Argument nicht gelten:
"Das ist eine rein politische Entscheidung: Will ich das oder nicht?"
Die schwarz-gelbe Bundesregierung will jedenfalls keine Abschaffung der Verjährungsfristen im Strafrecht. Und wann es zu einer Verlängerung der Fristen im Zivilrecht kommt, sei noch unklar, so eine Sprecherin des Justizministeriums. Doch auch, wenn die Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexueller Gewalt auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wird, Norbert Denef kämpft weiter:
"Wenn man die Ungerechtigkeit spürt und fühlt und nichts dagegen unternimmt, da ist man doch noch hilfloser. Und wenn etwas ungerecht ist, dann muss man sich dafür einsetzen. Und etwas dagegen tun."
"Das ist das, was man erlebt hat. Das prägt einen. Und das ist auch nicht wiedergutzumachen. Das ist nicht wiederherzustellen, das ist kaputt. Um in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen – das fällt mir sehr schwer. Da schlüpft man wieder in die Rolle rein, das kriege ich nicht über die Lippen. Ich kann Hilfsmöglichkeiten einsetzen. Ich kann aufgrund meiner Erfahrungen über den Jungen berichten, ich kann diese Geschichte erzählen, weil ich die ja am besten kenne. Und da kann ich einen Spiegel vorhalten, da kann ich sagen: Gesellschaft, guck mal, so ist das."
Doch was ihm passiert ist, dafür kann er niemanden mehr zur Rechenschaft ziehen. Sexueller Missbrauch verjährt in Deutschland üblicherweise nach drei bis 30 Jahren – je nach Schwere der Tat. Norbert Denef will das nicht akzeptieren. Er kämpft schon lange gegen die Verjährungsfristen. 25.000 Unterschriften hatte er schon einmal gesammelt und eine Petition beim Bundestag eingereicht, doch sie war erfolglos. Und auch seine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde abgelehnt. Der Blick aufs Meer hilft ihm, solche Rückschläge zu verarbeiten.
"Hier kann ich Kraft tanken, hier kriege ich auch neue Ideen, auch, wenn es mal nicht mehr weitergeht, wenn da so eine Ablehnung kommt vom Europäischen Gerichtshof, das muss man ja erstmal schlucken. Wo ich sechs Jahre lang gekämpft habe, diese Tausenden von Unterschriften! Und da kommt eine Richterin und lehnt das ab. Oder der Bundestag bewegt sich nicht, die Politiker bewegen sich nicht, es passiert einfach nichts. Die lassen einen im Regen stehen, hier kann ich Kraft schöpfen, um weiter zu machen."
Seit April 2010 gibt es den Runden Tisch Sexueller Kindesmissbrauch. In der kommenden Woche sollte eigentlich Bilanz gezogen werden – doch die Bundesregierung hat den Termin verschoben. Immerhin sollen die Verjährungsfristen im Zivilrecht verlängert werden. Doch Norbert Denef reicht das nicht. Das sei nur ein Placebo für die Betroffenen:
"Damit können sie gar nichts anfangen, völliger Unsinn ist das. Damit versucht man, die Gesellschaft zu beruhigen. Schaut mal, wir tun was, und jetzt gebt wieder Ruhe."
Norbert Denef will, dass die strafrechtlichen Verjährungsfristen abgeschafft werden. Bei strafrechtlichen Ermittlungen hat ein Staatsanwalt wesentlich mehr Möglichkeiten, den mutmaßlichen Täter zu überführen, als der Verteidiger des Opfers in einem zivilrechtlichen Verfahren. Denef bekommt Rückendeckung vom schleswig-holsteinischen SPD-Chef Ralf Stegner.
"Mir scheint, dass die Unterschiede zwischen Zivil- und Strafrecht willkürlich sind und dass es nicht sinnvoll ist, da zu unterscheiden. In allererster Linie geht es darum, dass die Täter verfolgt werden, da muss man im Strafrecht was tun."
Stegner ist zwar nicht für die komplette Aufhebung der Fristen so wie Denef, trotzdem hatte der SPD-Politiker erst vor zwei Wochen in Berlin die knapp 65.000 Unterschriften entgegengenommen, die Norbert Denef erneut gemeinsam mit der Betroffenenorganisation netzwerkB für die Aufhebung der Verjährungsfristen gesammelt hat. Bundestagspräsident Norbert Lammert und auch der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatten die Unterschriften zunächst abgelehnt.
"Ich finde, wenn jemand so viele Unterschriften gesammelt hat, für etwas, was ja nicht im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit steht, dass es sich dann auch gehört, dass man das nicht nur entgegennimmt, sondern ich werde das weiterleiten an eine Kollegin aus dem Petitionsausschuss. Insofern gehört es sich für mich dann auch, dass man das auch tut."
Denef hatte die Unterschriften im vergangenen Sommer gesammelt – während eines mehr als 40-tägigen Hungerstreiks. Nur Saft und Brühe gab es in der Zeit:
"Es hat nichts mit Wut und mit Hass und auch nichts mit Erpressung zu tun. Nur was mit dem Spiegel vorhalten."
Er habe mit seinem Streik Druck machen wollen auf die Politik, sagt Denef. Doch, wenn er heute an die Zeit zurückdenkt, war das nicht das Wichtigste:
"Es war die wichtigste Zeit in meinem Leben. Und teilweise auch die schönste Zeit. Weil mein Kopf so frei wurde und ich noch mehr Gefühl kriegte für die Lügen, für die Ungerechtigkeit."
Viele Rechtsexperten lehnen die Abschaffung der Verjährungsfristen ab – weil die Rechtssystematik verschoben werde und es keinen Rechtsfrieden mehr gäbe. Denef lässt dieses Argument nicht gelten:
"Das ist eine rein politische Entscheidung: Will ich das oder nicht?"
Die schwarz-gelbe Bundesregierung will jedenfalls keine Abschaffung der Verjährungsfristen im Strafrecht. Und wann es zu einer Verlängerung der Fristen im Zivilrecht kommt, sei noch unklar, so eine Sprecherin des Justizministeriums. Doch auch, wenn die Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexueller Gewalt auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wird, Norbert Denef kämpft weiter:
"Wenn man die Ungerechtigkeit spürt und fühlt und nichts dagegen unternimmt, da ist man doch noch hilfloser. Und wenn etwas ungerecht ist, dann muss man sich dafür einsetzen. Und etwas dagegen tun."