Archiv

Kampf gegen Dieselabgase
Kiel setzt auf Luftstaubsauger

Frische Ostseeluft hin oder her: Auch Kiel kämpft mit der Stickoxidbelastung durch den Straßenverkehr. Seit Monaten sucht man im Rathaus nach Wegen, Fahrverbote zu verhindern. Eine Maßnahme soll eine neue Absauganlage sein, die direkt an der Straße aufgestellt wird und die Luft filtert.

Von Johannes Kulms |
    Blick über den Hafen auf den Fernsehturm von Kiel
    Kiel ist die einzige deutsche Landeshauptstadt am Meer, dennoch gehört sie zu den am meisten mit Stickoxid belasteten Städten der Republik (picture alliance / Peter Zimmermann/dpa-Zentralbild/ZB)
    Am Theodor-Heuss-Ring beißt sich an diesem Vormittag mal wieder die Katze in den Schwanz. Auf der Kieler Stadtautobahn geht es nur noch im Schritttempo voran. Und jetzt taucht auf dem Bürgersteig auch noch das dunkelbraune Elektrolastenfahrrad eines berühmten amerikanischen Paketzustellers auf.
    Eigentlich sollen die Fahrzeuge dabei helfen, Sendungen umweltfreundlicher in der Stadt zu verteilen. Doch auch der Paketzusteller kommt nicht weiter, denn ein paar Meter weiter vor ihm ist der Bürgersteig versperrt: Von einer großen weißen Box. Und einer ganzen Heerschar von Journalisten...
    "Das ist sicherlich ein zusätzlicher kleiner Stein der Weisen, den wir entwickelt haben."
    Robert Krüger ist Geschäftsführer eines Schleswig-Holsteinischen Unternehmens. Und verantwortlich für den etwa 5 Meter langen und 2,50 Meter hohen Prototypen, der hier erstmals an diesem Vormittag aufgestellt wird.
    "Ja, das funktioniert im Grunde genommen ganz einfach. Wir saugen Luft hier in diesen hochfrequentierten und Schadstoffüberladenen Bereich ein und führen ihn durch zwei Filterebenen gereinigt wieder nach außen."
    60 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter
    Kiel hat ein großes Stickoxidproblem. Laut Umweltbundesamt wurden nur in München und Stuttgart noch höhere Werte gemessen. In Kiel waren es im vergangenen Jahr 60 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Die EU setzt als Grenze 40 Mikrogramm an. Allerdings trete das Stickoxid-Problem in Kiel anders als in vielen Großstädten sehr punktuell auf, so das Umweltbundesamt.
    Der Theodor-Heuss-Ring ist die zentrale Ost-West-Achse der Stadt. Die neue Absauganlage soll nach Herstellerangaben die Stickoxidbelastung um etwa 10 Prozent reduzieren. Dafür wären allerdings sechs Geräte nötig. Nun ist erstmals nur eines da und auch bei diesem wird zunächst erst mal getestet, wie laut die Box ist und wie Auswirkungen auf den vorbeifließenden Verkehr sind. In den nächsten Wochen soll der Prototyp auch noch in weiteren Städten aufgestellt werden. Doch der eigentliche Praxistest in Kiel kommt erst in zwei Monaten.
    Auch Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer ist zu dem Termin an den Theodor-Heuss-Ring angereist. Mit dem Fahrrad.
    "Wir haben hier ja nur eine einzige Messstelle, die über dem Grenzwert ist. Das unterscheidet uns ja zum Beispiel von München und Stuttgart. Und deswegen kann man überhaupt auf die Idee kommen, sag ich mal, an einem Punkt, den man eben hat, auch über Luftreinigung nachzudenken."
    Kritik und Spott für kreative Vorschläge
    Seit Monaten liefern sich die Stadt Kiel und das Schleswig-Holsteinische Umweltministerium einen Eiertanz um die Lösung des Stickoxidproblems. Fahrverbote sollen unbedingt vermieden werden, doch es scheint so, als sei Kiels Bürgermeister Ulf Kämpfer der Mann der kreativeren Vorschläge.
    Zumindest hat der Sozialdemokrat neben einem strengeren Tempolimit angeregt, auf dem Theodor-Heuss-Ring eine Spur je Richtung für Dieselfahrzeuge zu sperren um so zumindest ein paar Meter Abstand zur Messstation zu gewinnen. Und jetzt eben die Tests mit der Absauganlage. Wir müssen improvisieren, sagt Kämpfer. Er ist sicher, dass die eigentlich Verantwortlichen woanders sitzen. Die Bundesregierung müsse der Automobilindustrie mehr Dampf machen. Und er mache als Stadtoberhaupt eben Vorschläge.
    "Da hab‘ ich auch Kritik und Spott geerntet, das wird auch heute nicht anders sein. Aber das nehme ich gerne in Kauf, wenn wir dadurch am Ende die Balance zwischen Gesundheitsschutz hier und in der Stadt im übrigen so gut hinbekommen, dass wir weitreichende Dieselfahrverbote vermeiden können."
    Ein paar Meter von Kämpfer haben sich Vertreter des Verkehrs-Clubs Deutschland und des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs aufgestellt. Mit weißen Overalls und Staubsaugern wollen sie zeigen, dass sich die Stadt Kiel gerade lächerlich macht und stattdessen für eine echte Verkehrswende eintreten.
    Auch das Umweltbundesamt sieht Absauganlagen wie die in Kiel nicht als Lösung für das Stickoxidproblem vieler deutscher Großstädte. Maßnahmen direkt am Auspuff seien deutlich wirksamer als an der Außenluft, so das UBA.
    Eine junge Anwohnerin des Theodor-Heuss-Rings hofft dagegen auf Besserung durch die Anlage. Vor drei Jahren zog sie mit ihrer Familie in eines der Häuser, das direkt an die Fahrbahn grenzt:
    "Die Luft nicht gesund. Mein Mann hat auch Allergie wegen dieses Verkehrs. Ich glaube, dass es besser wird."