Der Ökologe Jean-François Bastin sitzt in der Technischen Hochschule ETH Zürich vor seinem Computer und erklärt eine Landkarte auf dem Bildschirm. Auf der Karte sind die Flächen mit unterschiedlich grünen Schattierungen angezeigt - ganz ähnlich wie bei einer Karte, mit der beim Wetterbericht die Temperaturen dargestellt werden, nur viel detaillierter:
"Also hier sehen sie lauter farbige Pixel - von weiß bis grün. Das stellt die Dichte des Baumbestands dar. Wenn es also hier etwas heller ist, bedeutet das, dass Sie hier die Anzahl der Bäume ein wenig erhöhen könnten, um zehn oder zwanzig Prozent."
Die Karte ist das Ergebnis einer Studie, die nun im renommierten Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht wurde. Der 33-jährige Belgier Jean-François Bastin ist einer der Autoren. Grundlage ist, was jeder im Biologieunterricht lernt. Bäume nehmen Wasser und das für den Klimawandel verantwortliche Kohlendioxid auf und wandeln es in der Photosynthese in Zucker und Sauerstoff um.
"Wir können etwas weniger als eine Milliarde Hektar bepflanzen"
In ihrer Studie haben die Forscher nun genau berechnet, welche Flächen weltweit im Kampf gegen den Klimawandel für die Aufforstung zur Verfügung stehen würden. Jean-François Bastin:
"Wir können etwas weniger als eine Milliarde Hektar bepflanzen, das entspricht etwa der Fläche der USA und würde etwa 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden. Das ist etwa ein Viertel von dem, was wir heute in der Atmosphäre haben."
Gemeinsam mit den derzeit rund um den Globus existierenden Waldflächen von 2,8 Milliarden Hektar bestünde das Potential, zwei Drittel der von Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen aufzunehmen. Durch Aufforstung könne man das vom Weltklimarat beschlossene Ziel erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bäume pflanzen sei damit das wirksamste Mittel im Kampf gegen den Klimawandel, so Jean-François Bastin:
"In Sachen negativer Emissionen, also des Abbaus von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, ist das wirklich die unglaublichste Waffe, die wir in unseren Händen halten, und es ist eine Technologie, die für jedermann zugänglich ist, aber natürlich können wir dennoch nicht einfach weiterhin fossile Brennstoffe so verwenden und uns so ernähren, wie wir es bislang tun. Wir müssen die Art und Weise, wie wir leben, in Frage stellen."
Potentiale in flächenreichen Länder
Das größte Potential zur zusätzlichen Bewaldung haben der Studie zu Folge die flächenreichen Länder Russland, Kanada, die USA, Brasilien, Australien und China. Bei ihren Berechnungen haben die Forscher nicht einfach die Landkarten genommen. Sie haben verschiedenste topografische Merkmale - wie Steigungen - berücksichtigt, erklärt der Ökologe Jean-François Bastin und:
"Wir haben eine quantitative Bewertung durchgeführt. Und das erstmals weltweit. Für unsere Berechnung der potenziellen Flächen haben wir natürlich bestehende Waldgebiete abgezogen, aber auch Gebiete, in denen wir Ackerland haben, denn wir wollen keine Konkurrenz zur Produktion von Lebensmitten. Und dann haben wir natürlich auch Städte ausgelassen."
Bei der Aufforstung im Kampf gegen den Klimawandel müsse man jedoch schnell vorgehen, sagt Jean-François Bastin, denn es dauere Jahrzehnte, bis die Wälder ihr volles Potential als CO2-Speicher entwickelt haben.