Friedbert Meurer: Auf den ersten Blick ist es eine militärische Auseinandersetzung, deren Ausgang feststehen könnte. Der "Islamische Staat" will einen mittelalterlichen Gottesstaat etablieren und bekommt es jetzt mit der geballten Feuerkraft der USA samt Verbündeter zu tun. Die Geschichte gerade der USA lehrt aber, technologische Übermacht setzt sich nicht immer am Ende durch. Aber die Offensive läuft ja gerade erst an.
"Der Albtraum von IS oder ISIS ist eine Frau als gegnerische Kampfpilotin." Eine Frau! So lautet heute Morgen die Schlagzeile des US-Fernsehsenders CNN über Mariam al-Mansouri. Sie ist Majorin der Luftwaffe der Vereinigten Emirate und soll diese Woche ihren ersten Einsatz auf Ziele gegen den Islamischen Staat geflogen haben. Das entspricht nicht den Vorstellungen des IS über die Rolle der Frau. Reicht aber die Übermacht aus der Luft, um den IS in die Knie zu zwingen? In den USA wachsen die Zweifel, dass am Ende vielleicht doch Bodentruppen geschickt werden müssen.
Der Krieg gegen die Terrormiliz IS ist geeignet, manche alten Gegensätze und Feindschaften zu überbrücken. In der Phalanx steht zum Beispiel auf einmal die kurdische PKK und als Bündnispartner kommt auch der Iran ins Gespräch, lange Jahre der große Todfeind der USA oder umgekehrt. - Katajun Amirpur ist deutsch-iranische Islam-Wissenschaftlerin, Professorin an der Uni Hamburg. Guten Tag, Frau Amirpur.
Katajun Amirpur: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Unser Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, lobt den Iran. Was genau tut Teheran bisher gegen den islamischen Staat Ihrer Kenntnis nach?
Amirpur: Was ja inzwischen erforscht und verbrieft ist, ist, dass ein sehr hoher General der Iraner, Soleimani, der sehr bekannt, gefürchtet, berüchtigt ist, im Irak mitkämpft, dass er dort die Milizen instruiert, und es sagen sowohl Iraner inoffiziell, als auch im Irak kann man das hören, wenn er nicht gewesen wäre, wenn seine Truppen nicht gewesen wären, dann wäre Amerli (Stadt im Distrikt Tuz Khurmatu, Anm. d. Red.) gefallen - und dann wäre wohl auch Bagdad gefallen. Diese Tatsache ist inzwischen verbrieft. Es gibt sogar ein YouTube-Video, wo man ihn tanzen sieht über diesen Sieg in Amerli, und das geben inzwischen einige Stellen zu, dass das geschieht, dass Iraner wirklich aktiv dort mitkämpfen und vor allem aber auch die schiitischen Milizen instruieren und anweisen.
Meurer: Ist das in der Hauptsache eine religiöse Sache, "Islamischer Staat" gleich Sunniten gegen die Schiiten in Teheran?
Amirpur: Nein, nicht nur. Aber es hat natürlich auch einen religiösen Hintergrund. Die Islamische Republik Iran sieht ISIS natürlich, den sogenannten Islamischen Staat, als eine ganz große Gefahr. Zum einen hat ISIS ja angekündigt, dass es vor allem auch darum geht, die heiligen schiitischen Stätten im Irak dem Boden gleich zu machen, Nadschaf und Karbala. Das sind nach Mekka für die schiitischen Muslime Irans die wichtigsten Anlaufstellen, die wichtigsten heiligen Stätten. Das möchte man auch auf jeden Fall im Iran verhindern. Das ist nicht nur eine Sache der Schiiten im Irak, die davor sehr große Sorge haben.
Und zum anderen denkt man sich natürlich auch, wenn ISIS weiter erstarken könnte, dass dann der nächste große Feind die Islamische Republik Iran ist, und das hat durchaus ideologische Gründe. Wir haben hier nun gehört in der Vergangenheit, dass man vor allem auch Christen verfolgt, Jesiden verfolgt hat, aber die größte ideologische Feindschaft besteht tatsächlich zu Schiiten, die man nicht mal als Muslime zählt und die man genauso wie die Jesiden auch im Irak schon selbst getötet hat, sobald man ihrer habhaft wurde.
"Wandel durch Annäherung"
Meurer: Können Sie sich vorstellen, Frau Amirpur, dass es jetzt eine Allianz zwischen USA und Iran gibt, oder haben wir die schon?
Amirpur: Ich glaube, wir haben die schon. Zum einen - da gibt es ja auch immer mehr Berichte drüber, dass diese Zusammenarbeit schon jetzt ganz gut funktioniert, dass die von Iranern kontrollierten Schiiten-Milizen Angriffspläne an die formell kommandieren Iraker weitergegeben haben, und diese haben dann die Amerikaner unterrichtet und die Amerikaner bombardierten. Ich glaube, auf den allerhöchsten Kommando-Ebenen ist man sich da schon sehr, sehr stark darüber im Klaren, dass es da eine Zusammenarbeit geben muss, und sie passiert auch schon tatsächlich.
Meurer: Wir haben im Iran nach der letzten Wahl einen Reformpräsidenten, Hassan Rohani. Wenn es jetzt da eine gemeinsame Achse Washington-Teheran gegen diesen Gottesstaat Islamischer Staat gibt, ist das eine rundum gute Sache?
Amirpur: Nun, es kann längerfristig dazu führen, dass so etwas wie Wandel durch Annäherung geschieht. Ich glaube, in Iran ist man sich darüber im Klaren, dass man es sich nicht mehr länger leisten kann, sich mit der einzig verbliebenen Weltmacht zu befehden, dass tatsächlich eine Annäherung an die USA stattfinden muss nach all den vielen Jahren, wo es das nicht gab. Und auch in den USA ist man sich klar darüber, dass man Iran als strategischen Partner braucht. Und wenn es zu einer Annäherung kommt, dann kommt es auch, denke ich, zu einer Öffnung. Dann kommt es vermutlich auch zu einer größeren Liberalisierung im Inneren und dann könnte sich tatsächlich auch in Sachen Menschenrechte etwas ändern, denn da hat sich ja in der Regierung Rohani gar nichts getan, und das ist natürlich das zentrale Anliegen der Iraner.
"Rohani liegen Menschenrechte nicht zentral am Herzen"
Meurer: Amnesty International sagt, so viele Hinrichtungen hat es schon lange nicht mehr gegeben im Iran, wie jetzt unter Rohani. Wie schätzen Sie den Mann jetzt ein nach einem Jahr Amtszeit?
Amirpur: Ich glaube nicht, dass Rohani wirklich ein Reformmensch im Herzen ist, dass diese Dinge - Menschenrechte - ihm ganz zentral am Herzen liegen. Aber wenn genug Druck aus der Bevölkerung kommt - und der kam ja bei den nächsten Wahlen, indem man ihm da ständig diese Agenda vorgehalten hat - dann würde er das durchaus tun. Was er im Moment allerdings macht, ist, dass er auf seiner Prioritätenskala ganz klar die Atomverhandlungen hat, dass er weiß, er muss diesen Atomdeal in irgendeiner Art und Weise über die Bühne bringen, dass er auch für Iran Vorteile hat. Das Problem muss einfach aus der Welt geschafft werden. Sonst kann er sich gar nicht an der Regierung halten. Und um das zu tun, versucht er, nicht noch von hinten torpediert zu werden. Würde er sich jetzt gleichzeitig noch der Menschenrechtslage widmen, dann würde er von hinten torpediert, und er kann da im Moment eigentlich gar nicht viel tun, denn die Judikative ist in der Hand von Khamenei. Das sind die Radikalen, da hat er als Leiter der Exekutive relativ wenig Einfluss drauf. Und sobald er etwas versuchen würde zu ändern, kämen von dort die Schüsse. Das hatten wir unter Chatami auch schon. Wenn Chatami versucht hat, sich dem Westen anzunähern, dann haben sofort die Richter in Iran einen Bahai inhaftiert, Juden inhaftiert, nur um ihn international zu blamieren und zu sagen, mit dem kann man nicht verhandeln, mit dem kann man nicht reden, das ist kein Partner.
Meurer: Was jetzt den Krieg gegen den islamischen Staat angeht, eine letzte kurze Frage: Ist das Problem, dass der Iran im Prinzip an der Seite von Baschar al-Assad steht?
Amirpur: Das ist Teil des Problems, aber nicht nur. Das Problem ist natürlich auch oder vor allem einfach diese große Konkurrenz zwischen Saudi-Arabien und Iran, und das müsste versucht werden, auch mit diplomatischer politischer Hilfe gelöst zu werden. Denn solange es diese große Konkurrenz der beiden Staaten gibt, wird es in all diesen Krisenregionen keinen Frieden geben. Da müsste man viel stärker rangehen.
Meurer: Zwischen dem Iran und den USA zeichnet sich eine Annäherung ab, was den gemeinsamen Kampf gegen den Islamischen Staat angeht - Katajun Amirpur ist deutsch-iranische Islam-Professorin an der Universität Hamburg. Frau Amirpur, danke und auf Wiederhören!
Amirpur: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.