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Kampf gegen IS-Terror
"Die Waffen müssen da runter"

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat kritisiert, dass Waffenlieferungen an Kurden im Nordirak überhaupt zur Debatte stehen. Sie bräuchten deutsche Waffen, sagte Kauder im DLF. Er wies Kritik daran zurück, dass der Bundestag erst nach der Entscheidung der Bundesregierung unterrichtet würde. Das sei ein ganz normaler Vorgang.

Volker Kauder im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder
    Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder (dpa / picture-alliance / Maurizio Gambarini)
    Kauder sagte, ein Bundestagsmandat sei in dieser Angelegenheit nicht nötig. "Das Parlament kann keine Details für Waffenlieferungen entscheiden. Das Parlament weiß ja gar nicht genau, was die Bundeswehr hat. Ich halte das für eine sehr akademische Diskussion. Angesichts der Notlage, die wir im Nordirak sehen, eine Diskussion zu führen, ob der Bundestag abstimmt oder nicht: Die Waffen müssen runter."
    Der Unionsfraktionschef sagte, die Grünen sollten sich erst einmal einig werden. "Wir wissen, was wir wollen." Kauders Parteikollege Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, hatte im Deutschlandfunk zu Bedenken gegeben, mit deutschen Waffen werde am Ende auch der Kampf um einen unabhängigen Staat geführt. Kauder entgegnete: "Was ist seine Alternative? Zuzusehen, wie ISIS die Menschen niedermetzelt? Also ich kann akademische Diskussionen führen oder ich kann jetzt mal entscheiden! Die Peschmerga-Kämpfer warten auf unsere Hilfe."
    "Von einer Zeltstadt in eine andere Zeltstadt ist keine Lösung"
    Kauder sagte nach einem Besuch im nordirakischen Erbil, Sitz der Regierung der Autonomen Region Kurdistan: "Ich habe mit dem kurdischen Präsidenten gesprochen, der mir gesagt hat (...) wenn alle gehen, hat der Islamische Staat sein Ziel erreicht." Deshalb sei die Lieferung von Waffen dringlicher als die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus dem Nordirak. "Auf jeden Fall müssen wir, wenn wir Flüchtlinge nach Deutschland holen, sie auch gut unterbringen können", sagte Kauder. Es bringe nichts, wenn sie "nur von einer Zeltstadt in eine andere Zeltstadt" ziehen, sagte Kauder mit Blick auf die fehlenden Unterkünfte für Flüchtlinge in Deutschland. "So eine Situation, wie wir sie in Berlin sehen, will ich nicht erleben in unserem Land." Deshalb müsse die Situation für die Flüchtlinge vor Ort verbessert werden.
    "Wir müssen jetzt endlich massiv die IS bekämpfen, sonst hört das nie mehr auf", sagte Kauder. Die Kurden verfügten über "altes Gerät aus russischem Bestand, das zum Teil nicht funktioniert". Im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) seien "panzerbrechende Waffen und Minensuch- und Minenräumgeräte" nötig, weil die IS damit begonnen habe, Minen entlang der kurdischen Grenze im Nordirak zu legen.

    Das Interview mit Volker Kauder in voller Länge:
    Christiane Kaess: Soll die Bundesregierung Waffen an die Kurden liefern, die im Nordirak gegen die Terroristen des Islamischen Staates kämpfen, oder soll sie das nicht tun? Heute will sich das Kabinett in Berlin zwar mit diesem Thema beschäftigen; am Montag soll sich eine Sondersitzung des Bundestages aber auch noch einmal diesem Thema widmen.
    Mittlerweile wird auch immer stärker über die humanitäre Hilfe und die anschwellenden Flüchtlingsströme in der Region diskutiert. Gerade zurück aus dem nordirakischen Erbil ist der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, und er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Volker Kauder: Guten Morgen, Frau Kaess.
    "Situation der Flüchtlinge ist dramatisch"
    Kaess: Herr Kauder, was waren Ihre Eindrücke auf der Reise?
    Kauder: Nun, die Situation der Flüchtlinge ist wirklich dramatisch. Man muss sich vorstellen: In einem Land, in einem Gebiet wie dem Kurdistan leben normalerweise 5 bis 6 Millionen Menschen. Jetzt kommen 1,3, 1,4 Millionen Flüchtlinge hinzu. Das ist eine unglaubliche Leistung, dass man überhaupt die alle hat unterbringen können. Aber es ist dramatisch: in Rohbauten, in Zeltstädten, in Schulen. Alles in Erbil ist voll und das kann so nicht weitergehen.
    Es kommt bald der Winter und da müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Das ist noch mal eine gigantische Herausforderung, die Deutschland allein nicht leisten kann. Da muss Europa helfen. Es wird um Größenordnungen von 200, 300 Millionen Euro gehen.
    Kauder: Und, Herr Kauder, bei dieser Zahl, die Sie ansprechen in Bezug auf die Flüchtlinge, mehr als eine Million, die Bundesregierung ist bereit, 15.000 aufzunehmen. Reicht das?
    Kauder: Das ist ein ganz wichtiges Signal. Ich habe mit dem kurdischen Präsidenten gesprochen, der mir gesagt hat, er hat den Christen, den Jesiden, Turkmenen und allen Vertretern der Flüchtlinge gesagt, wir kämpfen miteinander, wir siegen miteinander oder wir sterben miteinander, ihr müsst bleiben und müsst Geduld haben, wenn ihr jetzt geht, ist das, wie wenn man einem Körper die Gliedmaßen abschneidet. Und er hat eindringlich geworben, die Situation vor Ort zu verbessern, denn wenn alle gehen, dann hat der Islamische Staat sein Ziel erreicht, sagt er.
    "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Christen vertrieben werden"
    Kaess: Aber dennoch wollen viele weg, und Sie haben es gerade selber gesagt: Man ist vor Ort völlig überfordert mit der Situation. Deshalb noch einmal meine Frage: Reicht dieses Quantum, 15.000 Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, oder müssen wir bereit sein, mehr aufzunehmen?
    Kauder: Zunächst einmal ist es mit diesen 15.000 schon eine gigantische Herausforderung. Der UNHCR muss ja die Menschen aussuchen. Es leben bereits seit einigen Monaten, einem Jahr, Flüchtlinge im Libanon, es leben Flüchtlinge in der Türkei. Es ist also nicht ganz so einfach, wie man hier in der Diskussion in Deutschland glaubt, wir suchen einfach 15.000 Flüchtlinge.
    Das sind schwierige Auswahlprozesse, die nicht einfach sind, und deswegen werbe ich intensiv dafür, vor Ort mehr zu tun. Wir können nicht 1,5, 2 oder gar 3 Millionen Menschen aus ihrer angestammten Heimat holen. Das will ich auch gar nicht. Die Christen sind dort zuhause und haben dort auch Geburtsrecht, und da dürfen wir nicht zulassen, dass sie vertrieben werden.
    Kaess: Das haben wir verstanden, Herr Kauder. Aber ist die Diskussion hierzulande auch deshalb schwierig, weil zum Beispiel Innenminister Thomas de Maiziére von einer Obergrenze spricht und sagt, er halte eine Debatte darüber, wie viele Flüchtlinge Deutschland auch als reiches Land aufnehmen kann, für notwendig? Oder ist das nicht der Zeitpunkt, jetzt über die Obergrenze zu diskutieren?
    Kauder: Auf jeden Fall müssen wir, wenn wir Flüchtlinge hier nach Deutschland holen, sie auch gut unterbringen können. Sie kriegen mit, welche Diskussionen wir gerade in Berlin führen. Viele Bürgermeister und Oberbürgermeister sagen mir, dass die Kapazitäten in den Kommunen weitgehend erschöpft sind. Und nur von einer Zeltstadt in eine andere Zeltstadt, was jetzt womöglich in Berlin droht, das ist keine Lösung.
    "Wir müssen endlich ganz massiv die IS bekämpfen"
    Lassen Sie uns also nicht darüber diskutieren, ob Obergrenze oder nicht Obergrenze, sondern dass wir sagen, okay, wenn es noch einmal 15.000 sein können, wir haben ja schon 10.000 aus Syrien. Es kommen ja nicht nur Flüchtlinge aus dem Nordirak, in Syrien ist es genauso dramatisch. Wir müssen die Situation vor Ort besser gestalten. Da müssen wir dem Nordirak helfen. Das werden wir auch tun. Und wir müssen jetzt endlich ganz massiv die IS bekämpfen, weil sonst hört das nie mehr auf.
    Kaess: Da kommen wir gleich noch dazu. Aber noch mal, was die Obergrenze betrifft, oder eine mögliche festgelegte Zahl, ein Kontingent. Das werden Sie auch Innenminister Thomas de Maizière sagen, dass Sie von einer Obergrenze nichts halten?
    Kauder: Ich weiß nicht, wie man eine Obergrenze festlegen kann. Innenminister de Maizière hat recht, wenn er sagt, wir müssen miteinander prüfen, wie viele Flüchtlinge wir in kurzer Zeit auch angemessen unterbringen können. So Situationen, wie sie in Berlin sind, will ich nicht erleben in unserem Land, und deswegen ist es nicht die Diskussion jetzt, sind es 15.000, denn wenn wir jetzt erst mal 15.000 nehmen können, ist das schon ein ganz wichtiges Signal. Deswegen bin ich mit dem Innenminister Thomas de Maizière da gar nicht auseinander.
    "Panzerbrechende Waffen müssen her"
    Kaess: Sie haben den Kampf gegen den Islamischen Staat angesprochen. Brauchen die Kurden deutsche Waffen?
    Kauder: Ja! Eindeutig ja! Sie haben alte Waffen, altes Gerät aus russischem Bestand, das zum Teil nicht funktioniert, und wir haben es ja gesehen, dass der Islamische Staat mit modernsten Waffen, die er erbeutet hat, amerikanischen Waffen, in die Dörfer einfällt, gepanzerte Fahrzeuge, die mit normalem Gewehrfeuer einfach nicht zu knacken sind. Deswegen müssen panzerbrechende Waffen her.
    Kaess: Und die müssen aus Deutschland kommen?
    Kauder: Die müssen aus Deutschland kommen. Das kann nach Aussage der Verteidigungsministerin die Bundeswehr auch leisten. Wir brauchen dort unten Minensuch- und Minenräumgeräte, weil die IS jetzt anfängt, an der tausend Kilometer langen Grenze zu Kurdistan Mienen zu legen und damit die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Das sind zunächst mal die wichtigsten Dinge, die wir auch liefern können und werden.
    Kaess: Jetzt sagt die Bundeskanzlerin Angela Merkel, spätestens am Wochenende werde die Bundesregierung über diese Waffenlieferungen oder mögliche Waffenlieferungen in den Nordirak entscheiden. Am Montag diskutiert der Bundestag darüber. Das spricht jetzt nicht dafür, dass Angela Merkel Wert auf die Meinung der Abgeordneten legt.
    Kauder: Es geht in dieser Debatte doch zunächst einmal darum, dass wir öffentlich klarstellen, was wir mit diesen Waffenlieferungen wollen, dass wir öffentlich darstellen, was wir als Bundesrepublik Deutschland leisten können, und das, was die Bundesregierung zu entscheiden hat, kann sie allein entscheiden, muss sie allein entscheiden.
    Das ist kein Tatbestand eines Mandates, wie wir es im Bundestag haben, und deswegen ist es richtig und ich war mir auch mit Vertretern der Opposition einig, dass es keinen Sinn macht, dass die Bundesregierung am Montag in der Sondersitzung erklärt, wir haben uns noch nicht entschieden, wir wissen nicht, was wir machen, jetzt sagt ihr mal, was gemacht werden soll. Das ist ja Unsinn.
    "Jeden Tag, wo wir weiter diskutieren, gibt es Tote"
    Kaess: Dass das rechtlich nicht notwendig ist, das ist klar, Herr Kauder. Aber was spricht denn trotzdem dagegen, sich die Meinung der Abgeordneten erst einmal anzuhören?
    Kauder: Das macht man ja auch. Die Bundeskanzlerin ...
    Kaess: Danach! Nachdem man beschlossen hat.
    Kauder: Ja. Aber das ist ja jetzt mal eine Entscheidung der Bundesregierung. Und dann werden wir sagen, ob wir das richtig finden. Und wenn dann gesagt wird, wir könnten uns aber auch dieses oder jenes vorstellen, dann muss die Bundesregierung ja erst mal prüfen, ob das geht, ob das notwendig ist und sinnvoll ist. Das Parlament kann keine Details für Waffenlieferungen entscheiden. Das Parlament weiß ja gar nicht ganz genau, was die Bundeswehr hat. Ich halte das für eine sehr akademische Diskussion.
    Angesichts der Notlage, die wir im Nordirak sehen, eine Diskussion darüber zu führen, ob der Bundestag abstimmt oder nicht – die Waffen müssen runter, die Peschmerga-Kämpfer warten darauf und IS muss gestoppt werden. Jeden Tag, wo wir weiter diskutieren, gibt es Tote. Ich kann das überhaupt nicht verstehen.
    Es gibt klare Aufgabentrennungen, wo die Regierung zuständig ist. Sie teilt uns das mit. Wir diskutieren, ob wir das richtig finden. Aber ansonsten muss es eine klare Trennung zwischen der Exekutive und der Legislative geben, und da ist der Bundestag nicht zuständig. Dann braucht er auch nicht entscheiden.
    Kaess: Herr Kauder, ich möchte mal kurz da zwischenfragen. Wie erklären Sie das den Abgeordneten Ihrer Fraktion?
    Kauder: Wir haben eine Fraktionssitzung am Montag vor der Sitzung und auch in der Fraktion bin ich mir sicher, wollen die zunächst einmal wissen, was die Bundesregierung vorhat. Ganz normaler Vorgang. Ich kann – und das wird die Bundestagsfraktion bei uns auch so sehen und verstehen; ich habe schon mit den Außenpolitikern gesprochen, Verteidigungspolitikern. Die sehen das übrigens auch so. Die Grünen sollen sich erst mal darüber im Klaren werden, was sie wollen.
    Die Diskussion, die ich da höre, die einen sind für Lieferungen, die anderen dagegen. Die sollen erst mal mit sich selber ins Reine kommen. Wir wissen, was wir wollen. Wir haben die Bundesregierung gebeten, jetzt schnell zu sagen, was sie kann. Da muss ja die Verteidigungsministerin erst mal schauen, was zur Verfügung steht, und dann wird man das am Montag miteinander diskutieren und dann kann der Bundestag noch immer sagen, er hält das für zu wenig, oder dieses oder jenes muss noch gemacht werden. Dann kann die Bundesregierung in dieser Frage auch noch, wenn es notwendig erscheint, nachladen.
    "Die Kurden werden die Waffen nicht an die PKK weitergeben"
    Kaess: Dann schauen wir zum Schluss noch etwas genauer auf diese Waffenlieferungen, oder die möglichen Waffenlieferungen, muss man ja immer noch zu diesem Zeitpunkt sagen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen von der CDU, der hat hier im Deutschlandfunk gesagt: "Mit Waffen, die wir liefern, wird am Ende auch der Kampf um einen unabhängigen kurdischen Staat geführt." Hat er da recht?
    Kauder: Was ist eine Alternative, nichts zu machen, zuzusehen, wie ISIS die Menschen niedermetzelt? Ich kann akademische Diskussionen führen, oder ich kann jetzt mal entscheiden. Die Peschmerga-Kämpfer warten auf unsere Hilfe und die Amerikaner, die oft gescholtenen, haben einen wichtigen Beitrag geleistet. Ohne die sähe es viel schlimmer aus. Nein, nein! Letzte Sicherheiten gibt es nicht. Das ist keine Frage. Aber der kurdische Präsident hat mir gesagt, ich erwarte nicht und will nicht, dass Ihre Söhne in meinem Land für uns kämpfen, aber ich erwarte schon, dass sie uns in die Lage versetzen, den Kampf zu führen. Und deswegen ist es richtig, dass wir Waffen liefern.
    Kaess: Das preisen Sie mit ein, dass diese Waffen eventuell dann auch an die PKK weitergehen?
    Kauder: Zunächst mal geben wir die Waffen an die irakische Armee. Über die irakische Armee gehen sie an die Kurden. Die Kurden werden die Waffen nicht an die PKK weitergeben. Aber wie gesagt, letzte Sicherheiten gibt es nicht, und jeder, der die Diskussion darüber führt, die Waffen könnten auch woanders landen, der muss dann sagen, dass er bereit ist, den Terror von IS zu akzeptieren. Ich bin das nicht!
    Kaess: ..., sagt der Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder. Danke für dieses Interview heute Morgen.
    Kauder: Bitte! – Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.