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Kampf gegen Korruption
Rumänischer Aktivist verschafft sich Aufmerksamkeit

Gegen die Korruption in Rumänien wird trotz aller Rückschläge auf vielen Ebenen vorgegangen - auch nach der erzwungenen Entlassung der Leiterin der Anti-Korruptionsbehörde, Laura Kövesi. An der Seite der Opposition stehen Protestbewegungen und Aktivisten.

Von Andrea Beer |
    Am 4. Juli 2018 protestieren die Menschen vor dem rumänischen Regierungssitz in Bukarest.
    Wenn ein paar hundert Menschen jeden Tag auf dem Siegesplatz stünden, könnte sich etwas verändern, ist sich Cristian-Mihai Dide sicher. (AFP / Daniel Mihailescu)
    Der Siegesplatz in Bukarest Mitte Juli: Umringt von Journalisten steht Cristian-Mihai Dide am grünen Zaun des Regierungsgebäudes. Mit Händen und Füßen hat er sich dort angekettet.
    Innen tagt derweil die sozial liberale Regierung, die Cristian-Mihai mit seinen Aktionen politisch bekämpft. Der 32-Jährige gehört zu den bekanntesten Gesichtern der #REZIST–Protest–Bewegung. Deren Logo hat er schon an viele Häuserwände projiziert hat. Bei der Zaunaktion hat er allerdings eine Flasche mit Benzin und ein Feuerzeug dabei. Die rumänischen Gendarmen sind nervös.
    Aktivist protestiert gegen Amnestie-Gesetze
    Die reguläre Arbeit in seiner Firma hat Cristian-Mihai Dide eingetauscht gegen ein Aktivistendasein - erzählt er einige Tage nach der Zaunaktion bei einem Spaziergang zum Protest-Tatort. Vor allem durch neue Gesetze im sensiblen Justizbereich sieht Cristian-Mihai Dide die Gewaltenteilung in Gefahr.
    "Die Entschlossenheit der Regierung, die Gesetze so zu verändern, dass drohende Gefängnisurteile umgangen werden können, die war von Anfang an offensichtlich. Vielleicht sogar schlimmer ist die Tatsache, dass wir uns bereits in einer kaum verhüllten Autokratie befinden, die sehr leicht in eine Diktatur hinübergleiten kann. Das müssen wir verhindern."
    Und so ist die scheinbar trockene Materie Justiz in Rumänien zur Nagelprobe der Demokratie geworden. Neue Gesetze erleichtern unter anderem Korruption und Amtsmissbrauch, wovon auch aktive Spitzenpolitiker profitieren könnten. Darunter Liviu Dragnea, Parlamentspräsident und mächtiger Chef der regierenden Sozialdemokraten. Er ist der wegen Wahlbetrugs und Amtsmissbrauchs verurteilt, und die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Veruntreuung von EU-Millionen.
    Wenig öffentliche Unterstützung
    Dem Aktivisten Cristian-Mihai Dide fällt am grünen Regierungszaun aber auch Vizepremier Paul Stănescu ein.
    "Herr Stănescu, wie lange gendenken Sie noch weiter dieses Land zu bestehlen? Ich grüße Sie. Aber ich würde ihren Rücktritt einem Gruß vorziehen!"
    Das Ermittlungsverfahren gegen den rumänischen Vizepremier wegen Korruption wurde eingestellt. Auf Betreiben der Regierung wurde Anfang Juli auch Laura Kövesi abgesetzt, die international anerkannte Chefin der Antikorruptionsbehörde. Das hat viele Regierungskritiker besonders frustriert. Stünden ein paar hundert jeden Tag auf dem Siegesplatz, dann könnte sich etwas verändern, ist sich Cristian-Mihai Dide sicher.
    "Aber tatsächlich kommen täglich etwa 10 bis 15 Leute. Wir versuchen unsere Forderungen hörbar zu machen, aber wir werden auch oft von der Öffentlichkeit kritisiert, weil man uns als zu extrem wahrnimmt, auch wegen solcher Aktionen wie dem Anketten an den Regierungszaun und der Drohung, Benzin anzuzünden."
    Die Aktion steht im Netz, und man sieht wie die Gendarmen Cristian-Mihai Dide die Benzinflasche entreißen und auch das Feuerzeug wegnehmen. Bei dem starken Gerangel wird Benzin verschüttet. Ein Gendarm bekommt etwas in die Augen, und ein Teil von Cristian-Mihai Dides Kleidung wird mit Benzin durchtränkt. Am Ende wird er festgenommen und weggefahren, und die Gerichtsmedizin stellt später eine schlimme Hautentzündung fest.
    Bei der Benzinaktion am Regierungszaun habe er sich niemals anzünden wollen, das betont Cristian-Mihai Dide, der durch die Proteste zu einem regelrechten Spezialisten für Aufmerksamkeit geworden ist. Mit leicht entzündbaren Stoffen wie Benzin kennt er sich übrigens aus, seine Firma betreibt unter anderem Brand- und Feuerschutz.