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Kampf um Alstom
"Frankreich macht nationale Industriepolitik"

Peter Ramsauer hat die französische Regierung für ihr Verhalten im Bieterstreit um Alstom kritisiert. "Das Besondere ist, dass sich die Regierung eindeutig in die Verhandlung von Unternehmen eingemischt hat", sagte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschlandfunk.

Peter Ramsauer im Gespräch mit Bettina Klein | 23.06.2014
    Peter Ramsauer, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie
    Peter Ramsauer, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie (dpa / picture-alliance / Tobias Hase)
    Siemens gibt im Kampf um den französischen Energie- und Transportkonzern Alstom nicht auf, auch wenn zuletzt von französischer Seite der amerikanische Konzern General Electric offenbar bevorzugt wird. "Ich hoffe, dass sich Siemens weiter Hoffnung machen kann", sagte Ramsauer im Deutschlandfunk.
    Der CSU-Politiker kritisierte die französische Regierung scharf. "Frankreich macht nationale Industriepolitik." Die Regierung stelle nationale Eigensinnigkeiten vor die europäischen Interessen. Gleichzeitig sagte er: "Ich hätte mir eine ähnliche Unterstützung für Siemens von der Bundesregierung gewünscht."
    Auf der französischen Seite sei ihm eine "europäische Sichtweise" abgegangen. Den geplanten Teileinstieg Frankreichs in den Konzern kritisierte er außerdem vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung Frankreichs.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Der Bieterstreit um den französischen Energiekonzern Alstom hat uns jetzt über Wochen begleitet, zumal einer der Interessenten ein deutsches Unternehmen war. Freitag am frühen Abend schien die Sache dann zumindest vorentschieden: Die französische Regierung teilte mit, sie würde zu 20 Prozent selbst einsteigen wollen und ansonsten dem US-Konzern General Electric den Vorzug geben. Doch Siemens scheint, sich weiter Hoffnungen zu machen, wie Konzernchef Kaeser gestern verlauten ließ. Man sei weiter offen für Gespräche, doch die Signale an diesem Morgen sind nicht ganz eindeutig.
    Am Telefon ist Peter Ramsauer, Vorsitzender vom Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag. Er gehört der CSU an. Guten Morgen, Herr Ramsauer.
    Peter Ramsauer: Guten Morgen!
    Klein: Beginnen wir mit den jüngsten Meldungen. Siemens macht sich offenbar weiter Hoffnung. Ist das auch Ihr Eindruck?
    Ramsauer: Ich hoffe, dass sich Siemens weiter Hoffnung machen kann, denn Joe Kaeser als Vorstandsvorsitzender hat bisher in dieser Frage eine ganz, ganz exzellente Arbeit geleistet, und zwar eine hervorragende Arbeit nicht nur für Siemens aus reiner Unternehmersicht, sondern auch industriepolitisch für Deutschland insgesamt, aber auch für Europa insgesamt.
    Klein: Aber Frankreich ist offenbar zu einem anderen Ergebnis gekommen und möchte General Electric den Vorzug geben.
    Ramsauer: Die französische Haltung in solchen Fragen ist da vom Grundsatz her immer eine andere, denn die französische Regierung betreibt hier eine andere Philosophie. Sie lässt sich von einer anderen Philosophie leiten, macht eiskalt nationale französische Industriepolitik. Die französische Regierung hat hier eindeutig nationale Eigensinnigkeiten, französische einseitige Interessen vor die europäischen Interessen gestellt.
    Mehr Engagement vonseiten der Bundesregierung wünschenswert
    Klein: Aber ist das nicht zunächst mal das gute Recht Frankreichs, zunächst auf die eigenen Interessen zu schauen und dann auf europäische?
    Ramsauer: Ja das Besondere ist ja, dass sich die französische Regierung hier eindeutig in die Verhandlungen von Unternehmen eingemischt hat. Ich hätte mir gewünscht von parlamentarischer Seite, dass auch Siemens wenigstens eine ähnliche Unterstützung Seitens der Bundesregierung und der Wirtschaftspolitik in der Bundesregierung erfährt, wie Alstom dies von der französischen Regierung, dem Élysée-Palast erfahren hat.
    Klein: Einerseits kritisieren Sie, dass die französische Regierung sich da sehr engagiert, beklagen aber gleichzeitig, dass die Bundesregierung es nicht tut.
    Ramsauer: So haben Sie mich richtig verstanden, ganz genau.
    Klein: Das heißt, was Frankreich an der Stelle macht, ist nicht in Ordnung; wenn das die deutsche Regierung macht, dann wäre das wünschenswert?
    Ramsauer: Es geht um die Gleichheit auf beiden Seiten. Es geht nicht, dass geleitet von einer immer noch vorhandenen, beinahe merkantilistisch geprägten Wirtschaftspolitik auf der einen Seite gearbeitet wird und auf der anderen Seite lässt man ein deutsches Unternehmen zusammen mit einem japanischen für sich selbst arbeiten. Wie gesagt: Es müssen hier auch die europäischen Fragen insgesamt gesehen werden, beispielsweise im Energiebereich, oder auch die Bündelung im Bereich der Eisenbahnfragen, der Herstellung von Eisenbahntechnik und rollendem Material, und diese europäische Sichtweise, die ging mir auf der französischen Seite eindeutig auch ab.
    Klein: Herr Ramsauer, um noch mal kurz auf die deutsche Seite zu schauen. Welche Unterstützung konkret hätten Sie sich denn von der Bundesregierung gewünscht an der Stelle?
    Ramsauer: Man hat in dieser Frage einfach zu wenig gehört und wenn eine solche Frage schon auf diese Ebene gehoben wird, dann kann man nicht nur vom Élysée-Palast und vom französischen Wirtschaftsminister etwas hören.
    Klein: Was genau hätten Sie denn hören wollen?
    Ramsauer: Dass die deutsche Seite im Rahmen der europäischen Interessen, der europäischen industriepolitischen Interessen, der Stärkung europäischer Interessen in diesem weltweiten Markt und Unternehmensgeschehen besser gewahrt werden, und das hätte zum Ziel haben müssen, dass der Weg für Siemens in dieser Zusammenarbeit mit MKI, dass dieser Weg auch politisch begleitet und bereitet wird.
    Frankreich betreibt "eine quasi neue Verstaatlichungspolitik"
    Klein: Wir sprechen von europäischen Interessen. Ich verstehe es aber auch schon so, dass es Ihrer Meinung nach auch um deutsche Interessen dabei geht. Was ist denn das Nachteilige oder das vielleicht sogar Gefährliche Ihrer Meinung nach, dass sich die französische Regierung sehr stark dort engagiert und mit 20 Prozent wie gesagt einsteigen will?
    Ramsauer: In zweierlei Hinsicht. Erstens, weil hier ein Stück von europäischer Kernkompetenz auf den Geschäftsfeldern, die durch Alstom und Siemens abgedeckt werden, sozusagen verrutscht über den Atlantik hinweg, oder verrutschen würde, wenn es denn so laufen würde. Und zum zweiten reibt man sich schon die Augen, dass Frankreich auf der einen Seite, was die Verschuldungssituation anbelangt, wirklich am Rande der Verschuldungsmöglichkeiten dahinkratzt, es sich aber auf der anderen Seite leisten kann, mit 20 Prozent einen solchen Einstieg bei Alstom zu fordern. Das ist neben der fiskalischen Frage, wenn man ohnehin kein Geld hat, einen solchen Einstieg sich leisten zu können, auch eine quasi neue Verstaatlichungspolitik, die von der französischen Regierung hier betrieben wird.
    Klein: Schauen wir dann noch mal auf das deutsche Unternehmen. Es gibt ein bisschen widersprüchliche Signale im Augenblick auch von Konzernchef Kaeser. Auf der einen Seite sagt er, man sei weiter offen für Gespräche und gehe davon aus, die Verhandlungen würden sich noch lange, lange hinziehen, und da könne irgendwie Siemens dann vielleicht auch wieder einsteigen. Auf der anderen Seite heißt es wohl in einem Mitarbeiterbrief, dass die Risiken für den US-Konzern, die mit Alstom verbunden sind, sehr, sehr hoch sind. Der Konzern ist in Teilen zumindest verschuldet und nicht überall gewinnträchtig. Heißt das wiederum auch so ein bisschen, die Trauben, die wir nicht haben können, sind zu sauer?
    Ramsauer: Nein, das würde ich nicht sagen. Aber wenn man sich solche Prozesse ansieht, dann ist diesen Prozessen in der Regel eines gemein, dass sie bis zum endgültigen Abschluss immer im Flusse sind, und dass da natürlich auch eine Reihe von taktischen Instrumenten bewusst oder unbewusst eingesetzt werden, das ist auch völlig klar. Ich hoffe, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
    Klein: Es gab auch Kommentatoren, Herr Ramsauer, die sind zum Ergebnis gekommen, Siemens hat eigentlich Glück gehabt und es hat eine Menge Geld gespart am Ende. Dem würden Sie aber nicht zustimmen?
    Ramsauer: Ich habe das auch gehört, aber an vielen einzelnen Haltungen ist natürlich immer so ein Körnchen Substanz dran. Richtig ist natürlich, dass der Kaufpreis sehr hoch getrieben worden ist, und wenn es denn über den Atlantik geht, dieses Geschäft, dann würde GE natürlich einen verdammt hohen Kaufpreis zahlen. Da kann man nur sagen, wenn es so kommt, hoffentlich geht das gut. Und im Übrigen prallen hier natürlich auch Unternehmenskulturen aufeinander, und wenn Unternehmenskulturen dieser Mächtigkeit aufeinanderprallen, dann geht das ja erfahrungsgemäß auch nicht immer gut.
    Klein: Siemens selbst sieht sich offenbar auch vor der Notwendigkeit von Umstrukturierungen. Es waren ja durchaus unternehmensstrategische Hoffnungen auch für den Konzern damit verbunden, also durchaus auch eine Ausweitung der Macht und des Gewinns. Das fällt jetzt weg. Wie muss das Unternehmen das ausgleichen Ihrer Meinung nach?
    Ramsauer: Siemens ist ja nicht nur ein in eine Richtung ausgerichteter Konzern, sondern ein Weltkonzern, der vielfältigste Felder mächtig und erfolgreich und hoch kompetent abdeckt, und deswegen, wenn eine Chance sich verschließen würde, möglicherweise – wie gesagt: Wir sind noch nicht am Ende dieses Prozesses -, dann tun sich wieder andere Türen auf. So viel wirklich großes Zutrauen kann man ohne weiteres in das Management von Siemens haben.
    Klein: Und Sie verteidigen da nicht nur, aber auch ein Unternehmen mit Stammsitz in Bayern?
    Ramsauer: Ich bin stolz darauf, dass Siemens den Stammsitz in Bayern hat. Und im Übrigen: Wenn Sie in viele andere Länder schauen, dann stellt man mit großer Freude fest, dass wegen der langen Präsenz von Siemens, zum Teil weit über 100 Jahre, Siemens in dortigen Ländern regelrecht als das jeweils dort ansässige Unternehmen und gar nicht mehr so sehr als deutsches Unternehmen betrachtet wird.
    Klein: Zum Bieterstreit um den Alstom-Konzern heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk Peter Ramsauer von der CSU. Er ist der Vorsitzende vom Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Ramsauer.
    Ramsauer: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.