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Kanadas CO2-Emissionen
Klimastatistik mit Schönheitsfehlern

Seit Jahren produzieren Kanadas gigantische Wälder mehr CO2 als sie aufnehmen. Die Ursache sind Waldbrände, Käfer, Pilzbefall und verfaulende Bäume. Um aber die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, tauschen die CO2-Emissionen nicht in der Statistik auf. Schönrechnen nennen das Kritiker.

Von Georg Schwarte | 25.02.2019
Rinder rennen über die Weide einer Ranch bei Fort St. James, British Columbia, während die massive Rauchwolke eines Waldbrandes den Himmel verdunkelt (17.8.2018).
Feuer sind eine Ursache für die zunehmenden CO2-Emissionen der kanadischen Wälder (dpa-news / Daryll Dyck)
Kanada. Grün. Waldreich. Klimafreundlich. Und dann auch noch er. Justin Trudeau: Premier und oberster Klimaschützer.
"Darum ist dies der ehrgeizigste Klimaschutz-Plan, den Kanada je erlebt hat."
Klimaschutz - oberste Priorität der Regierung. Einer Regierung für das drittgrößte Waldgebiet der Erde. 38.2 Prozent Kanadas Wälder. Der Laie freut sich darüber. Jeder Baum gut fürs Klima. In der Theorie jedenfalls. In der Praxis aber produzieren Kanadas Wälder in Summe seit 15 Jahren mehr Kohlendioxid als sie aufnehmen, sagt Dominique Blain, wissenschaftliche Direktorin bei der kanadischen Klimaschutzbehörde:
"Wenn die Bäume wachsen, dann nehmen sie CO2 aus der Atmosphäre auf. Sie werden also zum Speicher. Aber wenn Bäume verfaulen, durch Schädlinge absterben, oder verbrennen durch Waldbrände, werden sie zur CO2-Quelle."
Nur kontrollierbare CO2-Emissionen in der Statistik
Und jetzt kommen Kanadas Klima- und Treibhausgasstatistiker ins Spiel. Die kanadische Regierung und auch die Statistiker haben Kanadas Klimaziel vor Augen. Reduzierung der Treibhausgase um 30 Prozent bis 2030. Ehrgeizig genug. Da aber zumindest seit 15 Jahren der bewirtschaftete Wald Kanadas - eine gigantische Fläche von 226 Millionen Hektar, Jahr für Jahr mehr CO2 produziert als er aufnimmt, haben sie beschlossen, in ihre Statistik nur noch die Emissionen einzurechnen, auf die der Mensch auch Einfluss habe, sagt Tony Lemprìere, Klimapolitik-Manager der kanadischen Forstbehörde:
"Es geht um das, was wir kontrollieren können, Emissionen durch Holzernte, solche Dinge. Aber wir können keine Waldbrände kontrollieren."
Soll heißen: Sämtliche CO2-Emissionen durch die ständig größer werdenden Waldbrände, durch Pilz- und Schädlingsbefall, der wiederum durch Klimawandel befördert wird, sämtliche dieser Emissionen tauchen in Kanadas offizieller Klima-Statistik nicht auf. Begründung: Nicht menschengemacht, nicht kontrollierbar. Für Kritiker rechnet sich Kanada so seine Klimabilanz schön. Tony Lemprière wiederspricht, sagt es gehe nicht um Optik, sondern um das, was Kanada steuern könne:
Wald ruiniert Kanadas Klimabilanz
Trotzdem: Allein 2016 hat Kanadas Wald theoretisch 152 Megatonnen CO2 gespeichert. Enorme Waldbrände in dem Jahr und ein massiver Käferbefall, der Bäume absterben ließ, hat aus dem Wald als CO-Speicher in dem Jahr aber tatsächlich in der Bilanz einen Treibhausgasproduzenten von 92 Megatonnen CO2 gemacht. Die sind in der Atmosphäre, aber nirgendwo auf dem Papier. Und tauchen also in der Gesamtbilanz von rund 700 Megatonnen pro Jahr Kohlendioxid-Ausstoß in Kanada nicht auf. Tony Lemprière verweist auf andere Industrienationen, die es ähnlich machen würden. Andere Industrienationen aber haben nicht so viel Wald wie Kanada, der Kanadas Klimabilanz ruiniert. Wenn sich die Regierung die Sache nicht schönrechnen würde. Papier ist geduldig, geduldiger als der Klimawandel allemal.