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Kanal voll ...

Umwelt. – Im Toten Meer verdunstet seit Jahren mehr Wasser als zufließt. Die Folge: der Wasserspiegel des Toten Meeres sinkt jedes Jahr um rund einen Meter – mit dramatischen Folgen für die Umwelt. Bislang waren die Salzschichten am Uferbereich von gesättigtem Salzwasser umgeben. Jetzt werden diese Salzschichten vom Grundwasser aufgelöst. Die Erde bricht ein. Ein Campingplatz wurde bereits geschlossen, nachdem ein Mensch in einem solchen Einbruchkrater versunken ist. Wissenschaftler wollen das Tote Meer nun retten. Das kühne Projekt: über einen Kanal soll Wasser vom Roten Meer 200 Kilometer weit zum Toten Meer gelangen. Ganz abgesehen von den baulichen Schwierigkeiten, auch das Wasser des Roten Meeres könnte große Probleme bereiten.

Von Ralf Schmidberger |
    Das Betriebsgelände von Dead Sea Works am südlichen Ufer des Toten Meeres. Auf Laufbändern fahren große Mengen Salz in die Hallen. Die Firma Dead Sea Works lässt das Meerwasser auf riesigen Flächen in der Sonne verdunsten und gewinnt somit das mineralienhaltige Salz. Daraus lassen sich die Chemie-Rohstoffe Pottasche, Brom und Magnesium gewinnen. Hier bei Dead Sea Works sieht man den Plan von einem Kanal vom Roten zum Toten Meer skeptisch. Denn über die knapp 200 Kilometer lange Leitung würden jährlich rund 700 Millionen Kubikmeter Wasser ins Tote Meer gelangen und so den Rohstoff der Firma verdünnen. Auf der über eine Straße erreichbare Forschungsinsel des Unternehmens wird deshalb getestet, was passiert, wenn das Wasser des Toten Meeres mit dem Wasser des Roten Meeres gemischt wird. Unter der Aufsicht von Biologen der Hebrew University in Jerusalem stehen hier zehn Bassins mit unterschiedlichen Mischungsverhältnissen. Dead-Sea-Works Forschungsleiter Marko Kohen.

    Hier haben wir zehn Prozent Rotes Meer-Wasser und 90 Prozent Totes Meer-Wasser und dazu ein Tausendstel Phosphat. Wenn eine Entsalzungsanlage gebaut wird, fällt unweigerlich Phosphat an. Denn alle Entsalzungsanlagen verwenden Zusätze mit Phosphat. Sie sehen, dass das Wasser sich rot-braun färbt. Das kommt von einer Algensorte namens Dunaliella. Die ernährt sich von Phosphat. Es gibt wiederum Mikroorganismen, die sich von den Dunaliella-Algen ernähren, und die haben eine rote Farbe. Und so kommt es zu dem Rotstich.

    Eine Entsalzungsanlage wollen vor allem die Jordanier, die unter extremem Wassermangel leiden. Die Idee ist folgende: vom höchsten Punkt des Kanals geht es rund 540 Meter abwärts zum Toten Meer. Durch das Gefälle lässt sich Strom gewinnen und damit das Meerwasser teilweise entsalzen – der Rest fließt weiter ins Tote Meer. Doch das könnte zu großen Problemen führen, so Marko Kohen. Er zeigt auf ein Becken mit einer ziemlichen Kloake.

    Hier haben wir 50 Prozent Totes-Meer-Wasser und haben es mit Wasser aus dem Roten Meer aufgefüllt, das die zweifache Salzkonzentration hat. Das wird das Wasser sein, das aus der Entsalzungsanlage ins Tote Meer gelangt. Wir haben es hier reingetan und Sie sehen: es gibt noch mehr Algen. Das weiße ist Gips, der ausflockt, und die Algen siedeln sich darauf an, so dass sie schwimmen. Ein weiteres Problem, das wir erwarten, wird sein, das dieses organische Material abstirbt und hinabsinkt auf den Grund des Meeres. Nun, der Grund des Meeres ist in einem anaeroben Zustand, das heißt es gibt keine Oxidation. Unter anaeroben Bedingungen entwickelt sich organisches Material zu Schwefelwasserstoff. Das ist ein hoch giftiges Gas und stinkt. Das schlimmste ist: es zerstört sofort ihren Geruchssinn und sie können es nicht mehr riechen. Und Sie wissen nicht, dass Sie vergiftet werden.

    In den weiteren Becken mit anderen Mischungsverhältnissen zeigen sich mal mehr, mal weniger Algen. Das Wasser ist mal grünlich, mal braun oder rot. Kohen und andere Wissenschaftler rechnen damit, dass sich das Wasser des Roten Meeres nicht einfach mit dem des Toten Meeres vermischen wird. Denn das Tote-Meer-Wasser ist viel schwerer, weil es mit 30 Prozent einen zehnmal höheren Salzgehalt hat. Und so wird es wohl mehrere Schichten mit verschiedenen Mischungsverhältnissen geben. Was genau dann passiert, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Marko Kohen befürchtet zumindest für die Industrie am Toten Meer negative Auswirkungen von dem Kanalprojekt.

    Es gibt zwei mögliche Auswirkungen auf unseren Prozess: das Salzwasser wird verdünnt. Das bedeutet, es sind weniger Mineralien in einem Kubikmeter Wasser vorhanden, das zu Dead Sea Works gepumpt wird. Das heißt, wir produzieren weniger. Und wenn sich Gips bildet und die Partikel an der Oberfläche schwimmen, dann hindert dies die Sonnenenergie und das senkt die Verdunstungsrate.

    Auch die Tourismusbranche zeigt sich bislang von dem Kanal wenig begeistert. Sollte das Tote Meer sich wirklich rot färben oder grün oder weiß und sollten sich außerdem Algen bilden, dann würde wohl kaum mehr jemand kommen und baden wollen.