Der Vogelsberg, ein Mittelgebirge rund 50 Kilometer nordöstlich von Frankfurt am Main. Die Linken-Politikerin Janine Wissler wandert mit einer Gruppe örtlicher Genossinnen und Genossen auf rund 600 Metern Höhe durch den Wald.
"Es ist schon ganz spannend, zu hören, welche Bemühungen es hier gibt, die Biodiversität und den Naturschutz wiederherzustellen."
Engagement gegen den Klimawandel
Janine Wissler zielt schon lange mit ihrer politischen Arbeit vor allem auf junge, ökologisch aufgeschlossene Menschen – vor allem in den Städten. Das wird die im südhessischen Langen geborene hessische Linken-Chefin auch als mögliche Bundesvorsitzende ihrer Partei nicht ändern.
Wenn die heute in Frankfurt lebende 39-Jährige sich etwa zeigen lässt, welche ökologischen Folgen es hat, dass die Mainmetropole rund ein Viertel ihres Trinkwassers aus dem Vogelsberg bezieht, ist das auch eine Botschaft an ihre Wählerinnen und Wähler in der Mainmetropole: Seht her, ich kümmere mich darum, wie sich der Klimawandel in der Region konkret auswirkt.
Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus
"Alle zusammen gegen den Faschismus!" Vielleicht noch wichtiger als Umweltpolitik ist Janine Wissler der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Nachdem die AfD 2018 auch in den hessischen Landtag einzog, ist diese Partei für Wissler im Parlament zum Hauptgegner geworden. Spöttisch spießt sie etwa Fehler auf, die sie in Anträgen findet, die die AfD im Landtag stellt:
"Kleiner Hinweis, weil ihnen die Bewahrung der deutschen Sprache ja so wichtig ist: Fürsorge schreibt man nicht mit 'h', mit Sorge um den Führer hat das nämlich nichts zu tun."
Wissler erhielt Morddrohungen durch sogenannten NSU 2.0
Gar nicht lustig findet es Janine Wissler allerdings, dass sie seit Februar dieses Jahres Morddrohungen des sogenannten NSU 2.0 erhält. Unter diesem Kürzel hatten zuvor schon andere Personen des öffentlichen Lebens – vor allem Frauen – Drohschreiben mit persönlichen Daten bekommen, die zuvor von hessischen Polizeicomputern abgefragt worden waren. Aktuell richtet sich der Hauptverdacht gegen einen Frankfurter Polizisten, der vom Dienst suspendiert ist. Janine Wissler fordert weitergehende politische Konsequenzen:
"Dass das weiterhin möglich ist, dass Daten abgefragt werden können und offensichtlich in einem Zusammenhang stehen mit solchen Drohungen – ja, das finde ich wirklich schockierend und das zeigt, dass wir hier ein richtig großes Problem haben. Und das Wichtigste ist, das man aufhört, das zu verharmlosen, zu vertuschen, zu verschweigen."
Diese Botschaft richtete Janine Wissler auch an Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth – beide CDU. Die beiden gingen demonstrativ im Landtagsplenum gemeinsam auf Wissler zu, um angesichts der Drohmails gegen ihre Person Solidarität zu bekunden. Das war mehr als eine pure politische Pflicht der Regierenden. Die Linken-Fraktionschefin hat sich in mehr als einem Jahrzehnt engagierter Parlamentsarbeit in Wiesbaden quer durch alle Fraktionen viel Respekt verschafft.
Als ehemalige Trotzkistin immun gegen DDR-Verklärung
Dennoch ist die gelernte Politikwissenschaftlerin eine überzeugte Sozialistin. Wissler will, "dass wir als Linke immer deutlich machen, dass die Grenzen zwischen oben und unten verlaufen."
Wissler war bis vor kurzem Mitglied der linken trotzkistischen Splittergruppe "Marx 21", die viel Revolutionsromantik pflegt und die deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Nun hat sie die Mitarbeit in der Gruppe wegen ihrer Kandidatur für den Bundesvorsitz der Linken eingestellt.
Ihre trotzkistische Vergangenheit macht Wissler auf der anderen Seite immun gegen jede Verharmlosung der Verbrechen des realen Sozialismus oder einer unkritischen Verklärung der DDR-Geschichte. Denn viele Trotzkisten sind in den stalinistischen Lagern des Sowjetsystems gestorben.
Plädiert für eine großzügige Flüchtlingspolitik
Janine Wissler betont: Wenn es nach der Bundestagswahl eine realistische Chance für eine Regierung aus Grünen, SPD und Linken gibt, will sie darüber ernsthaft verhandeln. Sie habe das auch schon in Hessen zweimal getan - die Regierungszusammenarbeit sei damals nicht an ihr gescheitert. Sie plädiert für eine großzügige Flüchtlingspolitik und argumentiert:
"Dass die guten Löhne und die Tarifverträge nicht dadurch gefährdet sind, dass mehr Migranten auf dem Arbeitsmarkt sind sondern dass der Arbeitsmarkt dereguliert wurde."
Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria in Griechenland plädierte Janine Wissler deshalb sofort für eine großzügige Aufnahme der Geflüchteten in Deutschland. Ihr Herz schlägt links – das heißt für sie immer auf der Seite der Entrechteten.