Die Nachricht war eine Sensation.
"Bonn: Bundeskanzler Konrad Adenauer wird für das Amt des neuen deutschen Bundespräsidenten kandidieren. Mit dieser Mitteilung wurde heute Nachmittag die Öffentlichkeit überrascht."
Am Nachmittag des 7. April 1959 gab Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier bekannt, womit niemand gerechnet hatte.
"Der Herr Bundeskanzler hat sich bereit erklärt, die Kandidatur für die Bundespräsidentenwahl anzunehmen."
1959 endete die zweite - und damit letzte - Amtszeit des ersten Bundespräsidenten, des Liberalen Theodor Heuss. Die Unionsparteien, die im Bundestag mit absoluter Mehrheit regierten, wollten nun einen Bundespräsidenten aus ihren eigenen Reihen. Im Februar 1959 gerieten sie in Zugzwang: Die SPD präsentierte den hoch angesehenen Carlo Schmid als ihren Kandidaten.
Adenauer versuchte Wirtschaftsminister Ludwig Erhard in Stellung zu bringen, scheiterte jedoch am Widerstand in seiner eigenen Partei. Anfang April brachte Adenauers engster Vertrauter, Staatssekretär Hans Globke, den Kanzler auf einen Gedanken. Wenn die Union Adenauer vorschlagen werde, dann werde Adenauer wohl ablehnen…
"…es sei denn, wir hätten eine Verfassung, wie de Gaulle sie habe."
Das war ein Traum für Adenauer. Der Präsident bestimmt den Regierungschef und die großen Linien der Politik; um die Alltagsprobleme des Regierens kümmert sich der Kanzler. Plötzlich interessierte sich Adenauer für das neue Amt und machte sich Gedanken, wer denn unter ihm Kanzler werden sollte. Und am 7. April konnte Eugen Gerstenmaier freudestrahlend das einmütige Votum der CDU verkünden:
"Der Herr Bundeskanzler wird deshalb der Kandidat der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union sein."
Was diese Entscheidung nach den Bestimmungen des Grundgesetzes bedeutete, fasste der RIAS in einem Satz zusammen:
"Für Dr. Adenauer bedeutet das das Ausscheiden aus der aktiven Politik."
Das sah Adenauer anders. Einen Tag nach Bekanntgabe seiner Kandidatur deutete er an, wie er die politischen Möglichkeiten des Bundespräsidenten einschätzte:
"Ich möchte in zwei Sätzen mit allem Nachdruck Folgendes sagen: Die Stellung, die Aufgabe und die Arbeit des Bundespräsidenten wird in der deutschen Öffentlichkeit und damit auch in der internationalen Öffentlichkeit zu gering eingeschätzt. Sie ist viel größer, als man schlechthin glaubt."
Bei einer Straßenumfrage meinten diese Westberliner:
"Ich freue mich für ihn, dass er endlich mal sein Leben etwas genießen kann. Das ist viel mehr wert, als sich da abzurackern."
"Meine Meinung ist, dass Adenauer zum richtigen Zeitpunkt abgetreten ist, denn er ist doch schon überaltert, nicht wahr?!"
Adenauer abgetreten? Das lag dem Kanzler, der sich für unersetzbar hielt, fern. Erst einmal nahm er sich eine kleine Auszeit.
"Der Kanzler fährt in Urlaub und zeigt den Journalisten auf dem Bahnsteig seine Reiselektüre: das Grundgesetz. Er studiert es tatsächlich und entdeckt darin sicher die bittere Wahrheit: Als Bundespräsident könnte er seinen Kandidaten nicht ohne weiteres ins Kanzleramt bringen."
Das schreibt Alfred Grosser in seiner "Deutschlandbilanz". Tatsächlich kam es bald zum großen Streit um die Frage, wer nach Adenauer Bundeskanzler werden sollte. In der CDU gab es große Sympathien für den Wirtschaftsminister: Ludwig Erhard. Den hielt Adenauer jedoch für unfähig. Als er spürte, dass er einen Kanzler Erhard kaum würde verhindern können, begann er zu schwanken - und am 5. Juni war die zweite Bonner Sensation dieses Frühjahrs perfekt. Der RIAS meldete:
"Dr. Adenauer will Bundeskanzler bleiben. Die Nachricht, dass der Kanzler auf das Amt des Bundespräsidenten verzichtet hat, schlug wie eine Bombe ein."
Die Empörung über Adenauer war groß - nicht nur bei der SPD-Opposition, sondern auch in den Unionsparteien.
""Sturm gegen Adenauer","
titelte die "Bildzeitung". CDU und CSU hatten nun ein brennendes Problem. Weniger als vier Wochen vor der Bundespräsidentenwahl hatten sie keinen Kandidaten. In dieser Situation fiel die Wahl auf den Bundesernährungsminister: Heinrich Lübke.
Adenauers Rücktritt von der Präsidentschaftskandidatur markierte die Wende in seiner politischen Karriere. Das Vertrauen in ihn schwand und der Wunsch, ihn loszuwerden, wurde auch in seiner eigenen Partei immer größer.
"Bonn: Bundeskanzler Konrad Adenauer wird für das Amt des neuen deutschen Bundespräsidenten kandidieren. Mit dieser Mitteilung wurde heute Nachmittag die Öffentlichkeit überrascht."
Am Nachmittag des 7. April 1959 gab Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier bekannt, womit niemand gerechnet hatte.
"Der Herr Bundeskanzler hat sich bereit erklärt, die Kandidatur für die Bundespräsidentenwahl anzunehmen."
1959 endete die zweite - und damit letzte - Amtszeit des ersten Bundespräsidenten, des Liberalen Theodor Heuss. Die Unionsparteien, die im Bundestag mit absoluter Mehrheit regierten, wollten nun einen Bundespräsidenten aus ihren eigenen Reihen. Im Februar 1959 gerieten sie in Zugzwang: Die SPD präsentierte den hoch angesehenen Carlo Schmid als ihren Kandidaten.
Adenauer versuchte Wirtschaftsminister Ludwig Erhard in Stellung zu bringen, scheiterte jedoch am Widerstand in seiner eigenen Partei. Anfang April brachte Adenauers engster Vertrauter, Staatssekretär Hans Globke, den Kanzler auf einen Gedanken. Wenn die Union Adenauer vorschlagen werde, dann werde Adenauer wohl ablehnen…
"…es sei denn, wir hätten eine Verfassung, wie de Gaulle sie habe."
Das war ein Traum für Adenauer. Der Präsident bestimmt den Regierungschef und die großen Linien der Politik; um die Alltagsprobleme des Regierens kümmert sich der Kanzler. Plötzlich interessierte sich Adenauer für das neue Amt und machte sich Gedanken, wer denn unter ihm Kanzler werden sollte. Und am 7. April konnte Eugen Gerstenmaier freudestrahlend das einmütige Votum der CDU verkünden:
"Der Herr Bundeskanzler wird deshalb der Kandidat der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union sein."
Was diese Entscheidung nach den Bestimmungen des Grundgesetzes bedeutete, fasste der RIAS in einem Satz zusammen:
"Für Dr. Adenauer bedeutet das das Ausscheiden aus der aktiven Politik."
Das sah Adenauer anders. Einen Tag nach Bekanntgabe seiner Kandidatur deutete er an, wie er die politischen Möglichkeiten des Bundespräsidenten einschätzte:
"Ich möchte in zwei Sätzen mit allem Nachdruck Folgendes sagen: Die Stellung, die Aufgabe und die Arbeit des Bundespräsidenten wird in der deutschen Öffentlichkeit und damit auch in der internationalen Öffentlichkeit zu gering eingeschätzt. Sie ist viel größer, als man schlechthin glaubt."
Bei einer Straßenumfrage meinten diese Westberliner:
"Ich freue mich für ihn, dass er endlich mal sein Leben etwas genießen kann. Das ist viel mehr wert, als sich da abzurackern."
"Meine Meinung ist, dass Adenauer zum richtigen Zeitpunkt abgetreten ist, denn er ist doch schon überaltert, nicht wahr?!"
Adenauer abgetreten? Das lag dem Kanzler, der sich für unersetzbar hielt, fern. Erst einmal nahm er sich eine kleine Auszeit.
"Der Kanzler fährt in Urlaub und zeigt den Journalisten auf dem Bahnsteig seine Reiselektüre: das Grundgesetz. Er studiert es tatsächlich und entdeckt darin sicher die bittere Wahrheit: Als Bundespräsident könnte er seinen Kandidaten nicht ohne weiteres ins Kanzleramt bringen."
Das schreibt Alfred Grosser in seiner "Deutschlandbilanz". Tatsächlich kam es bald zum großen Streit um die Frage, wer nach Adenauer Bundeskanzler werden sollte. In der CDU gab es große Sympathien für den Wirtschaftsminister: Ludwig Erhard. Den hielt Adenauer jedoch für unfähig. Als er spürte, dass er einen Kanzler Erhard kaum würde verhindern können, begann er zu schwanken - und am 5. Juni war die zweite Bonner Sensation dieses Frühjahrs perfekt. Der RIAS meldete:
"Dr. Adenauer will Bundeskanzler bleiben. Die Nachricht, dass der Kanzler auf das Amt des Bundespräsidenten verzichtet hat, schlug wie eine Bombe ein."
Die Empörung über Adenauer war groß - nicht nur bei der SPD-Opposition, sondern auch in den Unionsparteien.
""Sturm gegen Adenauer","
titelte die "Bildzeitung". CDU und CSU hatten nun ein brennendes Problem. Weniger als vier Wochen vor der Bundespräsidentenwahl hatten sie keinen Kandidaten. In dieser Situation fiel die Wahl auf den Bundesernährungsminister: Heinrich Lübke.
Adenauers Rücktritt von der Präsidentschaftskandidatur markierte die Wende in seiner politischen Karriere. Das Vertrauen in ihn schwand und der Wunsch, ihn loszuwerden, wurde auch in seiner eigenen Partei immer größer.