Archiv

Kanzlerin vor dem EU-Parlament
Merkel und die Zukunft Europas

Die "Zukunft Europas" steht heute im Mittelpunkt einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem EU-Parlament in Straßburg. Europaabgeordnete erwarten, dass sie sich zu Themen wie einer gemeinsamen Außengrenzsicherung oder der Migrationspolitik äußert. Auch der Brexit dürfte zur Sprache kommen.

Von Paul Vorreiter |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel
    Bundeskanzlerin Angela Merkel redet heute vor dem EU-Parlament in Straßburg (AFP / Ben Stansall)
    "Danke, Danke, aber ihr wisst ja noch gar nicht, was ich sagen, ich würde vorsichtig sein, also", heißt es abwarten, ob die Kanzlerin am Nachmittag im Parlament in Straßburg ebenso feierlich empfangen wird, wie vergangene Woche beim Parteitag der Europäischen Volkspartei (EVP) in Helsinki.
    Merkel präsentiert sich im Debattenformat zur "Zukunft Europas", bei dem die Staats- und Regierungschefs vor den Abgeordneten ihre Ideen und Visionen für die künftige EU schildern. Seit Anfang des Jahres organisiert das Parlament diese Debatten. Das Format soll dazu dienen, die EU-Regierungen stärker an das Parlament zu binden.
    Bislang hatten die Auftritte unterschiedliche Schwerpunkte und auch unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte eine Rede zur Verteidigung der Idee einer "europäischen Souveränität" gehalten, den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki hatten die Parlamentarier wegen des Zustandes der Rechtsstaatlichkeit in Polen scharf kritisiert.
    Merkels Schwerpunkt noch unklar
    Bleibt nun, abzuwarten, welche Schwerpunkte Kanzlerin Merkel setzen wird. Zumal auch an ihrer Gestaltungskraft gezweifelt wird, seit sie den Rückzug vom Amt der CDU-Chefin angekündigt hat. Vergangenen Sonntag hatte Merkel im Rahmen der Feierlichkeiten zum Ende des 1. Weltkriegs in Paris vor einer Gefahr für das europäische Friedensprojekt gewarnt. Die CDU-Politikerin sei in Sorge, dass sich "wieder nationales Scheuklappendenken ausbreitet".
    Der CDU-Europaabgeordnete David McAllister geht von einem gesteigerten Interesse der Parlamentarier an der Rede der Kanzlerin aus. Er erwartet, dass Merkel dabei zentrale europäische Projekte anspricht:
    "Zum Beispiel die Notwendigkeit einer enger abgestimmten, gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die Migrationspolitik und die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Außengrenzsicherung wird mit Sicherheit eine Rolle spielen und ich gehe davon aus, dass sich die Bundeskanzlerin auch detailliert zu Fragen einer wachstumsorientierten, nachhaltigen Wirtschaftspolitik äußern wird."
    Die Erwartungen von Jens Geier, dem Vorsitzenden der Europa-SPD hinsichtlich der Rede von Kanzlerin Merkel sind dagegen gering. Er fordert sie zu einem Bekenntnis auf:
    "Ich würde mir von einer christdemokratischen Parteichefin wünschen, dass sie sich klar zum Spitzenkandidatenprozess bekennt, weil das ist eine wichtige Demokratisierung der EU. Die Damen und Herren aus dem christdemokratischen Lager fremdeln damit, weil das war früher so schön bequem, als man sich den EU-Kommissionspräsidenten ausmauscheln konnte".
    Brexit-Verhandlungen dürften Thema sein
    Für Diskussionen dürfte auch der Umgang mit umstrittenen Mitgliedern innerhalb der Europäischen Volkspartei sorgen. Martin Schirdewan, Europaabgeordneter der Partei Die Linke:
    "Hier muss ein klares Signal gegen Rechts ergehen, gegen Viktor Orban der ja immer noch Mitglied der Europäischen Volkspartei ist. Hier geht es darum, die machttaktischen Spielchen sein zu lassen und hier ganz klar Stellung zu beziehen für die Demokratie. Auch das erwarten wir von Angela Merkel."
    Für die Aussprache zur "Zukunft Europas" sind ab 15 Uhr zweieinhalb Stunden angesetzt; ausreichend Zeit, um mit den Abgeordneten viele Problemfelder zu streifen. Eine Rolle dürften neben den genannten Thema auch spielen: Die aktuellen Brexit-Verhandlungen, Herausforderungen an den Multilateralismus, die Rolle Europas in einer digitalisierten Welt und der Wirtschaftsstandort Europa im Lichte einer stärkeren Konkurrenz aus Asien.