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Kapitalismus
Ökonomie zwischen Markt und Moral

Spätestens seit der Bankenkrise ist das Credo in die segensreiche Macht des Marktes erschüttert. Auch die Geschäftspolitik der Internetgiganten fördert nicht gerade Vertrauen in den Kapitalismus. Dabei gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, um die Folgen der neoliberalen Reformen abzumildern.

Von Peter Leusch | 14.11.2019
Demonstranten in gelben Westen tragen ein Transparent mit der Aufschrift "Work Hard, Have Fun. Make Tarifvertrag"
Kapitalismus - die Wirtschaftsform der Zukunft? (imago/snapshot/F. Boillot)
"Der Kapitalismus ist die pragmatische Antwort auf die starke Zunahme der Bevölkerung, ihre Konzentration in bestimmten Städten und die dadurch entstehenden Massenmärkte, die eben nur so bedient werden konnten. Insofern ist der Kapitalismus die Art und Weise, wie arme Leute Güter herstellen, die sie auch selber konsumieren können." Werner Plumpe, Wirtschaftshistoriker, Universität Frankfurt.
"Ein Kapitalist ist jemand, für den das Unternehmen ein Anlageobjekt ist, wo er Geld hinein steckt und mehr Geld rausholen will. Und das, finde ich, müssen wir überwinden." Sahra Wagenknecht, Ökonomin, Politikerin der Partei Die Linke
"Unter Kapitalismus verstehe ich ein dezentralisiertes System, in dem die Menschen in Unternehmen arbeiten, um etwas Nützliches zu bewirken. Wir sind miteinander verbunden. Diese Verbundenheit ist in den letzten 30 oder 40 Jahren untergraben worden." (mit dt. Übersetzung) Paul Collier, britischer Ökonom, Universität Oxford.
Werner Plumpe: Ökonomie der Armen für die Armen
Drei Stimmen aus Wirtschafts- und Politikwissenschaft, die sich in der neu entfachten Debatte um den Kapitalismus zu Wort gemeldet haben. Wachsende soziale Ungleichheit, Turbokapitalismus, Rückkehr des Dschungels und Abbau des Sozialstaates klagen die einen, während die anderen den Kapitalismus gegen diese Vorwürfe in Schutz nehmen und verteidigen.
Zu diesen Verteidigern gehört Professor Werner Plumpe, der bis zu seiner Emeritierung an der Universität Frankfurt Wirtschaftsgeschichte lehrte. In seinem aktuellen Buch "Das Kalte Herz: Kapitalismus – die Geschichte einer andauernden Revolution" zeichnet er den Kapitalismus als Erfolgsgeschichte. Plumpe definiert ihn als Ökonomie der Armen für die Armen.
"Damit meine ich, dass seit dem 17. Jahrhundert in zunehmendem Maße eine Produktion entsteht, die von Anfang darauf abzielt, den Bedarf der einfachen Menschen zu befriedigen. Das ist eine Produktion, die nicht mehr handwerklich und teuer auf technisch hohem Niveau durch geführt werden kann, … in den großen Städten leben immer mehr Menschen, die sich diese teuren Dinge nicht leisten können, und dafür muss es ein anderes Angebot geben, und dieses Angebot kann nur in der großen Serie bestehen, nur dann ist man in der Lage, Dinge einigermaßen preiswert herzustellen, - und genau das verlangt sehr viel Kapital, das ich einsetzen muss."
Plumpe ist von Hause aus Historiker, der in Langzeitperspektive auf den Kapitalismus schaut. Hinter allem Auf und Ab der Entwicklung entdeckt Plumpe einen logischen Mechanismus: Menschen müssen ihre Arbeitskraft billig verkaufen, um jene Produkte so preiswert herzustellen, dass sie diese Güter als Konsumenten bezahlen können. Es ist das Gesetz einer kühlen, aber hocheffizienten Wirtschaftsmaschine. Zu deren Startschwierigkeiten, so Plumpe, müsse man auch die Ausbeutung im 19. Jahrhundert zählen.
"Kapitalismus ist keine Veranstaltung, von der man sagen könnte, dass sie sozial warm ist, das Buch heißt ja auch "Das kalte Herz", aber niedrige Löhne sind vielleicht zu Anfang des Kapitalismus ein Vorteil gewesen. Heute fehlt im Kapitalismus ja meistens der zahlende Kunde. Der Arbeiter, der im Kapitalismus die Güter herstellt, ist ja zugleich auch derjenige, der mit seinem Lohn auf den Märkten als Kunde auftritt - und das führt im historischen Ergebnis dazu, dass die Durchschnittseinkommen der arbeitenden Menschen deutlich angestiegen sind."
Aber verhält sich das wirklich so mit den Durchschnitteinkommen? Der französische Ökonom Thomas Piketty hat 2013 in seinem Buch mit dem Titel "Das Kapital im 21. Jahrhundert" eine wachsende soziale Ungleichheit festgestellt. Das Buch ist einer der Anstöße der gegenwärtigen Debatte. Piketty vertritt darin die weiterführende These, dass diese wachsende Ungleichheit die Demokratie und den sozialen Frieden bedrohe.
"Die Daten von Piketty sind in der Zwischenzeit sehr intensiv diskutiert worden. Die historischen Tendenzen, die er da glaubt festmachen zu können, haben sich nicht wirklich bestätigt. Es gibt immer wieder Phasen einer zunehmenden Ungleichheit, es gibt Phasen einer zurückgehenden sozialen Ungleichheit. Es hängt sehr stark von den Daten ab, wie ich sie berechne, wie ich sie bewerte, zu welchen Ergebnissen ich da im Einzelnen komme."
Wagenknecht: Kapitalismus befolge nicht das Leistungsprinzip
Nach jüngsten statistischen Erhebungen stagniert in den letzten Jahren die soziale Ungleichheit in Deutschland. Piketty bezog sich aber in seiner These weniger auf Einkommensunterschiede, sondern viel mehr auf die Vermögensunterschiede. Hier knüpft auch Sahra Wagenknecht mit ihrer Kritik am Kapitalismus an. Der Kapitalismus, so Wagenknecht, befolge selbst gar nicht das Leistungsprinzip, das er ausgerufen hat.
"Die allergrößten Einkommen im Kapitalismus sind leistungslose Einkommen, nämlich Einkommen aus purem Vermögensbesitz. Das stellt sogar die Manager- Gehälter in den Schatten. Also die allergrößten Einkommen sind Einkommen aus ererbten Vermögen, Einkünfte ohne irgendetwas im Leben dafür tun zu müssen."
Die promovierte Volkswirtin Sahra Wagenknecht ist 2016 mit einem publizistischen Manifest in die Kapitalismusdebatte eingestiegen. Ihr Buch trägt den Titel "Reichtum ohne Gier. Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten" Nach der Veröffentlichung hat sie bei einer Podiumsdiskussion ihre Thesen erläutert. Der Kapitalismus, so Wagenknecht, widerspreche in der Praxis seinen eigenen Ansprüchen. Das Versprechen, von seiner ehrlichen Arbeit könne jeder leben, ja sich emporarbeiten, entspreche nicht der Realität.
"Wir in Deutschland haben inzwischen einen Niedriglohnsektor, der umfasst ein Viertel aller Beschäftigten. Und das sind Jobs, in denen sehr viel geleistet wird. Also beispielsweise gerade die ganzen humanen Dienstleistungen, Altenpflege, Menschen, die in Krankenhäusern arbeiten, aber auch Kindergärtnerinnen und viele, viele andere mehr, sind vielfach ganz schlecht bezahlte Jobs. Oft wird die gleiche Leistung ganz unterschiedlich bezahlt, je nachdem ob man ein Festangestellter ist, ein Leiharbeiter, ein Werkvertragler - die stehen nebeneinander, die machen genau das Gleiche, bekommen aber ganz unterschiedliche Gehälter."
Neoliberale Reformen - Auswirkungen auf Betriebsklima
Die Deregulierung der letzten 30 Jahre hat zu einer Spaltung des Arbeitsmarktes geführt, nicht nur was die Bezahlung angeht. Die neoliberalen Reformen haben auch negative Auswirkungen auf das Betriebsklima und die Identifikation mit dem Unternehmen. Wo Unternehmen zugunsten der Gewinnmaximierung lieber mit Leiharbeitern statt mit Festangestellten operieren, sei die Bindung zwischen Unternehmen und Mitarbeitern verloren gegangen, moniert der britische Wirtschaftswissenschaftler Professor Paul Collier.
"Wir hatten in der Vergangenheit eine Form des sanfteren Kapitalismus, wo die Unternehmen auch Verpflichtungen verspürten, sowohl gegenüber der Gemeinschaft wie auch gegenüber den eigenen Arbeitern. Und das wurde erwidert durch eine Art Geist der Zusammenarbeit und durch Loyalität. Das ist nun in den letzten Jahren verloren gegangen. Wir müssen dahin zurückkommen. Was die Axt an diese Idee gelegt hat, ist eine amerikanische Idee, wonach Unternehmen ausschließlich auf Gewinn ausgerichtet seien. Diese verätzende Idee hat tatsächlich dieses vorher bestehende Gefüge zernagt." (dt. Übersetzung)
Im unteren Dienstleistungsbereich – dazu gehören Einzelhandel, Security-Firmen, Zustelldienste und Reinigungsbetriebe - erhalten Arbeitende kaum noch Anerkennung für ihre Tätigkeit und können keinen Berufsstolz und kein Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen mehr entwickeln. Früher war die Putzfrau beim Unternehmen selbst beschäftigt, sie gehörte zur Mitarbeiterschaft, worauf sie auch bei mäßiger Bezahlung stolz sein konnte - heute ist sie outgesourct, nur noch Rädchen einer anonymen Reinigungskolonne, die heute hier und morgen dort zum Einsatz kommt.
Collier: Rückkehr der Moral ins Wirtschaftsleben
Wegen Beispielen wie diesen prangert Paul Collier eine "Rottweiler-Gesellschaft" an und fordert Reformen. Was wir bräuchten, sei ein "Sozialer Kapitalismus" so heißt auch sein neuestes Buch. Es trägt den Untertitel "Mein Manifest gegen den Zerfall unserer Gesellschaft." Collier fordert die Rückkehr der Moral ins Wirtschaftsleben.
"Die Heilung kommt daher, dass wir den Rückbezug wieder herstellen zwischen den Rechten und den Verpflichtungen, zwischen Ansprüchen und Verantwortung. Früher war es doch klar, dass Unternehmen nicht nur auf Gewinn angelegt sind, sondern dass sie auch Verpflichtungen haben, sowohl gegenüber der Gesellschaft wie auch gegenüber ihren Arbeitern. Wir müssen zurückkommen zu diesem zentralen Begriff der Pflicht, der den Bürgern dann sowohl als Einzelnen wie auch in den Unternehmen Ansprüche und Rechte auf Teilhabe verschafft." (dt. Übersetzung)
Der Kapitalismus hat sich historisch gegen seine Alternative, gegen den Sozialismus durchgesetzt. Überlegen war vor allem die auf freiem Wettbewerb und Konkurrenz fußende Marktwirtschaft, während die Planwirtschaft an politischer Bevormundung, Bürokratie und Phlegma scheiterte. Aber gerade in den Zukunftsbranchen funktionieren die Märkte nicht mehr, kritisiert Wagenknecht:
"Die ganzen modernen digitalen Ökonomien, da haben wir große globale Monopolisten. Google hat doch keinen Markt, der irgendwie dieses Unternehmen zügelt, Facebook, Amazon, Apple, - bei iPhones gibt es vielleicht zwei Anbieter, die sich Konkurrenz machen. Und in vielen anderen Bereichen ist es auch so. Insofern ist es auch nicht korrekt zu sagen, der Kapitalismus ist Marktwirtschaft."
Plumpe: China wird Google und Co. Konkurrenz machen
Plumpe, als Wirtschaftshistoriker, relativiert die marktbeherrschende Stellung von Google, Facebook & Co als Momentaufnahme.
"Die hundert größten Unternehmen, die in Deutschland existiert haben um 1900 herum, das waren gewaltige Komplexe, die gibt es dummerweise heute nicht mehr. Facebook, Google, Amazon und Apple, die haben im Moment eine relativ starke und große Bedeutung, aber denken wir 25 Jahre zurück, da wusste niemand, dass es sie gibt. Gehen wir noch einmal 25 Jahre nach vorne …. allein das, was in China aufkommt, allein die Globalisierung der Weltwirtschaft wird dazu führen, dass in diesen Märkten andere Anbieter auftauchen, dass da Konkurrenz ist."
Auch wenn er die Robustheit des Kapitalismus betont, der bisher aus jeder seiner Krisen verstärkt hervorgegangen ist, so vertritt Plumpe dennoch keinen Marktfundamentalismus, welcher annimmt, dass der Markt ein Selbstregulativ sei, dessen freiem Spiel sich Staat und Gesellschaft unterordnen sollten. Die kapitalistische Marktwirtschaft braucht eine Macht, die ihr Funktionieren ordnet und sichert.
Plumpe: Staat als Hüter des Marktes
"Es braucht einen Hüter des Marktes, der verhindert, dass Einzelinteressen den Markt in ihrem Interesse einseitig verändern, nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben. Der Hüter des Marktes zu sein, das ist die Aufgabe des Staates, in diesem Sinne muss er auch mit den neuen Internetgiganten umgehen, aber dass sich da eine ganz neue Welt einstellt, das glaube ich nicht, dazu ist der Wandel im Kapitalismus einfach viel zu stark."
Zu den wirtschaftspolitischen Aufgaben des Staates, betont Plumpe, gehört die Sicherung des Privateigentums, des Geld- und Bankensystems, aber auch die Risikoabsicherung - auf Kapitalseite ebenso wie auf Arbeitnehmerseite, was Krankheit, Arbeitslosigkeit und Rente anbelangt. Der Kapitalismus ist Plumpe zufolge eine gleichsam wertfreie Maschine von Kapital und Arbeit, von Produktion und Konsum. Für Fragen von Recht und Moral hingegen sind der Staat und die Gesellschaft zuständig.
Collier: Metropolregionen sind Schöpfung der ganzen Nation
Paul Collier geht einen Schritt weiter, er verlangt dass neben dem Gewinnstreben auch moralische Werte ins wirtschaftliche Handeln einziehen. Und der Staat muss für sozialen Ausgleich sorgen, zum Beispiel indem er die städtischen Eliten stärker besteuert als die Menschen in ländlichen Regionen. Aber ist das nicht ungerecht?
"Überhaupt nicht. Diese hochausgebildeten Fachkräfte, die gut gebildeten Leute in den großstädtischen Räumen, sind höchst produktiv. Sie sind es aber nicht nur aufgrund ihrer eigenen Fertigkeiten, sondern weil sie alle zusammenkommen und sich in diesen Metropolregionen gegenseitig befruchten. Aber diese Metropolregionen sind nicht entstanden nur durch diese Eliten, sondern sie sind die Schöpfung der ganzen Nation, über Jahrzehnte, Jahrhunderte hinweg hat ein ganzes Land, hat die Nation investiert in die Schaffung dieser hochproduktiven Zentren. Es ist dann sehr ungesund, wenn man das vergisst, wenn sich diese Zentren loslösen und auf einen Höhenflug gehen, während der Rest des Landes in eine Abwärtsspirale gerät." (dt. Übersetzung)
Paul Collier macht Reformvorschläge, er möchte den neoliberalen enthemmten Kapitalismus wieder zu zähmen, er möchte einen "Sanften Kapitalismus".
Mason: Internet wird Eigentumsbegriff aushebeln
Das sei Vergeblich, meint der britische Wirtschaftsjournalist Paul Mason, der mit seinem vieldiskutierten Buch "Postkapitalismus" einmal mehr den Untergang des Kapitalismus ausgerufen hat. Das Internet, in dem Informationen und Güter geteilt werden – Stichwort: Wikipedia - würde künftig die harten Eigentumsbegriffe ebenso auflösen wie es die Kontrollmächte des Marktes aushebelt, zugunsten einer vernetzten Menschheit. Besondere Hoffnung setzt Mason dabei auch in die Sharing Economy. Doch die hat, so Sahra Wagenknecht, längst ihre Unschuld verloren.
"Da wird viel idealisiert: die so genannte sharing economy als ein ganz zukunftsträchtiges Modell. Und dann gucken wir genau hin, was ist sharing economy? Das ist zum Beispiel Airbnb, was weltweit mehr Betten anbietet als Hilton oder andere Hotelketten. Aber es ist ein erzkapitalistisches Unternehmen, und das hat nichts mit Teilen und Gemeinsamkeit zu tun."
Schnell ist deutlich geworden, wie die alternativen Ansätze der sharing economy von Kapitalmarkt geschluckt worden sind. Sahra Wagenknecht selber macht einen anderen Vorschlag zur Überwindung des Kapitalismus, "Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten", so lautet ja auch der Untertitel ihres Buches "Reichtum ohne Gier":
"Der Kernvorschlag meines Buches sind andere Eigentumsverhältnisse im wirtschaftlichen Bereich, die sich ein bisschen anlehnen an das, was es heute gibt, nämlich Unternehmensträgerstiftungen, die bedeuten, dass das Unternehmen sich selbst gehört."
Wagenknecht: Marktsozialismus nach genossenschaftlichem Vorbild
Wagenknecht als ausgewiesene Gegnerin des Kapitalismus will nicht zurück zur Staatswirtschaft, wo die Unternehmen dem Staat gehören, sie will keine Staatswirtschaft, sondern eine Demokratisierung des Kapitals nach genossenschaftlichem Vorbild.
"Die älteste Unternehmensträger-Stiftung in Deutschland ist die Karl-Zeiss-Stiftung, die tatsächlich damals von Ernst Abbe mit dem Fokus gegründet wurde, dass er gesagt hat, er will keine Aktiengesellschaft, er will nicht dass das Unternehmen dem Diktat des sich mehrenden Geldes unterliegt, sondern er will, dass die Erfolge dieses Unternehmens denen zu Gute kommen, die im Unternehmen arbeiten, und denen die Erfolge auch zu danken sind."
Wagenknechts Modell wäre eine Art Marktsozialismus, übrigens keine neue Idee in der Geschichte ökonomischen Denkens. Schon der englische Sozialtheoretiker John Stuart Mill war zwar ein Verfechter des freien Marktes, zugleich aber der Auffassung, dass die Unternehme ihren Mitarbeitern gehören sollten. Genossenschaften gibt es zwar viele, meist sind es aber kleinere Unternehmen mit nur lokaler Reichweite. Könnten sie sich im harten Konkurrenzkampf gegen kapitalintensive Unternehmen behaupten? Plumpe ist skeptisch, er hält Wagenknechts Konzept für Sozialromantik.
"Was Wagenknecht hier im Einzelnen vorstellt, das kann ich nicht sagen, weil ich es nicht gelesen habe, aber jetzt herzugehen und bestimmten Beschäftigten des Unternehmens ein bestimmtes Eigentumsrecht genossenschaftlicher oder sonstiger Art zuordnen, das kann ich mir praktisch wenig vorstellen. Was passiert denn, wenn eine Mehrheit plötzlich sagt, nein, wir wollen diese Investitionen in Zukunftstechnik nicht haben, wir wollen lieber den Betriebskindergarten erweitern oder Ähnliches mehr, alles Dinge, die man sich vorstellen muss. Also das sind romantische Vorstellungen."
Finanzkapitalismus losgelöst von der Realwirtschaft
Werner Plumpe verteidigt den Kapitalismus als eine hocheffiziente Wirtschaftsmaschine, die bis jetzt allen anderen Konzepten überlegen ist. Fragen der Gerechtigkeit und der Moral haben ihren Platz außerhalb, der Staat muss sie in den Regeln und Rahmenbedingungen ökonomischen Handelns unterbringen.
Paul Collier, der Kritiker, möchte den Kapitalismus in der Weise reformieren, dass Moral, dass wechselseitige Verantwortung und Loyalität in die Unternehmen zurückkehren nach der Devise: Wirtschaft braucht Werte.
Sahra Wagenknecht, die Gegnerin des Kapitalismus, plädiert für eine Art Marktsozialismus nach genossenschaftlichem Vorbild. Sie plädiert für einen dritten Weg, jenseits von kapitalistischer privat- und sozialistischer Staatswirtschaft.
Bis heute, das hat zuletzt die Bankenkrise gezeigt, erhebt sich der totgesagte Kapitalismus aus jeder Krise wieder wie Phönix aus der Asche. Seine neueste Gestalt ist ein Finanzkapitalismus, der sich von der Realwirtschaft abgelöst und verselbständigt hat. Wenn beispielsweise der weltweit größte Finanzinvestor, Blackrock, sechs Billionen Dollar managt, so die Börsenexpertin Heike Buchter, Gelder von Staatsfonds, Versicherungen und Pensionskassen ebenso wie von Kleinanlegern, dann muss man sich fragen:
"Welche politische Macht und Einflussnahme erwächst diesem Finanzakteur, aber auch welche Risiken verbergen sich hier, wenn das Vertrauen in die diversen Anlagepapiere schwindet und Panikverkäufe einsetzen?" Viele ungeklärte Fragen, auch an die Adresse der Wissenschaft.