Wenn Engländer well-made-plays schreiben, dann kann daraus ganz anständiges Theater werden, und wenn diese Stücke dann auch noch politisch aufgeladen sind, dann ist das sicherlich eine respektable Form sich mit Welt und Gegenwart auseinanderzusetzen. Das deutschsprachige Theater allerdings hat wenig Sinn für diese Stücke mit Handlung, Botschaft und Moral, hier erwartet man auch ästhetisch mehr als das kleine Fernsehspiel. Der britische Autor Dennis Kelly schreibt politisch ambitionierte Well-Made-Plays, die heißen "DNA" oder "Liebe und Geld" und haben ihren Weg auch auf deutsche Bühnen gefunden.
"Als ich diese Firma übernommen habe, vor 30 Jahren, da war sie ein drittklassiges Versorgungsunternehmen. Ich habe sie hergenommen und geformt und manches zerstört, damit anderes entsteht. Ich habe euch geformt. Euch alle."
Bei seinem jüngsten Stück nun wollte Kelly sichtlich mehr als bisher leisten, so beginnt "Die Götter weinen" zwar ganz konventionell als Einblick in eine Konzernzentrale, in der ein alternder Patriarch gerade seine Macht verteilt und seinen schrittweisen Rückzug vorbereitet, doch dann bricht Kelly sein Stück auf zum großen Weltenpanorama, in dem die Nachfolger des Hardcore-Worldplayers ihrem Ziehvater nicht nur seine ökologischen Wiedergutmachungsprogramme vermiesen, sondern sich auch untereinander bekriegen. Und das nicht nur von Büro zu Büro, sondern draußen im Feld, auf der Heide sozusagen. Dennis Kelly macht keinen Hehl daraus, dass er sich nichts Geringeres als William Shakespeares Lear zur Blaupause genommen hat, da rücken ganze Heere aufeinander und am Schluss ist die Welt ein Trümmerfeld, in dem der moderne alte Lear zum Steinzeitgreenhorn mutiert, das nicht einmal in der Lage ist sich ein Eichhörnchen zu schießen. Nur gut, dass er hier im apokalyptischen Nirgendwo auf die Tochter eines ehemaligen Konkurrenten trifft, den er einmal sehr unschön aus der Welt gedrängt hat. Denn die weiß, wie man Schafe stiehlt und Feuer macht. Lear hat also auch wieder eine Tochter, wenn es auch nicht die leibliche ist, so ist sie immerhin patent.
Es ist wahrlich viel, was Dennis Kelly da in seinem Stück zusammengerührt hat, ein Stück, was zugleich auf geradezu penetrante Weise benennt:
"Jetzt sind wir dran, wir die transnationalen Versorger. Wir spielen in Zukunft die entscheidende Rolle bei der Vermarktung der Agrarerzeugnisse. Wir werden von den dauerhaft niedrigen Produktionskosten vor Ort enorm profitieren. Ackerland ist besser als Gold."
Zwar mag man sich das Abbild derjenigen, die uns gerade mit ihren transnationalen Megakonzernen in die Krise geritten haben durchaus mit surreal-apokalyptischen Schlachtengemälden zusammen denken, doch auf dem Theater will das alles nicht so recht zünden, schon gar nicht mit der nachgereichten postzivilisatorischen Familienidylle. Auch nicht wenn Lear Pate steht.
Im Münchner Residenztheater hat sich nun auch Regisseur Dusan David Parizek sichtlich abgemüht, dem Stück einen ästhetischen Rahmen abzuringen. So lässt er den konventionellen ersten Teil als eine Art sit-up-Tragödie spielen, indem er die 10 Schauspieler auf 10 Stühle vor einen bühnenhohen Keil aus zwei Wänden setzt, die jeweils Beteiligten stehen für ihre Szenen auf und setzen sich dann wieder. Sind schon hier die Anleihen bei den letzten Tschechow-Inszenierungen des verstorbenen großartigen Jürgen Gosch unverkennbar, so scheint Parizek auch Goschs berühmte Macbeth-Inszenierung gesehen zu haben, die den Umgang mit Theaterblut und Kot zum ästhetischen Prinzip machte. Denn auch bei Parizek dürfen sich die Figuren mit viel roter Farbe aus Bottichen bekleckern oder das Erbrochene aus Plastikbeuteln quetschen, dann, wenn die Wände nicht mehr stehen und Krieg herrscht. Doch war bei Gosch die Ausstellung der Theatermittel Teil einer gleichsam ehrlichen Theatererzählung, so wirken die Mittel nun ebenso verzweifelt wie aufgesetzt, was sicherlich zu guten Teilen an dem manchmal schon peinlichen Weltengestus des Stückes liegt. Dann allerdings bleibt die Frage, warum sich der Regisseur und warum sich die neue Leitung des Münchner Residenztheater um Martin Kusej ausgerechnet für dieses Stück entschieden hat. Denn der verständliche Reflex, das Stück zur Krise liefern zu wollen, darf den dramaturgischen Blick auf Texte nicht trüben.
"Als ich diese Firma übernommen habe, vor 30 Jahren, da war sie ein drittklassiges Versorgungsunternehmen. Ich habe sie hergenommen und geformt und manches zerstört, damit anderes entsteht. Ich habe euch geformt. Euch alle."
Bei seinem jüngsten Stück nun wollte Kelly sichtlich mehr als bisher leisten, so beginnt "Die Götter weinen" zwar ganz konventionell als Einblick in eine Konzernzentrale, in der ein alternder Patriarch gerade seine Macht verteilt und seinen schrittweisen Rückzug vorbereitet, doch dann bricht Kelly sein Stück auf zum großen Weltenpanorama, in dem die Nachfolger des Hardcore-Worldplayers ihrem Ziehvater nicht nur seine ökologischen Wiedergutmachungsprogramme vermiesen, sondern sich auch untereinander bekriegen. Und das nicht nur von Büro zu Büro, sondern draußen im Feld, auf der Heide sozusagen. Dennis Kelly macht keinen Hehl daraus, dass er sich nichts Geringeres als William Shakespeares Lear zur Blaupause genommen hat, da rücken ganze Heere aufeinander und am Schluss ist die Welt ein Trümmerfeld, in dem der moderne alte Lear zum Steinzeitgreenhorn mutiert, das nicht einmal in der Lage ist sich ein Eichhörnchen zu schießen. Nur gut, dass er hier im apokalyptischen Nirgendwo auf die Tochter eines ehemaligen Konkurrenten trifft, den er einmal sehr unschön aus der Welt gedrängt hat. Denn die weiß, wie man Schafe stiehlt und Feuer macht. Lear hat also auch wieder eine Tochter, wenn es auch nicht die leibliche ist, so ist sie immerhin patent.
Es ist wahrlich viel, was Dennis Kelly da in seinem Stück zusammengerührt hat, ein Stück, was zugleich auf geradezu penetrante Weise benennt:
"Jetzt sind wir dran, wir die transnationalen Versorger. Wir spielen in Zukunft die entscheidende Rolle bei der Vermarktung der Agrarerzeugnisse. Wir werden von den dauerhaft niedrigen Produktionskosten vor Ort enorm profitieren. Ackerland ist besser als Gold."
Zwar mag man sich das Abbild derjenigen, die uns gerade mit ihren transnationalen Megakonzernen in die Krise geritten haben durchaus mit surreal-apokalyptischen Schlachtengemälden zusammen denken, doch auf dem Theater will das alles nicht so recht zünden, schon gar nicht mit der nachgereichten postzivilisatorischen Familienidylle. Auch nicht wenn Lear Pate steht.
Im Münchner Residenztheater hat sich nun auch Regisseur Dusan David Parizek sichtlich abgemüht, dem Stück einen ästhetischen Rahmen abzuringen. So lässt er den konventionellen ersten Teil als eine Art sit-up-Tragödie spielen, indem er die 10 Schauspieler auf 10 Stühle vor einen bühnenhohen Keil aus zwei Wänden setzt, die jeweils Beteiligten stehen für ihre Szenen auf und setzen sich dann wieder. Sind schon hier die Anleihen bei den letzten Tschechow-Inszenierungen des verstorbenen großartigen Jürgen Gosch unverkennbar, so scheint Parizek auch Goschs berühmte Macbeth-Inszenierung gesehen zu haben, die den Umgang mit Theaterblut und Kot zum ästhetischen Prinzip machte. Denn auch bei Parizek dürfen sich die Figuren mit viel roter Farbe aus Bottichen bekleckern oder das Erbrochene aus Plastikbeuteln quetschen, dann, wenn die Wände nicht mehr stehen und Krieg herrscht. Doch war bei Gosch die Ausstellung der Theatermittel Teil einer gleichsam ehrlichen Theatererzählung, so wirken die Mittel nun ebenso verzweifelt wie aufgesetzt, was sicherlich zu guten Teilen an dem manchmal schon peinlichen Weltengestus des Stückes liegt. Dann allerdings bleibt die Frage, warum sich der Regisseur und warum sich die neue Leitung des Münchner Residenztheater um Martin Kusej ausgerechnet für dieses Stück entschieden hat. Denn der verständliche Reflex, das Stück zur Krise liefern zu wollen, darf den dramaturgischen Blick auf Texte nicht trüben.