Archiv

Kardiologie
Neuartiges Kunstherz soll Thromboserisiko senken

Bislang kommt es beim Kunstherz "Heartmate II" bei jedem zehnten Empfänger zu Thrombosen. Das Nachfolgemodell soll diese Gefahr deutlich reduzieren - dank einer rauen Innenwand des Implantats.

Von Michael Engel |
    Das Kunstherz "Heartmate III" an einem Herzmodell
    Das Kunstherz "Heartmate III" an einem Herzmodell (dpa / Julian Stratenschulte)
    Am Ende war Kurt-Josef M. ans Bett gefesselt, konnte keinen Schritt mehr machen, atemlos. Diagnose: Herzinsuffizienz. Die Pumpleistung seines Herzens betrug nur noch 13 Prozent. Dann kam die Erlösung. Ein Kunstherz. Doch hatte er die Qual der Wahl:
    "Und jetzt war halt der Punkt gekommen: altes System oder neues System? Neues System ohne Zulassung. Studie. Sozusagen Prototyp, was sehr beunruhigend war. Andererseits: Kaufen Sie einen Golf vom alten Modell, können Sie genauso gut Ärger haben."
    Der Patient entschied sich für das neue System "Heartmate III", vor allem wegen der geringeren Thrombosegefahr. Amerikanischen Studien zufolge führte "Heartmate II" - das Vorgängermodell - bei fast jedem zehnten Empfänger zu Thrombosen. Im Extremfall konnte das Kunstherz sogar verstopfen. Auch Schlaganfälle waren die Folge - durch abgeschwemmte Blutgerinnsel. Bei "Heartmate III" ist diese Gefahr deutlich reduziert, hofft Professor Axel Haverich, Herzchirurg an der Medizinischen Hochschule Hannover:
    "Also die Industrie hat auf unseren Vorschlag hin die Titanoberflächen innen gesintert. Das heißt, es sind sehr raue Oberflächen entstanden, die eine neue Innenwandschicht hervorrufen, wenn das Blut daran vorbeifließt."
    Das heißt, es bildet sich eine Innenwandschicht, die das Gerät von innen mit Körperzellen auskleidet. Professor Axel Haverich:
    "Das hat man zunächst nur an einer Stelle des Implantates gemacht. Hier haben wir gesehen, dass wir viel weniger Thrombosen hatten - klinisch. Und das ist jetzt auf das gesamte Implantat übertragen worden und damit gehen wir davon aus, dass allein aufgrund dieser Tatsache das Thromboserisiko schon mal erheblich geringer sein müsste."
    Mit Tierversuchen lässt sich Thrombosegefahr nicht beurteilen
    Da sich die Gerinnsel auch an der Aufhängung der Turbinen bildeten, gibt es die Stege im neuen Modell nicht mehr. Der Rotor schwebt frei in einem Magnetfeld. Ob es hilft, die Thrombosegefahr zu senken, ist ungewiss. Tierversuche im Vorfeld - mit Schweinen und Schafen - konnten diese wichtige Frage nicht beantworten.
    "Für das Schaf beispielsweise können Sie gar keine Blutgerinnung bestimmen, weil die ganzen Faktoren und die Verfahren, die wir in der Humanmedizin üben, in der Tiermedizin völlig unbekannt sind, sodass das eine ganz große Unbekannte ist und wir die Frage 'Thromboserisiko' eigentlich in Großtierimplantaten nicht gut beurteilen können."
    Was bleibt, sind Versuche am Menschen. 50 Patienten sollen vorerst im Zuge einer "Phase I-Studie" mit der neuartigen Pumpe versorgt werden. In einem Jahr - wenn alles glatt läuft - kann die Zulassung erfolgen. Neben Hannover gibt es weitere Studienzentren in fünf Ländern - darunter Australien, Kanada und Österreich, nicht aber in den USA, dem Sitz der Herstellerfirma Thoratec. Grund sind die strengen Zulassungsbestimmungen der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA. Firmensprecher Martin Müller:
    "Die Studienprotokolle und Unterlagen in Amerika dauern ein bisschen länger. Deswegen fangen wir höchstwahrscheinlich im November, Dezember mit der Studie in Amerika. In Europa ist das ein schnellerer Prozess."
    In sechs Monaten, wenn Amerika in die Studie einsteigt, kennt man die Thrombosegefahr. Gerinnsel bilden sich in aller Regel innerhalb von drei Monaten nach Implantation. Doch das ist nicht das einzige Problem. In fünf Prozent der Fälle bilden sich Entzündungen an der sogenannten "Driveline", dem Kabel, das zur externen Stromversorgung durch die Haut geführt werden muss. Und eine drahtlose Energieübertragung ist lange noch nicht in Sicht. Doch nur so, sagt der MHH-Mediziner Dr. Jan Schmitto, wäre das Kunstherz eine echte Alternative zur Herztransplantation:
    "Das ist eine Wunschvorstellung. Allerdings ist es noch nicht Realität. Wir haben noch sehr viel Forschungsbedarf. Aber wir sehen sehr zuversichtlich in die Zukunft, was die Versorgung für unsere schwer herzkranken Patienten betrifft."