Wen auch immer man in Brüssel fragt – die Regeln, die es für den Wechsel von EU-Kommissaren in die Wirtschaft gibt, findet jeder, wiewohl im Detail verbesserungsfähig, richtig und gut. So sieht es der Europaabgeordnete:
"Sowohl von den Regeln als auch von dieser Praxis aus europäischer Ebene, könnte sich der Bundestag etwas abschneiden und könnte nur gewinnen."
So sieht man es bei der Nichtregierungsorganisation Lobby-Control:
"Im Prinzip ist es gut, dass es auf EU-Ebene – im Gegensatz zu Deutschland – Karenzzeiten gibt.
So sieht die EU-Kommission selbst es:
"We are very proud of these rules. I think they are very effective.”
Die Regeln, auf die man stolz sein kann und die sehr effektiv sind, wie EU-Kommissionssprecher Antony Gavrili sagt, es gibt sie seit zehn Jahren für ausscheidende EU-Kommissare. Festgehalten in einem Verhaltenskodex. Vor drei Jahren wurden dieser noch einmal verschärft.
18 Monate Karrenzzeit für scheidene EU-Kommissare
"Für 18 Monate ist es komplett ausgeschlossen, dass ein scheidender EU-Kommissar Lobby-Arbeit in dem Bereich macht, für den er in der Kommission zuständig war. Zudem muss er oder sie innerhalb dieser 18 Monate für jede Art der Tätigkeit, egal ob bezahlt oder unbezahlt, eine Erlaubnis bei der Kommission einholen."
"Vergleicht man das mit der Diskussion in Deutschland, dann kann man sagen, in Deutschland ist es nur noch peinlich."
… sagt Jürgen Klute, der für die Linkspartei im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments ist.
"Es wäre ein enormer qualitativer Schritt nach vorne, wenn man diese – durchaus verbesserungswürdigen – Regelungen von der Brüsseler Ebene auf die Bundesebene übertragen würde. Dann wären wir schon einen großen Schritt weiter."
Auch für hohe Beamte gibt es auf EU-Ebene einen Verhaltenskodex – wenn auch einen weniger rigiden. In jeglichem Fall ist das Motiv, Interessenskonflikte zu vermeiden.
"Wenn ein Kommissar in einem bestimmten Feld – also zum Beispiel Herr Barnier, der die Bankenregulierung und die Finanzmarktregulierung gemacht hat – wenn man ihm sagt: Okay, wenn Du jetzt nicht mehr Kommissar bist und suchst dir einen neuen Job suchst, dann bitte nicht im Bankensektor, auch nicht bei einem Hedge-Fonds oder einem Private-Equity-Fonds, sondern dann geh in die Industrie oder irgendwo."
Manche in Brüssel sagen, dass die Karenzzeit länger sein sollte als diese 18 Monate, bevor jemand nach seiner Zeit als EU-Kommissar oder -kommissarin wieder in dem Bereich arbeiten darf, den er in der Kommission zu verantworten hatte.
Überbrückungsgeld für ehemalige EU-Kommissare
"Lobbycontrol fordert eine Karenzzeit von drei Jahren, weil wir davon ausgehen, dass innerhalb von drei Jahren dann auch tatsächlich die Kontakte in die Institutionen hinein abgekühlt sind."
Und somit aus Sicht von Max Bank von Lobbycontrol erst dann kein Interessenskonflikt zwischen alter und neuer Tätigkeit bestehen würde. Es gelte da sehr genau abzuwägen, meint der Sprecher der EU-Kommission Gavrili:
"Auf der einen Seite muss auch nur der Eindruck vermieden werden, dass es da Interessenskonflikte geben könnte. Auf der anderen Seite müssen die Menschen auch ihren Lebensunterhalt verdienen können. Und Arbeit ist ein fundamentales Menschenrecht, dass man nicht ohne Not einschränken darf."
Damit keine materielle Not entsteht, bekommen ehemalige EU-Kommissare drei Jahre lang, je nach Dauer ihrer Tätigkeit zwischen 40 und 65 Prozent ihres Grundgehalts als Überbrückungsgeld.
Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit tatsächlich in dem einen oder anderen Fall und mit Erfolg Einspruch eingelegt, wenn ein ehemaliges Mitglied einen Job innerhalb der Karenzzeit aufnehmen wollte, der nicht mit dem Verhaltenskodex übereinstimmt. In Konfliktfällen wird von der EU-Kommission ein Ethik-Komitee eingeschaltet. An diesem Ethik-Komitee ließe sich zwar einiges aussetzen. Aber im Ansatz sei es gut und Ähnliches könnte auch Deutschland gut zu Gesichte stehen, meint Jürgen Klute.
"Es wird zumindest Öffentlichkeit hergestellt. Und es hat natürlich schon eine Kontroll-Wirkung. Bestimmte Dinge, also wie das mit Herrn Pofalla gelaufen ist, wären, glaube ich, so nicht gelaufen, wenn er sich damit hätte auseinandersetzen müssen, dass er das möglicherweise vor einem solchen Gremium hätte offen legen müssen."