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Karikatur
Mehr als bunte Bildchen

Die politische Karikatur ist ein Klassiker des Journalismus. Sie ordnet ein und bringt auf den Punkt. Eine Zeichnung hat schon manchen Mächtigen mehr geschmerzt als lange Texte. Doch die Zeitungskrise ist auch für die Karikaturisten eine Herausforderung. Auch deshalb bietet der Deutschlandfunk ab dem 7. Juni im Netz Platz für gezeichnete Kommentare.

Heiko Sakurai und Jörg-Christian Schillmöller im Gespräch mit Adalbert Siniawski |
    Der Karikaturist Heiko Sakurai
    Sakurai: Um die Gattung Karikatur sollte es nicht schlecht stehen. (picture-alliance / dpa / Alina Novopashina)
    Adalbert Siniawski: Die politische Karikatur, sie hat es heutzutage nicht leicht. Die Zeitschriften drucken sie immer seltener, stattdessen sind unterhaltsame Cartoons gefragt. In Zeiten der Print-Krise übernehmen immer mehr Zeitungen die Mantelseiten von großen Blättern und so schrumpft der Markt für Karikaturisten. Etwa 20 Zeichner gibt es in Deutschland, die von ihren Werken leben können, und der Nachwuchs, der lässt leider auf sich warten.
    Der Deutschlandfunk unterstützt diese besondere Kunst als Medienpartner des Deutschen Karikaturenpreises seit Jahren und ab dem kommenden Samstag schafft er selbst eine Spielwiese für gezeichnete Kommentare.
    Die erfolgreichen Karikaturisten Bernd A. Skott und Heiko Sakurai werden für uns zeichnen. Sakurai ist bei mir im Studio, gemeinsam mit meinem Kollegen Jörg-Christian Schillmöller, der das Projekt beim Deutschlandfunk betreut. Herzlich willkommen.
    Heiko Sakurai: Hallo.
    Jörg-Christian Schillmöller: Hallo.
    Siniawski: Bevor wir zu Ihnen und Ihren Bildern kommen, Herr Sakurai, sollten wir zunächst einmal klären, Herr Schillmöller, worum es bei diesem Projekt genau geht. Was haben wir zu erwarten?
    Schillmöller: Die Hörer, aber vor allem auch die User des Deutschlandfunks haben in den nächsten zehn Wochen einmal pro Woche eine Karikatur zu erwarten, im Wechsel zwischen Heiko Sakurai und Bernd A. Skott. Dazu muss man wissen, dass unsere gerade User sehr, sehr interessiert sind an Kommentaren, an Meinungen, an dem kritischen sich Auseinandersetzen mit der Wirklichkeit, und wir haben deshalb diese beiden Karikaturisten ausgesucht, weil die sich auch im Stil ganz stark unterscheiden.
    Der Herr Skott malt eher in Schwarz-weiß und streng und bissig und der Herr Sakurai malt eben viel bunter, genauso bissig, aber es hat dann mehr so einen Comic-Stil. Und wenn man zum Beispiel sieht, wie die beiden die Kanzlerin zeichnen, in drei Minuten und zweimal die verschiedene Merkel rauskommt, die man genau erkennen kann, dann weiß man ungefähr, was in den nächsten zehn Wochen passiert.
    Siniawski: Warum ist das dem Deutschlandfunk so wichtig und warum auf der Seite www.deutschlandfunk.de?
    Schillmöller: Na ja, die Karikatur ist ja als Medium ein Stück gelebte Demokratie und ein bisschen auch das Gegenstück zum Leitartikel. Und insofern, weil wir uns gesagt haben, dass diese Karikatur als Medium, wie Sie auch vorhin in der Anmoderation sagten, ins Hintertreffen gerät, möchten wir hier einen Gegenpol setzen und wollen auch einfach zeigen, dass wir uns bewusst sind, dass dieses Medium noch eine große Rolle spielt, gerade als Korrektiv der Mächtigen.
    Siniawski: Herr Sakurai, bietet Ihnen dieses Projekt einfach eine weitere Spielfläche, oder gibt es hierbei eine besondere Herausforderung?
    Sakurai: Na ja, es ist natürlich erst mal eine Website, die nationale und internationale Beachtung findet, und das ist für uns natürlich eine tolle Perspektive. Der zweite Punkt, der sehr wichtig ist: Es ist ein neues Medium. Es ist online und dort wird ja sich hoffentlich irgendwann auch die Zukunft des bezahlten Journalismus abspielen. Im Moment wird ja vor allen Dingen über die Papierzeitungen auch Geld generiert, was die Journalisten bekommen, um leben zu können, und irgendwann muss aber der Switch geschafft werden, um auch wirklich im Online-Bereich davon leben zu können, und das ist genau die Frage, die uns Karikaturisten auch angeht. Deswegen könnte das eine sehr interessante Perspektive für uns sein.
    Siniawski: Aus Ihrer Perspektive, wie steht es um diese Gattung und wie kann die politische Karikatur überleben?
    Selektion und Einordnung
    Sakurai: Eigentlich würde ich meinen, dass es um die Gattung Karikatur nicht schlecht stehen sollte, weil gerade jetzt in den Zeiten von überschießenden Informationen eigentlich Einordnung überall, Selektion und Einordnung gewünscht ist, und genau das leistet die Karikatur. Wir haben halt nur das Problem, dass wir sehr eng an die Papierzeitung gebunden sind, und da wissen wir, dass es da im Moment nicht so gut aussieht, denn wenn wir alle zusammen das schaffen, die Zeitungen mit uns zusammen, den Sprung ins Internet, ins bezahlte Internet zu schaffen, dann sind wir alle eine große Sorge los.
    Siniawski: Und auf unserer Seite www.deutschlandfunk.de , da sollen ja auch die User ein Mitspracherecht haben. Es soll ja interaktiv sein, wenn ich es richtig verstanden habe?
    Schillmöller: Wir gehen da Schritt für Schritt. Wir wollen jetzt erst mal schauen, wie die Reaktionen sind. Wir haben ja über 70.000 Likes zum Beispiel bei Facebook und die werden das sehr, sehr offensiv und bestimmt auch aufmerksam begleiten. In einem nächsten Schritt wollen wir dann auch ein Making-of präsentieren. Das bedeutet, dass wir beide Zeichner begleiten, wenn Karikaturen entstehen. Und dann ist natürlich denkbar, auch zu schauen, ob und wie man in Zukunft mit Usern arbeitet und dann auch mit denen vielleicht Themen herausfindet, oder auch Kommentare weiterleiten kann. Natürlich: Dialog ist alles auf dieser Homepage.
    Siniawski: Herr Sakurai, wie kommen Sie auf Ihre Ideen? Wie bringen Sie die Idee auf Papier oder auf den Bildschirm?
    Der tägliche Kampf mit dem Vakuum im Hirn
    Sakurai: Auf das Papier bringen ist eigentlich nicht das größte Problem, nämlich Zeichnen muss man von vornherein irgendwie können. Und die Leute, Kanzlerin, Kabinett und so weiter, das hat man irgendwann drin. Das Problem ist eher der Schritt vorher, nämlich die Idee zu bekommen, und das ist immer der tägliche Kampf mit dem Vakuum im Hirn, das ausgefüllt werden muss. Man muss sich halt gut informieren, man muss dann die verschiedenen Nachrichten abwägen und sich das raussuchen, wo man meint, dass es das Wichtige ist, sich darüber eine Meinung bilden und dann irgendwie versuchen, eine Idee daraus zu machen. Es ist jeden Tag ein neuer Kampf, der mal erfolgreicher und mal weniger erfolgreich ausgeht. Aber am Ende des Tages muss irgendwas auf dem Papier sein.
    Siniawski: Hat sich die Kanzlerin Merkel eigentlich bei Ihnen schon mal beschwert?
    Sakurai: Neh. Beschwert hat sich bei mir eigentlich noch niemand. ich glaube, es wäre auch - - Jeder Politiker wäre schlecht beraten.
    Siniawski: Sie haben ihr nämlich ein ganzes Buch gewidmet mit dem bösen Titel "Die schwarze Witwe". Dafür haben Sie kürzlich den Rückblende-Preis erhalten. 2009 gab es dann die Comic-Biografie "Miss Germany". Warum eignet sich Merkel eigentlich so gut als Angriffsziel, optisch und inhaltlich?
    Sakurai: Na ja, optisch war es am Anfang gar nicht so. Das war dann auch eine Frage der Zeit, bis ich sie zeichnen konnte. Aber sie ist die erste Frau als Bundeskanzlerin und sie war immer eine, die unterschätzt wurde. Sogar noch in der Anfangszeit ihrer Kanzlerschaft wurde sie unterschätzt. Ich glaube, das zumindest passiert ihr jetzt nicht mehr. Und das ist schon interessant, wie jemand wie "Kohls Mädchen" – Sie haben ja erwähnt, dass ich diese Biografie auch mit gezeichnet habe -, wie sich dieses "Kohls Mädchen" entwickelt, emanzipiert, es schafft, in den Machtkämpfen die Männer gegeneinander auszuspielen und Konkurrenten relativ elegant mit links zu erlegen. Das nötigt mir dann auch Respekt ab, muss ich sagen.
    Siniawski: Und von Angela Merkel und ihren Amtskollegen wird sicher einiges dann zu sehen sein, bei uns auf der Seite www.deutschlandfunk.de. Ab Samstag also einmal pro Woche eine Karikatur von Bernd A. Skott und Heiko Sakurai. Herr Sakurai und Herr Schillmöller, danke für den Besuch.
    Sakurai: Danke schön.
    Schillmöller: Gerne.