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Karikatur und Zensur in der DDR

Humor ist eine Frage der Gene und vielleicht auch eine der Systeme? Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig dokumentiert jetzt die Ausstellung "Unterm Strich" die künstlerischen Fähigkeiten und politischen Möglichkeiten von Karikaturisten unter dem SED-Regime.

Von Gottfried Blumenstein |
    In der DDR wurde, die Erinnerung verblasst aber zusehends, sehr viel ernsthaft und feinsinnig verschmitzt abgelacht. Man möchte es fast nicht mehr glauben, wo es doch objektiv betrachtet so wenig zum Lachen gab. Aber der Humor ist laut Wilhelm Raabe der Schwimmgürtel im Strome des Lebens, und das traf durchaus auch auf die Spezies der Flachschwimmer zu, die sich bis in die Untiefen des Swimmingpools nicht hinauswagten. Und das waren die meisten von uns, nicht nur der Literat Thomas Brussig in einer Selbstbezichtigung nach der Wende, sondern ganz besonders die Karikaturisten, die in der DDR ihrer hohen Kunst ums überleben frönten. Denn ihr Metier war kreuz-, in den 50er und 60er Jahren sogar lebensgefährlich. Es sei denn, sie waren jene einhundertprozentigen Propagandazeichner, die aus vollster Überzeugung sich selber und ihr Publikum im Dienste des unverbrüchlich siegreichen Sozialismus veräppelten. Aber so was wurde in der Regel, also von den Nicht-Einhundertprozentigen, völlig ignoriert. Die kamen in den Nischen einfach nicht vor.

    Unser Held war Henry Büttner, ein Meister, ein Genie, einfach der Größte. Und er war erstaunlicherweise sogar der meistveröffentlichte Zeichner der DDR, der einmal von seiner Kunst abgesehen zudem noch eine glänzende Strategie aufgelegt hatte, um den Irrsinn mit den Tau- und Schlechtwetterperioden auszubalancieren. Büttner trat öffentlich nie in Erscheinung, lehnte jede Ehrung oder Auszeichnung ab, ließ sich nicht dazu hinreißen, bei Vernissagen, selbst eigener Ausstellungen, und wohnte und wohnt immerzu in einem Dorf unweit der sächsischen Ex-Industriemetropole Karl Marx Stadt, der Stadt mit den drei Os, wie man seinerzeit sagte.

    Natürlich ist Henry Büttner in der Ausstellung "Unterm Strich", im zeitgeschichtlichen Forum Leipzig derzeit zu sehen, mit von der Partie. Für meinen Geschmack aber mit zu wenig Arbeiten. Das hängt sicherlich mit dem Ausstellungskonzept zusammen, das einen geschlossenen geschichtlichen Abriss der "Karikatur und Zensur in der DDR" bietet. Da achtet man weniger auf die Qualität der ausgestellten Arbeiten. Unter dem Motto "Die besten Karikaturen aus der DDR" wäre das hoffentlich anders. So werden also die 50 Jahre deutscher Arbeiter- und Bauernstaat in seiner ganzen Bandbreite bebildert, von den Rotzeichnern wie Alfred Beier-Red, Erich Schmitt oder Leo Haas über echte Künstler wie Manfred Bofinger, Herbert Sandberg oder eben Henry Büttner bis hin zu den oppositionellen Amateuren wie Dirk Moldt, Uwe Kraeusel oder Matthias Wolf, die nie und nimmer in den offiziellen Presseorganen etwas veröffentlichen wollten sondern zumeist im Schoße der Kirche von Unten agierten.

    Der Gesamteindruck der Schau ist dann doch ziemlich zwiespältig, gar zu schulmeisterlich kommt das alles daher, es wird viel erklärt, wo es nichts zu erklären gibt, es sei denn man kommt aus Timbuktu oder von noch weiter her aus dem Westen.

    Die zumeist begeisterten Eintragungen im ausliegenden Gästebuch belegen darüber hinaus, dass viele dieser hausbackenen Fingerzeige von den Besuchern auch noch falsch verstanden wurden. Da hilft das Begleitbuch zur Ausstellung wenig, denn die dortigen Texte, den von Günter Kunert ausgenommen, der immerhin mitteilt in welchen Redaktionen stark gesoffen wurde und in welchen weniger, glänzen durch Unbedarftheit in Stil und Denkungsart. Den Historikern, die sich hier ans Werk gemacht haben, darf man sicherlich bescheinigen, dass sie sich redlich mühten, die Fakten säuberlich zusammenzutragen, aber das genügt noch nicht. Ohne Gespür spürt man eben nichts, und so wird beispielsweise die Mär von Henry Büttner als einem unpolitischen Zeichner weitergesponnen. Aber seine traurig-komische Kunst voller Antihelden und Damen mit Nudelhölzern war für unsereinen hochpolitisch und das karikaturistische Nonplusultra an Welt- und Seinserkenntnis. Über 20.000 Mini-Geschichten hat er gezeichnet, ganz aus sich selbst heraus, denn, so sagt der Schopenhauer- und Dostojewski-Fan Büttner: "Die eigene Blödheit ist unerschöpflich."