Es gibt ein berühmtes Bild von James Ensor, darauf ist Jesus Christus zu sehen, wie er auf einem Eselchen in Brüssel einreitet, umgeben von einer Leibgarde in Fantasieuniformen und von dicht gedrängtem Volk, das einen skurrilen Karneval feiert, Masken trägt oder ziemlich dumme Gesichter schneidet. Ein großes rotes Transparent wird hochgehalten, auf dem steht: "Vive la Sociale" - Es lebe das Soziale.
Damit könnte James Ensor eigentlich zum geistigen Vater der aktuellen Berlin Biennale avancieren. Der aggressive Humor, mit dem der Maler schon 1888 Religion, Politik, "das Soziale" und nicht zuletzt die Kunst zu einem völlig hoffnungslosen Karneval verquirlt hat, ist dem eines Artur Zmijewski nicht fremd. Als Künstlerischem Leiter der Berlin Biennale ist es Zmijewski zumindest gelungen, mit einem Schlag die humorlose Aggression aller großen deutschen Feuilletons auf sich zu ziehen. Zum Dank darf er sich auch noch der Belehrung über das Wahre, Gute und Schöne in der Kunst erfreuen und darüber, wie eine Biennale in Deutschland gefälligst auszusehen hat. Keinesfalls darf sie von einer "tiefsitzenden Dummheit" sein, wie sich beispielsweise die "FAZ" empört, auch und erst recht kein "Schmuddelkind" im ansonsten doch so glänzenden Berliner Kunstfrühling, wie der Tagesspiegel angewidert vermerkt. Lieber solle sie doch die großen, erhabenen Ideen und Ideale pflegen, wie sie aus Kants und Schillers Zeiten überkommen sind, wie es gar die "Zeit" einfordert.
Aber dieser Artur Zmijewski ist nun einmal unzweifelhaft ein böses Kind von Ensors Geist: Völlig unbelehrbar in seiner Wut, seiner Illusionslosigkeit über die Narrenrolle der Kunst für die moderne Gesellschaft; in seiner trockenen Lakonie gegenüber den sinnentleerten Ritualen des Politischen, des Künstlerischen und Religiösen. Sie haben ihn selbst schließlich selbst überhaupt erst zum Künstler werden lassen.
Kritik am großen und ganzen Kunstsystem perlt naturgemäß an der bürgerlichen Routine des Feuilletons ab. Aber schon als Videokünstler hat Zmijewski zielsicher die blinden Flecken dieser Routine ausfindig gemacht, mit der Sorgfalt eines Attentäters, und immer wieder für sittliche Empörung gesorgt. Empörung etwa darüber, dass man Gehörlose keine Messe singen oder Nackte in einer ehemaligen Gaskammer fangen spielen lassen dürfe. Und wie ein Attentäter hat er auch seine Biennale geplant. Die Reaktionen sind waren voraussehbar: Es sind dieselben wie jene auf seine Videos, im Maßstab nur etwas größer, etwas grundsätzlicher – und etwas persönlicher.
Der lauteste Vorwurf an diese Biennale lautet, sie wolle den Besucher maßregeln, und dabei sei sie doch so niveaulos in jeder Hinsicht. Zmijewski setze Politik an die Stelle von gepflegter Kunst, sein Anspruch sei es zwar, die "wahren" Probleme der Welt ungefiltert durch künstlerische Verbrämungen vor Augen zu führen – aber liefert er vielleicht überzeugende Kunst oder überzeugende Inhalte? Wo sind denn hier die Kunstwerke, die uns die Realität vor Augen führen, deren Anblick uns lebenslang aufwühlen könnte? Wo sind die Inhalte, die Entwürfe einer neuen Gesellschaft, einer besseren Welt, wo sind hier die neuen Utopien, die Debatten, wo verdammt ist hier die Zukunft? Und ach: wie kümmerlich und ambivalent kommen sie doch daher, diese politischen Bewegungen wie Occupy, wie die weißrussischen Feministinnen, wie der arabische Frühling, wie die Anti-Roma-Proteste in Tschechien, wie platt und widersprüchlich sind doch die Anti-Nazi-Slogans, wie kitschig und lasch die Baumpflanzaktion mit Birken aus Auschwitz, wie lächerlich die Klebewände für Plakate, die die Besucher mitbringen können. Wohin man auch sieht: platt, kitschig, inhaltlich lau, ästhetisch abstoßend ist diese Biennale, eine einzige Unterforderung. Und das soll Demokratie sein? Wie grässlich, auf dieses Zerrbild des Sinnlos-Ritualisierten blicken zu müssen. Wie grässlich gar, Teil davon zu sein!
Tatsächlich spiegelt die Biennale Artur Zmijewskis, was sie soll: Die Gegenwart. Zugespitzt zwar und - zugegeben - gegenüber dem Publikum, den beteiligten Aktivisten und manch aufrecht engagiertem Künstler manchmal ein bisschen bösartig – aber Kunst darf zuspitzen und bösartig sein. Zmijewski lässt seinen Karneval demokratischer Willensäußerung an uns vorüberziehen, nicht als heroisch-revolutionäre Bewegungen wie zu Beginn der Moderne, sondern als die ganze beklemmende Ausdruckslosigkeit des Politischen im Zeitalter nach den großen Utopien. Unter der Oberfläche dieser Ausdruckslosigkeit wummert freilich eine spürbare Gewalt, jedoch ohne klare Richtung. Das pseudodemokratische Entsetzen über diesen Befund zeugt davon, dass Zmijewski wieder einmal einen wunden Punkt getroffen hat.
Damit könnte James Ensor eigentlich zum geistigen Vater der aktuellen Berlin Biennale avancieren. Der aggressive Humor, mit dem der Maler schon 1888 Religion, Politik, "das Soziale" und nicht zuletzt die Kunst zu einem völlig hoffnungslosen Karneval verquirlt hat, ist dem eines Artur Zmijewski nicht fremd. Als Künstlerischem Leiter der Berlin Biennale ist es Zmijewski zumindest gelungen, mit einem Schlag die humorlose Aggression aller großen deutschen Feuilletons auf sich zu ziehen. Zum Dank darf er sich auch noch der Belehrung über das Wahre, Gute und Schöne in der Kunst erfreuen und darüber, wie eine Biennale in Deutschland gefälligst auszusehen hat. Keinesfalls darf sie von einer "tiefsitzenden Dummheit" sein, wie sich beispielsweise die "FAZ" empört, auch und erst recht kein "Schmuddelkind" im ansonsten doch so glänzenden Berliner Kunstfrühling, wie der Tagesspiegel angewidert vermerkt. Lieber solle sie doch die großen, erhabenen Ideen und Ideale pflegen, wie sie aus Kants und Schillers Zeiten überkommen sind, wie es gar die "Zeit" einfordert.
Aber dieser Artur Zmijewski ist nun einmal unzweifelhaft ein böses Kind von Ensors Geist: Völlig unbelehrbar in seiner Wut, seiner Illusionslosigkeit über die Narrenrolle der Kunst für die moderne Gesellschaft; in seiner trockenen Lakonie gegenüber den sinnentleerten Ritualen des Politischen, des Künstlerischen und Religiösen. Sie haben ihn selbst schließlich selbst überhaupt erst zum Künstler werden lassen.
Kritik am großen und ganzen Kunstsystem perlt naturgemäß an der bürgerlichen Routine des Feuilletons ab. Aber schon als Videokünstler hat Zmijewski zielsicher die blinden Flecken dieser Routine ausfindig gemacht, mit der Sorgfalt eines Attentäters, und immer wieder für sittliche Empörung gesorgt. Empörung etwa darüber, dass man Gehörlose keine Messe singen oder Nackte in einer ehemaligen Gaskammer fangen spielen lassen dürfe. Und wie ein Attentäter hat er auch seine Biennale geplant. Die Reaktionen sind waren voraussehbar: Es sind dieselben wie jene auf seine Videos, im Maßstab nur etwas größer, etwas grundsätzlicher – und etwas persönlicher.
Der lauteste Vorwurf an diese Biennale lautet, sie wolle den Besucher maßregeln, und dabei sei sie doch so niveaulos in jeder Hinsicht. Zmijewski setze Politik an die Stelle von gepflegter Kunst, sein Anspruch sei es zwar, die "wahren" Probleme der Welt ungefiltert durch künstlerische Verbrämungen vor Augen zu führen – aber liefert er vielleicht überzeugende Kunst oder überzeugende Inhalte? Wo sind denn hier die Kunstwerke, die uns die Realität vor Augen führen, deren Anblick uns lebenslang aufwühlen könnte? Wo sind die Inhalte, die Entwürfe einer neuen Gesellschaft, einer besseren Welt, wo sind hier die neuen Utopien, die Debatten, wo verdammt ist hier die Zukunft? Und ach: wie kümmerlich und ambivalent kommen sie doch daher, diese politischen Bewegungen wie Occupy, wie die weißrussischen Feministinnen, wie der arabische Frühling, wie die Anti-Roma-Proteste in Tschechien, wie platt und widersprüchlich sind doch die Anti-Nazi-Slogans, wie kitschig und lasch die Baumpflanzaktion mit Birken aus Auschwitz, wie lächerlich die Klebewände für Plakate, die die Besucher mitbringen können. Wohin man auch sieht: platt, kitschig, inhaltlich lau, ästhetisch abstoßend ist diese Biennale, eine einzige Unterforderung. Und das soll Demokratie sein? Wie grässlich, auf dieses Zerrbild des Sinnlos-Ritualisierten blicken zu müssen. Wie grässlich gar, Teil davon zu sein!
Tatsächlich spiegelt die Biennale Artur Zmijewskis, was sie soll: Die Gegenwart. Zugespitzt zwar und - zugegeben - gegenüber dem Publikum, den beteiligten Aktivisten und manch aufrecht engagiertem Künstler manchmal ein bisschen bösartig – aber Kunst darf zuspitzen und bösartig sein. Zmijewski lässt seinen Karneval demokratischer Willensäußerung an uns vorüberziehen, nicht als heroisch-revolutionäre Bewegungen wie zu Beginn der Moderne, sondern als die ganze beklemmende Ausdruckslosigkeit des Politischen im Zeitalter nach den großen Utopien. Unter der Oberfläche dieser Ausdruckslosigkeit wummert freilich eine spürbare Gewalt, jedoch ohne klare Richtung. Das pseudodemokratische Entsetzen über diesen Befund zeugt davon, dass Zmijewski wieder einmal einen wunden Punkt getroffen hat.