"Wer keinen Samba mag, kann kein guter Typ sein". Dieser Klassiker aus den 60ern ist Marcelo Crivella neulich eingefallen. Und der Bürgermeister von Rio gab seine Version zu Besten
"Wer keinen Samba mag, kann kein guter Bürgermeister sein". Ein erstaunliches Bekenntnis. Denn bis jetzt war Marcelo Crivella als Spaßbremse und Karnevalsmuffel bekannt. Letztes Jahr schwänzte er den Karneval komplett, kam weder zur großen Parade, noch zur Übergabe der Stadtschlüssel an König Momo, die Symbolfigur des Karnevals. Mit dem Karneval steht Crivella auf Kriegsfuß.
Freizügige Kostüme, viel nackte Haut, und Rhythmen mit afrikanischen Wurzeln - das ist das Gegenteil von dem, was er als Bischof einer strengen Freikirche immer gepredigt hat. Und deswegen tauchen jetzt bei den Umzügen und Karnevalsfesten in den Stadtvierteln immer wieder Rufe und Plakate auf: "Weg mit Crivella!" Auch bei diesem Umzug am Fuß des Zuckerhuts.
"Dieser Bürgermeister stört ziemlich. Viele Feiern brauchen Unterstützung. An diesem Umzug nehmen Drogenabhängige, geistig Behinderte, ihre Pfleger und Familien teil. Ein armer Umzug, der überall um Geld betteln musste. Aber schau, wie toll jetzt alles geworden ist."
Mit weniger Geld für mehr Moral
Das hat nicht bei allen Umzügen geklappt. Dieses Jahr fällt der Straßenkarneval in Rio kleiner aus, viele bleiben zu Hause. Und die Veranstalter sagen, Crivella habe mit bürokratischen Hürden dafür gesorgt, dass sie diesmal keinen "Bloco", keinen Straßenkarneval aufziehen können.
Aber nicht nur die kleinen Feiern in den Stadtteilen haben Probleme - selbst das große Samba-Spektakel, das hunderttausende Besucher anlockt, stand auf der Kippe. Crivella hatte den Samba-Schulen, die die große Parade bestreiten, die Unterstützung gekürzt - auf die Hälfte. Die großen Sambaschulen sollten nur noch umgerechnet 250.000 Euro bekommen. Zu wenig für die aufwendige Parade - die Schulen sagten die Parade ab - und revidierten diese Entscheidung erst, als die Regierung in Brasília einsprang. Ein Bürgermeister, der dem Karneval Steine in den Weg legt - das ist in Rio fast noch schlimmer als es in Köln, Düsseldorf oder Mainz wäre.
"Rio ist puritanischer geworden. Aber das ist ein verlogener Puritanismus. Der ist nur vorgespielt. Der hat mehr mit den Interessen derer zu tun, die die Macht behalten wollen."
"Crivella schadet Rio ganz allgemein. Er macht alles schlechter, nicht nur den Karneval. Und dahinter steckt doch nur ein verlogener Moralismus."
Jetzt will der Bürgermeister doch zur Samba-Parade kommen
Der Bürgermeister argumentiert, er müsse kürzen und er gebe das Geld lieber für die Versorgung der Schulkinder aus. Andererseits ist der Karneval die größte Attraktion von Rio, sie bringt der Stadt hunderttausende Touristen und Milliarden-Einnahmen. Im Rio kursiert jetzt ein Lied, in dem der liebe Gott selbst bei Crivella anruft, um ihm die Leviten zu lesen.
Kleiner Marcelo, jetzt sei doch nicht so, am Aschermittwoch ist doch alles vorbei. Und an Ostern gehen alle wieder in die Kirche.
Inzwischen hat auch der Bürgermeister gemerkt, wie unbeliebt er sich macht, wenn er den Karneval angeht. Deswegen tut er jetzt wenigstens so, als würde er den Samba lieben
Und er verspricht, dieses Jahr doch zur Samba-Parade zu kommen - aber natürlich nicht zum Tanzen, sondern nur um zu schauen ob alles in Ordnung ist und ob die Planung funktioniert.