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Karneval und Corona
Schunkeln auf Armlänge

Jens Spahn will Karneval ausfallen lassen. Viele Bundesbürger können damit leben, für rheinische Karnevalisten wär das ein Drama. Sie überlegen, was jetzt noch möglich ist. Schunkeln auf Armlänge kann keine Lösung sein und ist halbherzig, meint Beatrix Novy. Dann kann man es auch lassen.

Von Beatrix Novy |
Beim Rosenmontagszug in Düsseldorf zeigt am 24. Februar 2020 ein Bazzillus carneval aus Pappmachée dem Coronavirus eine lange Nase.
Beim Rosenmontagszug in Düsseldorf zeigt am 24. Februar 2020 ein Bazzillus carneval aus Pappmachée dem Coronavirus eine lange Nase. (imago images / Bettina Strenske)
Wenn alles immer nur bestens läuft, wird es mit der Zeit schon mal etwas langweilig und ein ödes Gefühl des Überdrusses stellt sich ein. Das bewährte Mittel dagegen ist die sogenannte "Herausforderung". Herausforderungen, anfangs als unangenehm empfunden, lüften bekanntlich den Kopf, machen kreativ, rufen ungeahnte Kräfte hervor und Ideen, ohne die die Menschheit nicht weiterkäme. Darunter natürlich auch viele Ideen, die selbst nicht weiterkommen, zum Beispiel die des stehenden Rosenmontagszugs.
Das wäre ein Karnevalszug, in diesem Fall in Köln, der mit Wagen, Pferden und Funkenmariechen am Fleck bleibt, während das Volk sich wie in einer Ausstellung an ihm vorbei schiebt. Das ist angeblich nicht erfunden - immerhin sollen im Kölner Gesundheitsamt Bedenken geäußert worden sein, wegen der Rückverfolgung der Infektionswege -, das ist also nicht erfunden, sondern ein gescheiterter Versuch verzweifelnder Frohsinnsmanager, den Karneval 2021 über die Corona-Gefahr hinweg zu retten. Schließlich sind Karneval und Masken, wie ein Landtagsabgeordneter blödelte, kein Widerspruch, sondern Tradition.
Karnevalsabsagen gab es schon einmal
Nicht stattfindende Karnevalsveranstaltungen sind ein widriges Thema in ihrer langen Geschichte. Die jüngere Vergangenheit berichtet von Zug-Absagen in Befürchtung eines Sturms, der sich aber, Beispiel Düsseldorf, anderswohin verzog. Oder wegen politischer Krisen, die scheinbar Pietät geboten - was jedoch nicht allen einleuchtete, Beispiel Köln: Dort beschloss 1991 die alternativlinke Karnevalsszene, die offizielle Karnevalsabsage wegen des ersten Golfkriegs zu sabotieren und gerade als erklärte Kriegsgegner die Friedensbotschaft des Frohsinns aktiv zu verteidigen, Motto: "Wehrt euch, leistet Widerstand / gegen die Betroffenheit im Land".
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Mainzer OB: "Fastnacht kann man nicht absagen"
Karneval wegen Corona ausfallen zu lassen, ist für den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) keine Option. Die Fastnacht sei immer ein Zeichen von Hoffnung gewesen, sagte er im Dlf. Es komme drauf an, eine verantwortbare Form für diese gesellschaftlich bedeutsame Brauchtumspflege zu finden.
Die Argumentation lässt sich heute mit gängigen Argumenten aufgreifen, auch wenn eine Pandemie nicht ganz soviel Raum für Diskussion offenlässt. Gerade in schwierigen Zeiten, so der Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval, also etwa in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit, habe "der Karneval stets eine wichtige Funktion erfüllt, um Menschen auf andere Gedanken zu bringen." Da bietet man gern seine Hilfe an, Zitat: "Wir möchten uns der Herausforderung stellen..." etcetera pp.
Halbherzige Karnevalssitzungen sind witzlos
In der entbehrungsreichen Nachkriegszeit durfte der Karneval allerdings dafür sorgen, aufrecht zu erhalten, was an Lebensfreude noch übrig war. Davon allerdings gibt es mittlerweile mehr als genug, das Syndrom Feiermanie, das sich bei näherer Betrachtung oft als öde Sauferei entlarvt, sieht im Karneval an gewissen Hotspots kaum noch anders aus als am Ballermann. Nach der berühmten Silvesternacht auf der Kölner Domplatte empfahl die Oberbürgermeisterin Henriette Reker jungen Frauen, immer auf Armlänge zu bleiben.
Prophetische Worte! Es gilt jetzt noch zu ermitteln, wie Bützen – also unverbindliches Küsschen geben - auf Armlänge funktioniert. Wenn aber alle Tricks kreativer Festkomitees nichts nützen, fällt der Karneval eben mal aus. Eine halbherzige Veranstaltung mit ein paar erlaubten Events wäre doch witzlos, schrieb heute ein Kölsch-Kommentator in der Lokalzeitung, denn wofür soll man in der Nacht vor Aschermittwoch den Nubbel verbrennen, der alle Sünden auf sich nimmt, wenn man gar nichts anstellen konnte?