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Karnevals-Evergreen "Rosamunde"
Eine Polka geht um die Welt

Rosenmontag ohne "Rosamunde" - das ist undenkbar. Aber nicht nur bei uns gehört die Polka einfach dazu: Der Karnevals-Hit stammt aus einem kleinen Dorf in Tschechien. Dort erinnert heute ein Museum an den Siegeszug der Melodie um die ganze Welt.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Ein Akkordeon
    Der Kapellmeister Jaromir Vejvoda war es, der vor 80 Jahren die Polka "Rosamunde" schrieb. (picture alliance / dpa - Markus Scholz)
    Eine Zeitreise zurück ins Jahr 1927. Zbraslav ist eine Kleinstadt am Rande von Prag, der glamourösen Hauptstadt der wohlhabenden Tschechoslowakei. Die Bourgeoisie vergnügt sich auf prächtigen Bällen - und der Kapellmeister Jaromir Vejvoda aus Zbraslav ist mit seiner Tanzmusik ein gefragter Mann, erzählt sein Sohn.
    "Natürlich. Das Bekannteste von Vater, was er gespielt hat, sind die Polkas, Walzer und Märsche. Aber ab und zu bei guten Gelegenheiten hat man auch gespielt Ouvertüren, Teile von Operetten und so etwas. Das Repertoire war ganz breit."
    Josef Vejvoda, der Sohn des Kapellmeisters, ist heute selbst schon 62 Jahre alt. Mit einer eigenen Band hat er das Erbe seines Vaters angetreten - und ist gleichzeitig Denkmalpfleger in eigener Sache: Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern hat er in ihrem Geburtshaus ein kleines Museum eingerichtet für den ungekrönten König der tschechischen Blasmusik.
    Ganz Prag im "Rosamunde"-Rausch
    Jaromir Vejvoda war es, der vor 80 Jahren die Polka "Rosamunde" schrieb. Damals waren die Ballbesucher in Prag hungrig nach neuen Melodien. Also setzte sich der kleine Kapellmeister an seinen Küchentisch und komponierte. Gleich das erste Stück sollte auch sein berühmtestes werden: Es war die "Rosamunde". Sohn Josef Vejvoda erinnert sich:
    "Immer, wenn er komponiert hat, hat er mit einer Geige im Wohnzimmer probiert und dazu gepfiffen. Das habe ich immer ganz lange gehört nachts in meinem Schlafzimmer."
    Mehr als eine Million Verkäufe in den USA
    Mit seiner Polka "Rosamunde" stahl Jaromir Vejvoda aber nicht nur seinem Sohn den Schlaf. Ganz Prag tanzte bald nach seiner Melodie. Die Stadt war in einem regelrechten Rosamunde-Rausch. In seinem Erfolgstaumel verkaufte Jaromir Vejvoda die Rechte an dem Stück an einen Verlag. 150 Kronen hat er rausgehandelt - viel Geld war das nicht. Die Notenblätter wurden bald zu einem der bekanntesten Export-Produkte aus der damaligen Tschechoslowakei.
    In dem kleinen Rosamunde-Museum in Zbraslav ist nachgezeichnet, wie die Melodie ihren Siegeszug um die Welt antrat. Bilder mit Musikanten aus vielen Kontinenten hängen dort, alte Platten aus verschiedenen Ländern, die Originalpartitur und die goldenen Schallplatten, die das Lied einspielte. In Amerika verkaufte sich die Akkordeon-Version der Rosamunde mehr als eine Million mal. Das war 1939. Ganz von alleine erobert die Melodie von nun an die zivile und sogar die militärische Welt.
    In einer Version der Andrew Sisters warb die US-Marine um junge Rekruten - mit leicht verändertem Text. Und in Deutschland wurde das Stück im Stil der Comedian Harmonists zum Renner. Während sein Lied um die Welt ging, blieb Jaromir Vejvoda mit seiner Kapelle daheim im kleinen Dorf und staunte atemlos über die Erfolgsgeschichte seiner Polka. Und die lief immer weiter: Es kamen hinzu eine Version auf Japanisch, eine Variante für einen nicht ganz notensicheren Tenor in Esperanto und noch Texte in 24 anderen Sprachen. In Finnland gibt es die Rosamunde sogar als Weihnachtslied.
    Die Melodie hat das Zeug zu einem Evergreen auch in den nächsten Jahrzehnten, davon ist der Komponisten-Sohn Josef Vejvoda fest überzeugt. Seine Lieblingsversion ist die im swingenden Rhythmus, die er selbst arrangiert hat. Noch immer schlägt die Rosamunde beim Publikum ein, sagt er. Warum das so ist, kann er sich bis heute nicht erklären. Ein bisschen Zufall aber, meint er, gehört wohl auch zur Erfolgsgeschichte der Rosamunde: "Schlager sowieso müssen die Leute machen. Da müssen die Leute sagen, uns gefällt das, wir wollen das, wir kaufen das, spiel mal das. Aber Autor kann doch nichts machen. Er kann nur ein paar Noten schreiben."