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Karriere als Orchestermusiker

Seit Beginn des Wintersemesters werden am neu gegründeten Orchesterzentrum NRW hochqualifizierte Nachwuchsmusiker ausgebildet. Das Orchesterzentrum ist eine gemeinsamen Einrichtung der vier Musikhochschulen des Landes.

Von Andrea Groß |
    Thorsten Wenz ist einer von 21 Studierenden am Orchesterzentrum in Dortmund. Als Orchestermusiker sollte seine herausragende Eigenschaft das Zusammenspiel mit dem Ensemble sein, seine Solo-Eigenschaften lassen sich allerdings durchaus sehen.

    Als Schlagfläche nutzt er nicht nur die Bespannung der vor ihm stehenden Trommel, sondern auch deren Ränder, Ständer, den Holzfußboden, seine Schuhsohlen und ein vor ihm hockender Fotograf hat einen Moment lang Angst um seine Kamera.
    Thorsten Wenz hat in Düsseldorf bereits ein Studium abgeschlossen und will nun noch ein vier Semester Erfahrung draufsatteln um fit zu sein für eine Karriere als Orchestermusiker. Neben Instrumentalunterricht stehen dabei auch Satzproben, Werkstudien und mentales Training auf dem Programm.

    Das heißt bei einer Psychologin, das läuft ähnlich wie beim Profisport ab. Das heißt, sie bringt uns bei, wie man mental mit dieser Vorspielsituation umgeht, wie man mental übt, Sachen im Kopf durchgeht. Ich kann mich erinnern, wie sie damals meinte, bei Sportlern, auch bei Musikern ist es so: alle spielen ihr Zeug, alle sind beim 100-Meter-Lauf gleich schnell und das Rennen wird dann letztendlich im Kopf entschieden. Und so ist es auch beim Probespielen in einem Orchester.

    Das Orchesterzentrum NRW ist zwar eine Gemeinschaftseinrichtung der vier NRW-Musikhochschulen, das heißt aber nicht, dass Studierende von auswärts nicht willkommen sind, wie der künstlerische Leiter Gotthard Popp bekräftigt.

    Die Studierenden bewerben sich hier am Orchesterzentrum, bekommen dann von uns die notwendigen Unterlagen oder können diese im Internet abrufen. Bekommen dann von uns eine Liste der Professoren ihres Instrumentes, die hier in Nordrhein-Westfalen an den vier Musikhochschulen unterrichten, setzen sich mit einem oder mit mehreren dieser Professoren in Verbindung, spielen dort vor und brauchen von einem dieser Professoren eine Befürwortung für diesen Studiengang und die Zusage, dass dieser Lehrer sie in den nächsten zwei Jahren im Einzelunterricht unterweisen wird.
    50 Bewerbungen aus ganz Deutschland sind für das erste Semester eingegangen; 21 sind angenommen worden. Über Annahme oder Ablehnung entscheidet ein Gremium aus den vier beteiligten Musikhochschulen in NRW plus Vertretern namhafter Orchester. In den nächsten drei Semestern soll die Studierendenzahl auf Orchesterstärke – also 80 bis 120 aufgestockt werden. Als Dozenten will das Zentrum semesterweise namhafte Dirigenten und verpflichten. Nach Angaben des künstlerischen Leiters Gotthard Popp haben einige schon Interesse angemeldet, Namen will Popp allerdings keine nennen.

    Als die NRW-Landesregierung vor knapp zwei Jahren die Kooperation der vier Musikhochschulen verordnete, herrschte allenthalben einmütige Ablehnung. Ein derartiges Hineinpfuschen in die Kompetenzen und künstlerischen Ausrichtungen der einzelnen Häuser erschien allen untragbar.

    Kunsthochschulen oder Künstler überhaupt sind untereinander nicht nur Freunde – das sind sie natürlich auch – aber sie sind auch Konkurrenten. Und die einzelnen Musikhochschulen untereinander konkurrieren ja auch. Wir konkurrieren einmal um tolle Professuren oder tolle Professoren, die an diesem Haus unterrichten, wir konkurrieren um ganz hervorragende und talentierte Studierende und wir konkurrieren um den großen Namen.

    Vor diesem Hintergrund verweisen die Vertreter der beteiligten Musikhochschulen zu Recht auf die Tatsache, dass ihnen kein vergleichbares Beispiel einer Zusammenarbeit anderer Kunsthochschulen bekannt ist. Sie hoffen, dass die Studierenden, die das Orchesterexamen in der Tasche haben damit auch das Ticket für einen Arbeitsplatz in einem international renommierten Orchester besitzen. Schlagzeugstudent Thorsten Wenz ist da allerdings ein wenig skeptisch.

    Es ist so, dass ich im Studium bereits drei Jahre als Praktikant in Berufsorchestern gespielt hab. Einmal in einem großen A-Orchester, einmal in einem kleineren. Und man muss sagen, die Stellensituation ist so knapp, dass man froh sein kann, wenn man eine Stelle kriegt. Ich war jetzt zum Probespielen in Neubrandenburg und man fährt überall hin. Eine Wunschvorstellung wäre natürlich ein Rundfunkorchester. Aber erst mal eine Stelle. Das ist das A und O.


    Weitere Informationen:

    Orchesterzentrum NRW