Jugendliche, Schulabgänger etwa, haben es im Jahr der Corona-Pandemie schwer. Viele spüren ein
Gefühl der Perspektivlosigkeit
. Wir haben über mögliche Lösungen mit Kathrin Busch-Holfelder gesprochen. Sie ist Autorin, Dozentin und Businesscoach in Bonn.
Thekla Jahn: Frau Busch-Holfelder, Perspektivlosigkeit, das Gefühl, eine "lost generation" zu sein, was ist da dran?
Katrin Busch-Holfelder: Ich möchte den Aspekt hervorheben, dass diese Generation der jetzigen Abiturienten ein Stück weit weich gepolstert war in den letzten Jahren. Es war ein großes Wirtschaftswachstum, die – ich glaube, wir wissen alle, wovon wir sprechen – Helikoptereltern, und da möchte ich mich auch nicht davon ausnehmen, haben die Kinder und die Jugendlichen weich gepolstert, und es hat sich alles sehr, sehr bequem angefühlt. Jetzt ist natürlich Corona der große Schock, und jetzt ist es natürlich eine Herausforderung, mit der man nicht gelernt hat umzugehen.
Jahn: Sie sagen, man hat damit nicht gelernt umzugehen. Wie kann man das denn lernen?
Herausforderungen zu meistern, lässt sich trainieren
Busch-Holfelder: Im Grunde mit Herausforderungen umgehen oder ich würde fast sogar sagen, mit dem Wandel und den Veränderungen, die um uns rum ja immer mehr passieren, da kann man trainieren, mit umzugehen. Das ist eigentlich wie so ein Muskel. Wenn man sich einen Muskel vorstellt, der eigentlich vielleicht jetzt weniger trainiert ist, weil es alles etwas weicher war, und jetzt muss man eben lernen, mit so was umzugehen. Das können kleine Schritte sein, ich möchte ein Beispiel sagen. Eine junge Frau sagte, sie sei so allein jetzt im Studium, und sie hätte keinen Kontakt. Da wäre zum Beispiel so ein erster Schritt, dass man sagt, wer sind denn meine Mitkommilitonen, wen könnte ich denn da ansprechen, mit wem kann ich denn vielleicht einen Spaziergang mal machen. Oder man kann sich mal zu fünft irgendwo in die Sonne setzen und Dinge besprechen, sich kennenlernen. Das sind kleine Schritte, die vielleicht über die Komfortzone hinausgehen, die aber es verändern, weil man es selber in die Hand nimmt.
Jahn: Jetzt hatten jugendliche, junge Menschen schon vor der Corona-Krise oft Schwierigkeiten, sich ein Berufsfeld vorzustellen, einen Berufswunsch zu entwickeln. Ist das jetzt noch mal deutlich erschwert, also noch mal eine Schippe drauf auf das, was sowieso schon vorher als Schwierigkeit da war?
Busch-Holfelder: Ich würde da auch sagen: Es ist wahrscheinlich gefühlt schlimmer als vorher, aber die Selbstreflexion und diese Innensicht, die muss generationsübergreifend eigentlich erfolgen. Ich erlebe es oft, dass auch 40- oder 50-Jährige kommen und sagen, Mensch, was soll ich denn eigentlich machen, ich würde so gerne einen Job machen, der mir Spaß macht und Freude macht. Im Grunde sind es zwei Dinge, die besonders wichtig sind: zu schauen, wo sind eigentlich meine Fähigkeiten, wo sind meine Potenziale, was kann ich also. Und das Zweite ist, was sind eigentlich meine Interessen, was sind meine Werte, was sind meine Bedürfnisse, also was will ich eigentlich. Diese Betrachtung muss ich immer machen. Ich glaube, das fehlt oft den jungen Menschen, und das fällt jetzt besonders auf, weil – die dritte Komponente, nämlich der Abgleich mit dem Arbeitsmarkt – man jetzt feststellt: Das funktioniert alles gar nicht mehr, es ist nicht mehr so selbstverständlich, also muss ich eben stärker diese ersten zwei Elemente – was kann ich und was will ich –betrachten, um den Abgleich mit dem Arbeitsmarkt hinzubekommen.
Jahn: Das ist jetzt natürlich eine ganz schwierige Frage, was kann ich und was will ich? Selbst für Ältere, die auch manchmal zu Ihnen kommen und diese Frage nicht beantworten können – besonders jetzt in Corona-Zeiten, wo man gerade nicht so viel ausprobieren kann und das Gefühl hat, eingeschränkt zu sein in seinen Möglichkeiten. Wie kann ich da versuchen, meine Zukunft zu gestalten?
Corona als Chance der Persönlichkeitsentwicklung
Busch-Holfelder: Tatsächlich ist ein ganz, ganz großer Schritt, die eigene Haltung, die Einstellung dazu. Es ist oft so, dass unsere Lebensqualität gar nichts damit zu tun hat, was passiert um uns rum, sondern wie wir damit umgehen. Wenn ich jetzt zum Beispiel Corona als eine Chance für mich betrachte, also eine Chance in meiner Persönlichkeitsentwicklung, da gehe ich dann schon ganz anders ran. Tatsächlich würde ich fast sogar sagen, wenn Sie mal den Blick schweifen lassen und sagen, Sie sind fünf Jahre später und schauen zurück, dann werden Sie sehen, dass genau diese herausfordernden Zeiten bestimmte Kompetenzen bei Ihnen gestärkt haben. Genau darum geht es im Grunde: Aus dieser Chance das Bestmögliche herauszuholen. Jetzt haben Sie mich ja gefragt, was man machen kann, wenn man nichts ausprobieren kann. Ich würde da einfach mal sagen, intensiv recherchieren. Sie sagten vorhin, es gäbe wenig Studentenjobs, man könnte bei einer Weinlese helfen, man könnte im medizinischen Sektor schauen. Wenn Auslandsjahre wegfallen – ich habe recherchiert und hab gesehen, zum Beispiel der Arbeiter-Samariter-Bund wirbt ausdrücklich damit, dass wenn die Auslandsmöglichkeiten gerade wegfallen, dass man doch ein FSJ macht.
Jahn: Also das Freiwillige Soziale Jahr.
Busch-Holfelder: Ja. Ich glaube, wenn man schaut und auch über den eigenen Tellerrand hinausschaut und vielleicht sich auf was einlässt, was vielleicht im ersten Moment nicht ganz so attraktiv erscheint, wo man sagt, ja, ich probier’s einfach aus, dass sich dadurch ganz andere Türen öffnen können.
Immer mehr bunte Lebensläufe
Jahn: Wenn ich Ihnen jetzt so zuhöre, dann scheint es vor allem der Optimismus zu sein, für den Sie auch plädieren, einfach die Situation aktuell als Chance zu nutzen, den Freiraum zu nutzen, der sich ja auch auftut.
Busch-Holfelder: Es ist wirklich eine Frage des Optimismus, wie gehe ich da ran, und wenn es irgendwie geht, das mit kleinen Schritten auszubauen, ist unheimlich hilfreich, vor allem auch in der Verbindung mit anderen Menschen. Deshalb rate ich auch hier dazu, wirklich das Netzwerk, das man hat, die Freunde, die Freundinnen, die Kollegen, Kolleginnen, Mitstudierenden wirklich auch persönlich anzusprechen, mit denen in Verbindung zu gehen, weil das einfach sehr, sehr gut tut und wir alle dieses Bedürfnis haben, mit Menschen in Verbindung zu stehen.
Jahn: Ja, und wie ist es, wenn ich jetzt trotz allem für eine längere Phase nichts finde und auf meinem Lebenslauf dann nichts vorzuweisen habe, ist das schlimm?
Busch-Holfelder: Ich bin ganz glücklich, dass Sie diese Frage stellen mit dem Lebenslauf, weil ich schon lange vor Corona versucht habe, den Menschen zu sagen, es gibt inzwischen bunte Lebensläufe, und es ist gar nicht mehr üblich, dass jemand 30 Jahre im Unternehmen ist. Das ist vielleicht im Öffentlichen Dienst oder bei Institutionen noch so, aber in der Regel ist heute Wechsel normal. Ich glaube, um dieses Wechseln zu zeigen, was steht denn eigentlich dahinter – es ist eine Flexibilität, man kommt mit neuen Dingen zurecht. Wichtig ist im Lebenslauf, das einfach transparent darzulegen. Wenn Sie mal überlegen, wir haben weltweit Corona, ganz ehrlich, wir werden alle unsere Corona-Lücke haben, und wir werden alle irgendwie eine Situation haben im Lebenslauf, wo wir vielleicht reinschreiben müssen Umorientierung oder Neuausrichtung oder Studienplatz überbrückt mit XY. Ich glaube, ehrlich gesagt, da dürfen mir mal so ein bisschen abwarten, was kommt, und müssen das auch ein bisschen entspannt sehen.
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