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Karstadt
"Betont junge Marken waren ein Misserfolg"

Für die Kaufhauskette Karstadt sei wichtig, Bestandskunden zu halten. Diese seien eben etwas ältere Kunden, sagte Professor Thomas Roeb im DLF. Daher müsse man sich von den jungen Marken verabschieden, die in den letzten Jahren ein Misserfolg waren, sagte der Handelsexperte weiter.

Thomas Roeb im Gespräch mit Marina Schweizer |
    Eine Frau steht in Essen vor einem beleuchteten Karstadt-Logo
    Der Aufsichtsrat hat in Essen über die Zukunft der angeschlagenen Warenhauskette beraten (picture alliance / dpa / Caroline Seidel)
    Christoph Heinemann: Die angeschlagene Kaufhauskette Karstadt schließt im Zuge ihres Sanierungskonzepts im kommenden Jahr sechs Standorte. Betroffen sind die Karstadt-Warenhäuser in Hamburg-Billstedt und in Stuttgart, die beiden auf junge Kundschaft ausgerichteten K-Town-Filialen in Göttingen und Köln sowie zwei sogenannte Schnäppchencenter, eines in Frankfurt/Oder und eines in Paderborn. Die Gewerkschaft ver.di spricht von einem bitteren Tag für die Beschäftigten. Darüber hat meine Kollegin Marina Schweizer mit Professor Thomas Roeb gesprochen. Er lehrt Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Erste Frage: Welche Strategie lesen Sie aus den Beschlüssen der Aufsichtsratssitzung heraus?
    Thomas Roeb: Ja, das ist eine klassische Sanierungsstrategie. Man versucht erst mal, die Brände zu löschen, und eine Möglichkeit, das im Einzelhandel zu tun, ist durch die Schließung der verlustbringenden Filialen. Es handelt sich ja im Moment erst um sechs, die zu den 83, die es insgesamt gibt, ja gar nicht zählen, sondern von diesen sechs sind vier, die außen vor laufen, die Schnäppchenfilialen beziehungsweise dieses K-Town-Konzept. Mir scheint das weniger, als man allgemein erwartet hatte, und auch, als ich selber erwartet hatte.
    Schweizer: Denken Sie, dass das ausreichend ist?
    Roeb: Das ist schwierig zu beurteilen. Mir liegen ja die internen Zahlen nicht beziehungsweise nicht vollständig vor. Letztendlich wird es darauf ankommen, ob man ein Konzept entwickelt, mit dem sich möglichst viele der übrigen verlustbringenden Standorte drehen lassen, in die schwarzen Zahlen bringen lassen.
    Schweizer: Auch der Ableger K-Town - Sie haben ihn schon genannt; der Name deutet ja schon auf die Zielgruppe hin -, der soll zu Teilen geschlossen werden. Will Karstadt sich gar nicht verjüngen?
    Roeb: Wollen und können, das sind ja zwei Paar Schuhe. Es ist immer sehr, sehr schwierig, unabhängig ob jung oder alt, komplett neue Kunden für sich zu gewinnen, egal wo Sie tätig sind, in welcher Branche. Was Karstadt jetzt macht ist das Naheliegende zu sagen, gut, irgendwann müssen wir uns auch mal mit den Jungen beschäftigen, aber jetzt geht es erst mal darum, die Kunden, die wir haben, zu halten und den Abschmelzungsprozess in der Hinsicht zu stoppen, und die Kunden, die wir haben, sind eben die etwas älteren Kunden. Also brauchen wir Mode, die auch von älteren Kunden getragen werden kann.
    Weg mit No-Name-Marken
    Schweizer: Da sprechen Sie jetzt aber wiederum den Inhalt an, also das Konzept und die Waren, die es in den Kaufhäusern geben soll. Wie muss sich Karstadt da ausrichten, um die bestehenden Kunden richtig anzusprechen?
    Roeb: Jedenfalls weg mit den unter dem unglückseligen Herrn Jennings eingeführten No-Name-Marken, die hier niemand kennt und die sich schon vom äußeren Auftritt her sehr, sehr stark an die jungen, teilweise ganz jungen Kunden gewandt haben. Das wird eine Sackgasse. Was jetzt als alternative Konzeptrichtung im Raume steht, dazu müsste man die vorhandenen Informationen besser kennen.
    Zwischen Einkaufszentrum und Antiquariat
    Schweizer: Wenn Sie mit Ihren Studierenden über Handelskonzepte sprechen, wo ordnen Sie dann Karstadt ein, in einem Status zwischen einem zeitgemäßen Einkaufszentrum, oder einer Antiquität?
    Roeb: Ja, schwierig zu sagen. Irgendwo dazwischen halt. Eine Antiquität ist es sicherlich nicht. Dafür gibt es einfach noch mit 15 bis 20 Millionen Menschen zu viele Leute, die mehr oder weniger unregelmäßig zwar, aber doch bei Karstadt einkaufen. Das kann man sicherlich nicht so pauschal einer dieser beiden Extrempunkte zuordnen, was hier geschieht.
    Strategie muss konsequent umgesetzt werden
    Schweizer: Sie haben ja jetzt sich darauf bezogen, dass das, was da jetzt wohl passieren soll, erst mal eine Art ad hoc Lösung ist, um wirklich auch einen Brand zu löschen. Was müsste denn Karstadt tun, um langfristig bestehen zu können?
    Roeb: Diese konzeptionellen Gedanken, die jetzt aufkommen, weiterzuspinnen, auszufüttern mit mehr Details und letztendlich mit Leben zu erfüllen. Wir haben jetzt eine Strategie; das ist aber nur totes Papier, solange wie es keiner wirklich konsequent umsetzt, und das auch in Bereichen, die nicht so naheliegend sind, die schwieriger zu handhaben sind.
    Schweizer: Können Sie da ein paar konkrete Beispiele nennen?
    Roeb: Ja. Man wird sicherlich über Kostensenkungsmaßnahmen auch in den bestehenden Filialen nachdenken müssen. Ein ganz zentrales Thema wird sicherlich die Sortimentsumgestaltung sein, dahingehend, dass man mehr Artikel verkauft, die von den Kunden auch nachgefragt werden, und sich bei der Gelegenheit dann allerdings auch von den Artikel verabschiedet, die auf dem Papier zukunftsweisend waren, aber kurzfristig Karstadt in die Verlustzone gerissen haben, nämlich diese betont jungen Marken, die unter dem Herrn Jennings eingeführt worden sind in den letzten Jahren und ein wirtschaftlicher Misserfolg waren.
    Schweizer: Kann Kosteneinsparung auch zulasten der Mitarbeiter und bei der Anzahl der Filialen, kann das am Ende eine der Lösungen sein? Die dritte haben Sie ja gerade schon genannt.
    Roeb: Kosteneinsparungen gehen nicht zulasten der Mitarbeiter, sondern gehen zugunsten der Mitarbeiter - nicht unbedingt aller Mitarbeiter. Aber wenn es zu Entlassungen kommt, dann heißt das, dass andere Arbeitsplätze zumindest über einen gewissen Zeitraum gerettet werden können. Insofern muss man einfach gucken. Klar, natürlich: Kostensenkungsmaßnahmen können auch Teil dieses Programms sein und sind es auch sicherlich, ja.
    Heinemann: Professor Thomas Roeb, Handelsbetriebslehrer an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Die Fragen stellte meine Kollegin Marina Schweizer.
    Marina Schweizer:
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.