Archiv

Karten im Kopf
Informatiker entwickeln elektronische Landkarten für Blinde

Im Digitalzeitalter sind viele Informationen, etwa von E-Books bis hin zu Navigationsapps, dank Sprachausgabe auch für Blinde einfacher zugänglich. Doch es gibt Grenzen: Landkarten zum Beispiel. Forscher in Dresden arbeiten deshalb an Lösungen.

Von Thomas Reintjes |
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Ausschnitt aus einem Text in Blindenschrift. (DPA/Wolfgang Moucha)
    Limin Zeng zeigt, wie Straßenkarten für Blinde bisher aussehen. Von der Stadt Dresden sagt er, könnten blinde Bürger Karten aus Schwellpapier bekommen. Dieses Papier wird so bedruckt und behandelt, dass man Linien und Muster darauf mit den Fingerspitzen ertasten kann. Das funktioniert, ist aber aufwendig und unflexibel. Am Institut für Angewandte Informatik an der TU Dresden arbeitet Zeng daran, Karten für Blinde besser zugänglich zu machen. Er verwendet dafür ein taktiles Display: eine Platte mit 7200 kleinen beweglichen Metallstiften, mit denen ein angeschlossener Computer ertastbare Muster darstellen kann.
    "Das ist das Hyperbraille-Display. Die Karten werden darauf durch Pins dargestellt. Wir haben uns verschiedene Kartensymbole überlegt. Die können die Blinden berühren und wenn sie wissen wollen, welches Gebäude das ist, drücken Sie einfach diesen Knopf."
    Versuche, wie Karteninformation am besten für Blinde aufbereitet werden
    Das Gerät, etwa so groß wie ein Laptop, hat eine berührungsempfindliche Oberfläche, weiß also, wo sich die Finger des Anwenders befinden. Wie auf einem Tablet-Computer lässt sich so der Kartenausschnitt auch verschieben oder vergrößern. Leider ist die Technik aber noch recht klobig und nicht für den Einsatz unterwegs geeignet. Die Forscher konzentrieren sich auf die Software. Und sie machen Versuche dazu, wie Karteninformationen überhaupt am besten für Blinde aufbereitet werden. Das taktile Display scheint vielversprechend zu sein.
    "Wir lassen die Probanden den Weg von einem Punkt zum anderen suchen. Mit unserem System, mit Schwellpapier-Karten und mit einem iPad. Und wir haben festgestellt, dass Schwellpapier und unser System in etwa gleich gut abschneiden, obwohl Blinde mit dem Schwellpapier schon sehr vertraut sind. Aber unser System erlaubt eben das Verschieben und Vergrößern des Kartenausschnitts und deckt so auch größere Entfernungen ab."
    Um verschiedene Systeme zu vergleichen, bittet man üblicherweise Versuchspersonen, sich eine Karte einzuprägen. An einer Magnettafel sollen sie diese Karte danach aus dem Kopf mithilfe von Magnetstreifen rekonstruieren. Eine Jury bewertet dann die Qualität der Rekonstruktion. Doch die Dresdner kritisieren dieses Verfahren.
    "So eine Bewertung hat zwei Probleme: Erstens, es ist sehr, sehr subjektiv. Und zweitens: In unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass sehende und blinde Menschen räumliche Merkmale unterschiedlich bewerten. Das heißt, wir bewerten die Karten von blinden Menschen anhand unserer Kriterien. Das ist nicht korrekt."
    Kreuzungen an den richtigen Stellen
    Mei Miao hat deshalb ein Verfahren entwickelt, das die Bewertungsmaßstäbe von Blinden berücksichtigt. Kriterien sind beispielsweise, ob Name, Form und Orientierung einer Straße richtig rekonstruiert wurden und sich Kreuzungen an den richtigen Stellen befinden.
    "Und dann haben wir die gewichtet. Nicht wir, sondern wir haben blinde Menschen die gewichten lassen. Weil wir müssen die Karten nach der Gewichtung von blinden Menschen bewerten."
    Das Verfahren von Mei Miao gibt am Ende einen Zahlenwert aus, der angibt, wie gut ein Proband eine Karte verinnerlichen und wiedergeben konnte. Viele Forscher weltweit arbeiten daran, räumliche Informationen für Blinde zugänglich zu machen. Das Evaluationsverfahren aus Dresden könnte dazu dienen, die Qualität dieser Entwicklungen besser beurteilen zu können.