Eigentlich hat Martin Gade mit Archäologie nichts am Hut. Der Physiker vom Institut für Meeresforschung der Universität Hamburg nutzt Fernerkundungsdaten und Radaraufnahmen um Küstenentwicklungsprozesse zu untersuchen. Genau dabei aber stieß er mitten im Wattenmeer auf etwas Seltsames:
"Das war eine ganz spannende Entdeckung. Wir haben also diese Aufnahmen, die in sehr hoher Auflösung vorliegen, das heißt, die Pixelgröße solcher Aufnahmen geht derweil runter auf 30 cm oder noch da drunter. Also sehr hoch aufgelöste Aufnahmen, die haben wir analysiert im Hinblick auf die Boden- oder Oberflächenbeschaffenheit und auf einmal entdeckten wir parallele Strukturen dort auf den Aufnahmen und das konnten weder Austern- oder Muschelbänke sein, noch konnten das irgendwelche Sedimentablagerungen sein."
Stattdessen waren Martin Gade und seine Kollegen auf Überreste längst vergangener Siedlungen gestoßen. In ihren Radaraufnahmen zeigten sich rechteckige Felder, Entwässerungsgräben und die Fundamente von Häusern.
"Das Radar funktioniert erst mal so, dass die Radarstrahlung, also die elektromagnetische Strahlung von der Oberfläche des Wattes oder des Wassers, reflektiert wird und zwar dann, wenn die Oberfläche rau ist. Das heißt, je rauer die Oberfläche ist, desto besser wird das Radarsignal reflektiert und damit erhalten wir in der Radaraufnahme eine Information darüber, wie rau die Oberfläche an einer bestimmten Stelle ist. So ist zum Beispiel eine Muschelbank viel rauer als eine einfache Sandbank."
Radaraufnahmen sind ein Schatz für Archäologen
Und ein verdichteter Boden sieht anders aus, als ein unberührter. Mit seinen Bildern wandte sich Martin Gade an Kollegen bei der schleswig-holsteinischen Nationalparkverwaltung, die schon lange solche Kulturspuren im Wattenmeer vermutet hatten. Für die Archäologen dort sind diese Radaraufnahmen ein Schatz. Sie wussten zwar, dass irgendwo nördlich der Insel Pellworm Überreste von Siedlungen zu finden sein müssten, die während der großen Sturmfluten im 14. und 17. Jahrhundert untergingen, aber wo genau diese Siedlungsreste lagen, war bislang unbekannt.
"Das Problem in Wattgebieten ist natürlich, dass man sehr stark von der Tide also von den Gezeiten abhängig ist. Wir haben Ebbe und Flut im steten Wechsel und das heißt die Zeitspanne in der man überhaupt vor Ort sein kann, ist sehr kurz. Und an Ausgrabungen ist dann schlechterdings kaum zu denken. Man hat ja bloß wenige Stunden Zeit für die gesamte Exkursion die man machen will und danach kommt die Flut, beziehungsweise kommt das Wasser zurück und man muss sehen, dass man im wahrsten Sinne des Wortes Land gewinnt."
Gleichzeitig verändert sich der Wattboden ständig. Bei jeder Flut wird Sediment verschoben, so dass archäologische Funde nur kurze Zeit an der Oberfläche liegen, bevor sie verrotten oder wieder unter dem Schlick vergraben werden. Findet man also archäologische Spuren, muss man schnell sein, will man sie untersuchen oder bergen.
Gezielte Suche nach Zeugnissen untergegangener Siedlungen
"Wir können sagen, an der und der Stelle haben wir etwas gefunden, das haben wir noch nicht in den Karten gesehen, die wir zur Verfügung haben. Das heißt, da gibt es etwas Neues da ist jetzt gerade die Morphologie, also das heißt die Morphodynamik, das heißt die Bewegung, der Abtrag von den Sedimenten so gewesen, dass etwas Neues an der Oberfläche erschienen ist und da lohnt es sich, jetzt mal genauer hinzugucken."
Martin Gade kann mit seinen Radaraufnahmen riesige Flächen des Wattenmeers abscannen und alle neuen Strukturen den Archäologen melden. Mit Hilfe seiner Daten können sie dann gezielt auf die Suche gehen, nach Zeugnissen untergegangener Siedlungen.